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Eine gigantische Festung, ein teuflischer Verrat und eine verbotene Liebe Coblenz, 1822: Hoch über der Stadt entsteht die preußische Feste Ehrenbreitstein. Als geheime Baupläne von dort verschwinden, wird Franziskas Bruder wegen Landesverrats verhaftet. Er soll die Pläne an die Franzosen verkauft haben - immerhin war ihr gemeinsamer Vater ein Offizier Napoleons. Um seine Unschuld zu beweisen, ist Franziska auf die Hilfe des strengen Leutnants Rudolph Harten angewiesen. Bei der Suche nach dem wahren Verräter kommen sich die beiden näher, als es sich für einen Preußen und eine Halbfranzösin gehört ...
Die Festung Ehrenbreitstein (erbaut 1817 bis 1828) thront bis heute hoch über Rhein und Mosel. Zum 200-jährigen Jubiläum der Festungsstadt Koblenz entwirft Maria W. Peter ein schillerndes Panorama der Rheinprovinz im 19. Jahrhundert. Preußische Disziplin trifft auf rheinische Lebensfreude.
Coblenz, Juni 1822
Blutrot stand die Sonne am westlichen Horizont, der sich bis tief hinein in die Eifel erstreckte. Ein milder Wind wehte von Mosel und Rhein her. Beinahe mutwillig zerrte er an ihrem Rock, den Bändern ihrer Schute und kühlte zugleich ihr Gesicht, das vor Erregung erhitzt war.
Ein Grüppchen Soldaten kreuzte ihren Weg. Die Männer bedachten sie mit anzüglichen oder herablassenden Blicken. Franziska ignorierte beides und eilte weiter.
Ich muss dich umgehend sehen. Heute Abend noch. Es ist wichtig.
Mehr hatte er ihr nicht mitgeteilt auf dem kleinen, fleckigen Zettel, den ein schmutziger Straßenjunge ihr überbracht hatte. Ein unbehagliches Gefühl überkam sie. Was konnte nur vorgefallen sein, das so wichtig war, dass er sich davor scheute, es zu Papier zu bringen?
Ihre Schritte beschleunigten sich, als sie das Generalkommando des VIII. Armeecorps passierte und die eng bebaute Castorgasse hinter sich ließ. Der Schein der Abendsonne lag über der Stadt und tauchte die zweitürmige, dem Heiligen Castor geweihte Kirche und das Deutschherrenhaus in warmes rötliches Licht. Der verblasste Glanz einer Epoche, in welcher die Trierer Kurfürsten gleichzeitig als geistliche und weltliche Herrscher hier in Coblenz residiert hatten. Eine Zeit, die vom Mittelalter bis hin zu jenem Tag reichte, als die französischen Truppen die Grenzen überquerten, um auch den deutschen Fürstentümern die Ideen ihrer Revolution zu bringen - und den Krieg.
Der Anblick des Rheins, der majestätisch vor ihren Augen vorbeizog, ließ Franziska kurz innehalten. Geblendet von dem Licht, das von den Wellen reflektiert wurde, blinzelte sie. Dann lief sie atemlos ein Stück am Fluss entlang, bis sie die von Schiffskörpern getragene Pontonbrücke erreichte, welche die Stadt Coblenz mit dem gegenüberliegenden Rheinufer und dem gewaltig aufragenden Felsplateau des Ehrenbreitsteins verband.
Schweigend passierte sie die dunkel uniformierten Wachposten und blickte zur anderen Seite hinüber. Ihre Augen streiften dabei die barocke Fassade der Münzkaserne, die zur kurfürstlichen Zeit als Verwaltungsbau gedient hatte und nun vom preußischen Militär genutzt wurde. Wie eine mahnende Erinnerung an eine frühere Zeit erstreckte sie sich mitsamt der prächtigen Stallungen entlang des rechten Ufers, unterhalb des Ehrenbreitsteins, wo gerade auf den Ruinen der ehemals kurfürstlichen Feste eine neue, eine preußische Zitadelle errichtet wurde.
Etwas seltsam Bedrohliches schien in der Luft zu liegen, schwer und dicht wie die Schwüle vor einem Gewitter. Alle Muskeln ihres Körpers spannten sich an, etwas in ihrem Inneren schrie Gefahr!, und trotz der angenehmen Abkühlung, die der Abend brachte, spürte Franziska, wie feiner Schweiß ihre Wirbelsäule hinabrann und vom Stoff ihres abgetragenen Kleides aufgesogen wurde.
Vereinzelt kamen Soldaten über die Brücke, einige langsam und schwerfällig, andere ausgelassen und mit flottem Schritt, als wären sie bereits von der bloßen Vorstellung, nun bald in das nächste Wirtshaus einkehren zu können, berauscht. Manch einer von ihnen ließ seinen Blick eine Weile auf Franziska ruhen, als wolle er abschätzen, ob sie zu den Frauen gehörte, die sich gegen Geld an die hier einquartierten Militärs verkauften, um den Dienern seiner Majestät manch schöne Stunde zu bereiten. Einer der Männer sprach sie an. Ein zweiter versuchte sogar, ihren Unterarm zu greifen, doch ihr abweisendes Gesicht, ihre starre, unnachgiebige Haltung ließ ihn schnell in seinem Eifer erlahmen.
Gerade, als Franziska schon fürchtete, umsonst gekommen zu sein, sah sie ihn. Hinter zwei Kameraden kam er über die Schiffsbrücke. Das satte Berliner Blau seines Uniformrocks über der weißen Hose brannte in Franziskas Augen. Sein Gesicht war verschmutzt, seine Haare, die unter der Mütze hervorlugten, waren staubbedeckt und zerzaust. An seinem schleppenden Gang erkannte sie, wie erschöpft er war.
Als er das Ende der Brücke erreicht hatte, passierte er den Mautposten und trat ans Ufer. Dort blieb er einen Moment stehen und sah sich suchend um. Dann entdeckte er sie. Ihre Blicke trafen sich, und ein Lächeln erhellte sein Gesicht. Aufrichtig, aber ein wenig traurig.
Eine tiefe Wärme durchflutete Franziska, gefolgt von einem Gefühl der Besorgnis. Mit klopfendem Herzen eilte sie auf ihren Bruder zu, stand ihm gegenüber. Ihre Hand glitt in seine, dann beugte er sich vor, hauchte ihr einen Kuss auf die Wange. Ein kurzer Moment der Vertrautheit, trotz der preußischen Uniform, die wie ein Fremdkörper an ihm wirkte.
Noch immer.
Schließlich schob sie ihn eine Armeslänge von sich, um ihn zu mustern. Er hatte die gleichen schwarzen Locken wie sie, die gleichen feinen Gesichtszüge mit hohen Wangenknochen. Es war unverkennbar, dass sie Geschwister waren. Nur waren Christians Augen so dunkel wie die ihres Vaters, der aus dem südlichen Frankreich stammte, sie selbst dagegen hatte die hellen Augen ihrer Mutter geerbt.
»Fanchon.« Der Tonfall, mit dem er ihren französischen Kosenamen aussprach, klang erleichtert, fast wie ein Aufatmen. »Schön, dass du kommen konntest.«
»Du kannst dich immer auf mich verlassen.«
»Daran würde ich nie zweifeln.«
Franziskas Zunge strich über ihre trockenen Lippen, bevor sie die Frage stellte, die sie bereits den ganzen Tag umgetrieben hatte. »Was ist geschehen. Weshalb .?«
»Sch . nicht hier.« Mit einer knappen Bewegung des Kopfes schnitt Christian ihr das Wort ab.
»Hast du Hunger?« Die Anspannung ihres Bruders bereitete Franziska mehr Sorgen, als sie ihm zeigen wollte. »Möchtest du irgendwo einkehren?«
Heftig schüttelte er den Kopf. »Nein, ich habe den ganzen Tag auf der Baustelle verbracht, ich brauche jetzt saubere Luft und . den freien Himmel.«
»Sollen wir lieber hierbleiben, am Rhein?«
Ein kurzer, gehetzter Blick über die Schulter, als fürchtete er, verfolgt zu werden. Dann nickte Christian. »Ja. Lass uns ein Stück spazieren gehen.«
Rasch hatte er sie am Arm gefasst und sich flussaufwärts gewandt. Ihre Unruhe steigerte sich bei jedem Schritt, den sie am Rhein entlanggingen. Sie wollte Christian festhalten, ihn fragen, was los sei, weshalb er so dringlich nach ihr geschickt hatte, aber sie schwieg. So gut kannte sie ihn, dass sie wusste, er würde erst reden, wenn er dazu bereit war. So war er immer schon gewesen, ihr kleiner Bruder. Still, nachdenklich, und nie ein unüberlegtes Wort zum falschen Zeitpunkt. Ganz anders als sie selbst, bei der die Zunge bisweilen schneller war als die Vernunft.
Endlich hatten sie eine ruhige Stelle erreicht und blieben unweit der Baustelle vor dem ehemals kurfürstlichen Schloss stehen, wo gerade ein Teil der neuen Stadtbefestigung errichtet wurde. Das Ufer davor war jedoch noch unverbaut, ein paar Fischer hatten dort ihre Netze zum Trocknen ausgespannt. Gleichmäßig und glitzernd zog der Rhein wie ein breites, endloses Band an ihren Augen vorbei. Lastschiffe, Kähne und kleine Fischerbote schaukelten, für die Nacht in Ufernähe vertäut, auf dem Wasser. Einen Moment musste Franziska die Lider schließen, so sehr blendeten sie die kleinen goldroten Flammen, die auf den Wellen züngelten und das Licht der Abendsonne widerspiegelten.
Stumm hatte Christian sich ins Gras gesetzt, zog sie zu sich herunter. Nun starrte er regungslos auf die Wasseroberfläche, als sähe er darin etwas, das nur er wahrnehmen konnte oder als suche er nach den richtigen Worten, um von dem zu sprechen, was ihn bewegte.
Franziska konnte nicht verhindern, dass ihr Herz heftig zu klopfen begann. Vorsichtig legte sie ihre Hand auf seinen Unterarm. »Christian, was ist?«
Ruckartig wandte er sich ab.
»Ist etwas vorgefallen? Gab es . gab es wieder Ärger? Hat man dich kujoniert wegen deiner . wegen unserer Herkunft?«
Er schwieg weiterhin.
»Wurdest du schlecht behandelt?« Franziskas Mund wurde trocken, wenn sie daran dachte, was ihr Bruder durchzustehen hatte, seit ihr Onkel dafür gesorgt hatte, dass er auch tatsächlich als Wehrpflichtiger eingezogen wurde. Nicht nur die alltägliche Härte, Willkür und Disziplin, sondern auch den Spott und die Verhöhnung, weil er der Sohn eines französischen Offiziers war. Dazu noch eines gefallenen Offiziers, eines Mannes, der sieben Jahre zuvor in der entscheidenden Schlacht von Belle-Alliance sein Leben für den Kaiser von Frankreich geopfert hatte. »Hat Feldwebel Bäske dich wieder .«
Heftig fuhr er herum. »Was weißt du von unserer Mutter?«
Franziska blinzelte überrascht. »Von unserer Mutter, wieso?«
»Hattest du in der letzten Zeit irgendeinen Kontakt zu ihr?« Seine Stimme klang gepresst.
»Natürlich.« Verwirrt schüttelte Franziska den Kopf. »Das heißt, ich hab ihr geschrieben. Du weißt doch, dass ich, wenn immer möglich, einen Brief nach Cöln schicke. Aber warum .« Als sie flussabwärts schaute, sah sie, dass drei Uniformierte in ihre Richtung kamen. Unwillkürlich verkrampfte sie sich. Was sie mit ihrem Bruder zu besprechen hatte, ging nur ihn und sie etwas an. Sie brauchten keine Zuhörer.
»Also, warum fragst du nach Maman?« Sie hatte die Stimme gesenkt.
Christians Blick flackerte. »Unser Vater . nun .« Er schluckte. »Was weißt du über seinen Tod?«
»Seinen Tod?« Franziska flüsterte. »Das, was Maman uns damals erzählt hat. Und . Was ist?« Sie spürte, wie ihre Hände feucht wurden.
Ihr Bruder wandte den Blick ab, sah zum gegenüberliegenden Rheinufer und schwieg. Die Soldaten waren näher gekommen, ihre Schritte knirschten leise auf dem Untergrund von Gras und Kies.
»Christian, qu'est-ce...
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