Schweitzer Fachinformationen
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Das Telefon auf Aline Bosshards Bürotisch klingelt ungeduldig. Ihr Arbeitsplatz ist nicht besetzt und niemand in der offenen Bürolandschaft macht Anstalten, den Hörer abzunehmen. Als sich endlich die Tischnachbarin hinüberlehnt, um den Anruf entgegenzunehmen, verstummt der Apparat, als hätte er Angst vor der fremden Hand. Es herrscht wieder arbeitsame Ruhe. Nur das arrhythmische Geklapper, das entsteht, wenn gleichzeitig mehr als vier Hände Computertastaturen bearbeiten, füllt den Raum. Irgendwo läutet ein Mobiltelefon und eine unterdrückte Stimme nuschelt etwas Unverständliches. Eine andere Person verlässt den Raum. Nach fünf Minuten kehrt die gleiche Person zurück und zieht den Geruch von Rauch hinter sich her. Raucherpause.
Das Telefon auf Aline Bosshards Bürotisch klingelt abermals. Diesmal ist die Tischnachbarin schnell genug.
»Galli, am Anschluss Bosshard.«
Sie hört kurz zu und unterbricht den Anrufer: »Nein, entschuldigen Sie, sie ist zurzeit leider nicht an ihrem Platz.« Sie wird unterbrochen, erklärt dann vehementer: »Nein, sie ist in einer internen Sitzung. Kann ich .«
Der Anrufer spricht laut und schnell.
»Nein, es tut mir leid. Aber ich kann Sie nicht verbinden und ebenso wenig kann ich Frau Bosshard in der Sitzung stören. Doch ich kann ihr eine Notiz machen, dass Sie angerufen haben oder dass sie Sie zurückrufen soll. Wie ist Ihr Name und um was geht's?«
Die Stimme wird noch lauter. Köpfe erscheinen hinter den Trennwänden.
». auch gut. Wie Sie wollen. Dann muss die Reparatur halt warten und Frau Bosshard geht später auf den See, da kann ich auch nichts gegen machen. Auf Wiederhören.« Die Bürokollegin schiebt den Hörer in die Halterung und macht dazu eine eindeutig ausfällige Handbewegung.
Eine halbe Stunde später erscheint Aline Bosshard an ihrem Arbeitsplatz. Müde lässt sie sich auf den bequemen Bürostuhl fallen. Ein leiser Seufzer löst sich. Geschlagen blickt sie sich um. Sie muss sich sammeln, die Orientierung wiederfinden. Es scheint, als habe sie eine harte Besprechung hinter sich. Tief atmet sie ein paarmal durch, hebt den Blick und schiebt den Stapel Unterlagen von ihren Knien hinüber aufs Pult. Doch kaum hat sie sich wieder etwas gefasst, biegt ein junger dynamischer HSG-Absolvent mit stromlinienförmig zurückgeklebtem Haar und brutal angelegten Ohren um die Ecke. Ein Hai auf der Jagd. Ihr Chef. Die Hosenbeine flattern und in seinen Augen blitzt es wie auf dem roten Teppich in Cannes. Es ist Wut gepaart mit der bodenlosen Arroganz eines zutiefst beleidigten Akademikers. Eine äußerst explosive Mischung. Aline kann es nicht so schnell erkennen, wie sich das Gewitter über ihr entlädt.
»Himmelherrgott noch mal! Wie kannst du nur so naiv sein?«, wettert der Glattpolierte. »Bis jetzt habe ich geglaubt, dass du deine Leistung in den Dienst unserer Firma stellst, aber was du dir da drin herausgenommen hast! Unerhört! Jetzt bin ich mir nicht mehr so sicher! Sag mir nur eines: Auf welcher Seite stehst du eigentlich?« Das Gesicht des Chefs gleicht einem italienischen Sportwagen. Flache, fliehende Stirn, windschlüpfrige Ohrenmontage und ein Hinterkopf wie ein Spoiler. Alles in Ferrari-Rot.
»Oh, ich . ich .«, stottert Aline Bosshard und errötet ebenfalls, aber nicht aus Wut. Sie hat feuchte Hände.
»Ich muss schon sagen«, schimpft ihr aalglatter Chef weiter und seine Stimme hat die Lautstärke eines hochgezüchteten Zwölfzylinders bei 8.000 Umdrehungen, »ein bisschen mehr Loyalität hatte ich schon erwartet - besonders von dir - Aline!«
Ihr Chef ist gut fünf bis sechs Jahre jünger als sie und sieht, sogar wenn er faucht und brüllt, verdammt gut aus. Ursprünglich war sie für den Posten vorgesehen, doch als die Stelle endlich vakant wurde, setzte man ihr, ohne sie zu fragen oder es mit ihr abzusprechen, diesen jungen Hengst vor die Nase.
»Und, was sagst du dazu? Hast du überhaupt etwas zu deiner Verteidigung vorzubringen? Und«, er scheint sich nicht beruhigen zu können, »wie gedenkst du das wiedergutzumachen?«
Aline zittert und ist sich nicht mehr sicher, ob nur aus Scham oder jetzt doch auch aus Wut. In ihrer Nase kitzelt es. Auch da ist sie sich nicht sicher warum. Sie niest und ihre Gedanken schweifen plötzlich ab. Na, ich wüsste ja längst wie, aber du willst ja nicht. Wie war das noch beim letzten Betriebsausflug? Hat er nicht ziemlich eindeutig mit ihr getanzt, sie an sich gedrückt, sodass sie seinen Penis deutlich spüren konnte. Ihr gefiel es, ihm sicher auch. Klar waren sie alle etwas betrunken. Und vielleicht machte sie sich gerade deshalb irgendwie Hoffnungen. Hoffnungen auf wenigstens eine Nacht im Hotelzimmer. Die Gelegenheit war nie besser. Doch er ließ sie für eine Flasche Whiskey mit seinen Chefs stehen. Klar, es war ein >Port Ellen< von der 1983 stillgelegten Brennerei auf der schottischen Insel Islay. Aber war sie etwa nichts? Gut, sie war etwa zehn Jahre weniger gereift, hatte aber genügend Cask strength, er müsste es nur versuchen.
»Aline, hallo! Ich spreche mit dir! Ich habe immer gedacht, wir wären ein gutes Team - du und ich - und wir hätten ein gutes Einvernehmen. Aber dass du mir vor dem Kunden so hinterhältig in den Rücken fällst, das hätte ich nie erwartet. Besonders von dir nicht.« Er kann sich nicht beruhigen. »Das ist einfach inakzeptabel! Ich sage dir, das wird Folgen haben. Schwerwiegende Folgen.«
Ein wütender Adonis. Ist das nicht niedlich, wenn sich aus Wut auf seiner Oberlippe kleine Schweißperlen bilden? Zum Ablecken süß. Solche Gedanken schießen Aline durch den Kopf und es interessiert sie nicht besonders, warum ihr Chef immer noch schimpft. Ach, wenn er nur etwas lockerer wäre. Sie wäre bereit und sie könnten immer noch einen Weg finden und eine schöne Zeit miteinander verbringen. Träumerisch benetzt sie mit der Zungenspitze ihre Lippen. Die Predigt ihres jungen Gottes dringt nur noch aus der Ferne an ihr Ohr. Ihre Hirnsensoren registrieren zwar die kleinen Eruptionen, wandeln sie aber direkt in eindeutigere Bewegungen um. Ihre Reaktion auf den Wutausbruch des Chefs verwirrt sie noch mehr und sie fragt sich, ob sie Masochistin ist.
Bin ich nicht attraktiv genug? Nicht schön genug? Nicht sexy genug? Irritiert schiebt sie sich eine Haarsträhne hinters Ohr und zupft verstohlen den Jupe über die Knie zurück, sodass er nicht anders konnte, als hinzugucken. Dabei errötet sie bereits zum zweiten Mal. Doch diesmal wegen ihrer unzüchtigen Gedanken. Ich muss einfach noch offensiver werden, denkt sie. Ansonsten werde ich noch als alte Jungfer enden! Doch so schnell wie der Mut über sie gekommen ist, kehrt die altbekannte Ängstlichkeit zurück, und die kühnen Träume fallen kläglich in sich zusammen. Deprimiert denkt sie, dass sie wohl doch noch nicht über den Berg ist und vielleicht die abgebrochene Behandlung wieder aufnehmen sollte. Was hat ihr der Blödmann bei der letzten Sitzung gesagt? Sie hätte, laut ICD-10-Klassifikation, eine F60.6. Also eine ängstliche, vermeidende Persönlichkeitsstörung. Darauf war sie nicht mehr hingegangen. Sie war schüchtern, okay. Was soll sie mit einer F60.6 anfangen? Sie muss unbedingt den Therapeuten wechseln, zumal ihr Schulbuchpsychiater zu allem Überfluss Mundgeruch hat.
Auch der göttliche Blödmann vor ihr reagiert nicht auf ihre Reize. »Aline! Dir ist schon bewusst«, setzt er wieder an und hat anscheinend noch nicht genug - oder will er ihr seine Kondition beweisen, »dass wir von unseren Kunden leben? Darum ist Kundenzufriedenheit nicht nur etwas für Endkonsumenten, sondern auch etwas für Auftraggeber. Du kannst dir ja selbst vorstellen, was passiert, wenn der Kunde mit uns nicht mehr zufrieden ist, wenn er nicht befriedigt wird! Das muss ich dir nicht extra erklären! - Schwuppdiwupp und schon ist er weg - die Konkurrenz schläft nicht, verstehst du? So etwas können wir uns in der heutigen Zeit einfach nicht leisten!«
Kunden befriedigen? Jetzt geht er eindeutig zu weit, der Adonis. Das kann er gefälligst selbst machen, aber ohne mich. Denkt Aline. Das ist doch unterste Schublade. Aber Kundenzufriedenheit? Klar, selbstverständlich. Sie gibt doch alles. Oft mehr als sie kann, was sie wiederum stresst, und je länger, je unzufriedener macht. Ein andauerndes Gefühl von Überanspannung und Überreiztheit. Sie weiß oft gar nicht mehr, was sie noch geben oder weiter tun kann, was sie wiederum noch mehr belastet. Minderwertigkeitsgefühle machen sich wieder breit. Sie will doch nur etwas Zuneigung und Akzeptanz. Sie möchte einfach akzeptiert werden und ärgert sich gleichzeitig über ihre Dünnhäutigkeit. Ihre Überempfindlichkeit besonders gegenüber anhaltender Zurückweisung und Kritik drückt schwer aufs Gemüt. Und dann habe ich wieder solche Ausfälle wie eben in der Sitzung, fährt es ihr durch den Kopf. Ist nicht der Chef gerade wegen ihrer Aktivität gegenüber dem Kunden so aufgebracht? Sie nimmt sich vor, sich in Zukunft noch mehr zurückzunehmen.
Aline Bosshard niest und nimmt all ihren Mut zusammen, um wenigstens einen Versuch der Verteidigung anzubringen. Was sollten sonst ihre Bürokollegen von ihr denken? Besonders ihr Assistent, der in letzter Zeit auch schon ziemlich aufbegehrt.
»A., ach, komm schon. So schlimm, wie du das jetzt darstellst, war es doch gar nicht. I. ich jedenfalls hatte das Gefühl, der Kunde war auf unserer Linie, solange wir uns innerhalb der von ihm vorgegebenen Richtlinien bewegten. Bitte entschuldige, ich . ich meine ja nur, und ich will dir damit bestimmt nicht zu nahe treten, denn du hast ja...
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