Schweitzer Fachinformationen
Wenn es um professionelles Wissen geht, ist Schweitzer Fachinformationen wegweisend. Kunden aus Recht und Beratung sowie Unternehmen, öffentliche Verwaltungen und Bibliotheken erhalten komplette Lösungen zum Beschaffen, Verwalten und Nutzen von digitalen und gedruckten Medien.
Der staunenswürdige Jaime Bunda
In dem mit dem Tempo einer Schildkröte oder einer grausamen Rotameise auf Kriegsfeldzug einige Geheimnisse aufgedeckt werden und ein intriganter Ermittler auftritt. In dem darüber hinaus eine finstere Person in Erscheinung tritt.
Jaime Bunda saß in dem weitläufigen Büro, das den Geheimpolizisten vorbehalten war. Es gab darin drei Schreibtische, an denen etliche andere Ermittler gegen die vorsintflutlichen Computer ankämpften. An die Wand gelehnt standen zudem mehrere Stühle. Auf einem davon, dem hintersten, ließ Jaime sein ausladendes, im Verhältnis zum Körper übertrieben groß geratenes Hinterteil nieder, das Erkennungszeichen, das ihm zu seinem Namen verholfen hatte. Sein echter war lang und vereinte die Nachnamen zweier illustrer Familien der Gesellschaft von Luanda. Es war beim Sportunterricht gewesen, genauer gesagt in einer Volleyballstunde, als der Spitzname aufgekommen war. Irgendwann hatte der Lehrer, verärgert über die Unbeholfenheit oder den mangelnden Einsatz des Schülers, gerufen: »Spring, Jaime. Los, krieg deinen Arsch hoch, verdammt noch mal!«
Von da an hieß er in der ganzen Schule Jaime Bunda. Tatsächlich waren seine Hinterbacken übertrieben groß. Er neigte im Übrigen insgesamt zur Rundlichkeit, selbst bei den Augen, die er vor dem Spiegel gerne weit aufriss, um ein erstauntes Gesicht einzustudieren. Seiner Mutter indes gefiel es überhaupt nicht, als sie die Mitschüler ihn so nennen hörte, du Waschlappen, du solltest ihnen nicht erlauben, dich zu beleidigen, aber er zuckte mit den Schultern, mein Hintern ist wirklich groß, was soll ich machen?
Der Spitzname war ihm sogar nützlich, denn der Sportlehrer betrachtete ihn als aussichtslosen Fall für den Sport des Landes und bestand nie wieder darauf, ihn zu Dingen zu zwingen, zu denen er sich nicht im Mindesten berufen fühlte. Meistens saß Jaime im Schatten, während seine Kameraden sich beim hin- und her-Rennen oder vermeintlichen Synchronspringen verausgabten. Er aß derweil gemütlich sein Pausenbrot und lästerte im Stillen über die Missgeschicke der anderen. Und genoss schadenfroh ihre Fehler. Er war ein sehr aufmerksamer Beobachter, nicht eine lächerliche Geste, wie winzig sie auch sein mochte, ließ er sich entgehen.
Deshalb kicherte er in sich hinein, als er seinen Kollegen Isidro die Tastatur des Computers bearbeiten sah, die beiden Zeigefinger kerzengerade, mit ausgestreckter, sich rhythmisch zu dem langsamen Gehämmer bewegender Zungenspitze. Die Goldringe, die der Ermittler Isidro an beiden Zeigefingern trug, funkelten. Meine Landsleute sind wirklich unmöglich, dachte Jaime Bunda, das Geld, das Isidro verdient, gibt er für Gold aus. Ringe, Armbänder, eine dicke Goldkette, wie die Hundertmeterläufer der nordamerikanischen Mannschaft sie tragen . Fehlt nur noch eine goldene Rolex. Er sieht aus wie einer dieser Neureichen, die sich in jüngster Zeit hier breit machen . Genau, das wird es sein, er will als Neureicher durchgehen, dabei ist er arm wie eine Kirchenmaus. Es sei denn . Er wusste von einigen Bezugsquellen Isidros, aber vielleicht gaben sie nicht genügend her zum Reichwerden. Er vertrieb sich gerade mit diesen Überlegungen die Zeit, als der Bürodiener den Raum betrat und auf ihn zuging:
»Sie sollen zum Chef kommen. Im Laufschritt, hat er gesagt.«
Die drei Kollegen lachten blöde. Alle Welt wusste, dass der Praktikant Jaime Bunda nicht rannte, das verstieß gegen seine Prinzipien. Er erhob sich mit allergrößter Würde, strich die Bügelfalten seiner Hose glatt und verließ wortlos den Raum, wobei er seine Verachtung für das niedere Volk der altgedienten Ermittler unterstrich.
»Ich habe einen wichtigen Fall für Sie«, sagte Chef Chiquinho Vieira. »Ich hoffe, Sie geben Ihr Bestes .«
Jaime warf sich in die Brust. Endlich fing man an, seine Verdienste anzuerkennen. Nicht Isidro wurde dieser wichtige Fall übertragen, nein, ihm, dem bisher stets Vergessenen, der beschäftigungslos auf einen der Stühle im Büro der Geheimpolizisten gesetzt worden war, bloß weil er »den Familien« angehörte. Chiquinho Vieira hatte jedenfalls eines Tages zu ihm gesagt, dass er ihn nur in der Dienststelle behalte, weil er Anweisung dazu vom O.D. bekommen hatte, dem Operativen Direktor. Er solle sich aber keinerlei Illusionen machen, er werde nie über das Praktikantenstadium hinausgelangen. Der O.D. entstammte ebenfalls den Familien und hatte ihn dazu ermutigt, den Beruf des Detektivs zu wählen, du bist ein guter Beobachter, dir entgeht nichts, du wirst ein Crack werden. Der O.D. ließ ihn anwerben und umging so die vorschriftsmäßigen Formalitäten. Er würde die Tests und das Training eben nach seiner Einstellung absolvieren, nieder mit der Bürokratie, die eine wirksame Verbrechensbekämpfung verhindert. Chiquinho Vieira und die anderen gaben ihm aus Neid auf seine Verwandtschaft zum O.D. niemals die Gelegenheit, unter Beweis zu stellen, dass er tatsächlich ein Crack war, sie schickten ihn lediglich Zigaretten holen. Höchstens mal einem Kollegen bei einer riskanteren Aufgabe Deckung geben, aber immer in untergeordneter Funktion. Geduldig abwartend saß er im Büro auf immer demselben Stuhl und sah zu, wie die anderen Berichte über die Fälle schrieben, die sie lösten oder auch nicht; sie behaupteten zwar, dass sie sie lösten, doch auf den Straßen wimmelte es nur so von Verbrechern, und die Subversiven konspirierten gegen das Regime, derweil er allmählich mit dem Gewicht seines Hinterns den Stuhl ausbeulte. Während all der Monate, die er dort im Büro verbrachte, über zwanzig, hatte er sämtliche Fliegen zu unterscheiden gelernt, die zum Fenster herein- und wieder hinausflogen.
»Sie können auf mich zählen, Chef. Worum geht es denn?«
»Mord. Vergewaltigung und Mord. Eine Minderjährige, vierzehn Jahre alt. Die Leiche wurde in der Nähe vom Morro dos Veados gefunden.«
»Wie ist sie umgebracht worden?«, fragte Jaime Bunda.
»Erwürgt. Es muss in einem Auto passiert sein, und dann ist die Leiche zwischen den Mangroven versteckt worden.«
»Und wie oft ist sie vergewaltigt worden?«
Chiquinho Vieira schaute den Untergebenen mit düsterem Gesicht an.
»Was weiß ich, wie oft sie vergewaltigt worden ist. Ich war nicht dabei und habe zugesehen. Und das Labor hat mit Sicherheit nicht die Mittel, das herauszufinden. Aber sagen Sie mir, welche Bedeutung hat es, ob es ein-, zwei- oder dreimal war?«
»Große«, sagte Jaime Bunda. »Nur ein Sexbesessener ist zu einer mehrfachen Vergewaltigung im Stande.«
Der Chef schaute ihn eine Weile lang verblüfft an, ohne zu antworten. Dieser Typ ist noch blöder, als ich dachte. Oder er ist überhaupt nicht blöd, kein bisschen, und tut nur so.
»Fragen Sie die vom Innenministerium. Die haben den Fall am Wickel.«
»Und wir?«, fragte Jaime.
»Wie immer, wir bleiben im Schatten. Wir kümmern uns unmittelbar nur um ganz bestimmte Angelegenheiten, nämlich die allerwichtigsten. In diesem Falle ist es die zuständige Direktion des Ministeriums, die ermittelt. Aber wir werden den Fall verfolgen und wenn nötig eingreifen.«
»Oh, ich darf eingreifen .«
»Natürlich. Aber diskret. Der Bunker will keine Aufmerksamkeit. Und auch keine Schwierigkeiten mit dem Innenministerium. Wenn Sie allerdings sehen, dass die Kerle Mist bauen, können Sie Ihnen Ratschläge geben, Ihnen zeigen, wos langgeht, die müssen auf Sie hören.«
»Und werden sie das auch tun?«
»Natürlich. Wir stehen direkt mit dem Bunker in Verbindung, und die wissen das. Es passt ihnen zwar nicht, aber sie hören auf uns.«
Jaime Bunda nickte mit mehrdeutigem Gesicht, das sowohl Ehrerbietung gegenüber seinem Vorgesetzten als auch das Wohlwollen eines Lehrers für seinen Schüler ausdrückte, der eine Frage richtig beantwortet. Chiquinho Vieira erschien ihm nun anders, sympathisch, kollegial.
»Chef, darf ich Sie was fragen?«
»Nur zu.«
»Es ist eine persönliche Frage . Nun, sie hat nichts mit dem Dienst zu tun .«
Chiquinho Vieira sah Jaime Bunda abermals an, als wäre er eine Surucucu-Schlange. Was hat dieser Leisetreter mir in einem Augenblick wie diesem persönliche Fragen zu stellen? Er verstand nicht, weshalb er sich überhaupt darauf einließ, manchmal passierte es ihm, dass er sein allzu großzügiges Bullenherz sprechen ließ, wie seine Mutter es nannte.
»Fragen Sie.«
»Chef, warum tragen Sie in Ihrem einen Schuh einen schwarzen Schnürsenkel und in dem anderen einen braunen?«
Chiquinho Vieira hätte beinahe einen Satz nach hinten getan, als er instinktiv einen Blick auf seine unter dem Schreibtisch verborgenen Füße warf. Er hob erst den einen Schuh und dann den anderen. Unwirsch sagte er:
»Sie haben Recht, das ist mir gar nicht aufgefallen. Wie um Himmels willen kann das bloß passiert sein?«
Jaime Bunda erhob sich von seinem Stuhl vor dem Schreibtisch des Chefs und ging herum, um sich neben ihn zu stellen. Er bückte sich sogar, um besser sehen zu können, und richtete sich alsdann mit triumphierendem Lächeln wieder auf.
»Es ist so, wie ich mir gedacht hatte, Chef. In Wirklichkeit sind beide braun....
Dateiformat: ePUBKopierschutz: Wasserzeichen-DRM (Digital Rights Management)
Systemvoraussetzungen:
Das Dateiformat ePUB ist sehr gut für Romane und Sachbücher geeignet - also für „fließenden” Text ohne komplexes Layout. Bei E-Readern oder Smartphones passt sich der Zeilen- und Seitenumbruch automatisch den kleinen Displays an. Mit Wasserzeichen-DRM wird hier ein „weicher” Kopierschutz verwendet. Daher ist technisch zwar alles möglich – sogar eine unzulässige Weitergabe. Aber an sichtbaren und unsichtbaren Stellen wird der Käufer des E-Books als Wasserzeichen hinterlegt, sodass im Falle eines Missbrauchs die Spur zurückverfolgt werden kann.
Weitere Informationen finden Sie in unserer E-Book Hilfe.