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»Jesus Christus« ist kein Name, sondern ein Bekenntnis: Jesus ist der Christus. Dieses Bekenntnis führt ins Zentrum des christlichen Glaubens und ist sein Spezifikum. Es verbindet eine geschichtliche Aussage mit einer Glaubensaussage (vgl. Kap. 3): Mit Hilfe des Begriffes Christus, griechisch christos, hebräisch meschiach, »der Gesalbte«, deutet es die historische Person Jesus von Nazareth, seine Botschaft und sein Handeln, sein Leben und Sterben als den im Ersten Bund verheißenen Heilsbringer, Retter und Erlöser. Mit Jesus als historischer Gestalt kann sich jede und jeder befassen, ohne gläubig zu sein; das Interesse für ihn mündet nicht zwangsläufig in die Christologie. Jesus als Christus zu bekennen, ist dagegen Ausdruck des Glaubens. Dieses Bekenntnis markiert den Unterschied zu den anderen monotheistischen Religionen, die Jesus als Propheten anerkennen, aber nicht als endgültigen Heilsbringer, sowie zu anderen Weltanschauungen, die ihn als ethisches Vorbild, Friedensaktivist, Weisheitslehrer oder Sozialrevolutionär würdigen, in ihm aber nicht mehr sehen als einen bedeutsamen Menschen.
Die Frage nach Jesus Christus ist angesichts dessen unter zweifacher Perspektive zu entfalten: zum einen als historische Frage, zum anderen als Glaubensfrage. Die historische Frage fragt nach dem geschichtlichen Jesus von Nazareth, der zu einer bestimmten Zeit in einem bestimmten kulturellen Kontext gelebt hat und gestorben ist (vgl. Kap. 4 und 8) und blickt in die Vergangenheit; die Glaubensfrage fragt nach seiner geglaubten theologischen Bedeutung für die Gegenwart (vgl. Kap. 7). Die historische Frage zielt ab auf geschichtliche Objektivität, soweit diese überhaupt möglich ist; die Glaubensfrage zielt ab auf die persönliche, existentielle Beziehung zu Jesus Christus. Beide Fragen haben ihre Berechtigung: Keine ist wichtiger als die andere. Beide müssen jedoch klar voneinander unterschieden werden: Die Frage nach Jesus als geschichtlicher Person kann nicht mit dem Hinweis auf den Gottessohn beantwortet werden, sowenig wie sich die Frage nach dem Christus des Glaubens klärt, indem auf den Wanderprediger Jesus von Nazareth verwiesen wird. Und beide Perspektiven müssen aufeinander bezogen werden: Der Weg zur Christologie hängt wesentlich daran, ob es gelingt, aufzuweisen, dass die theologischen Deutungen Anhalt finden im geschichtlichen Jesus von Nazareth.
Christologie ist theologische Rede (von griechisch logos = Wort, Rede, Lehre) von Jesus als dem Christus. Sie entfaltet dieses Bekenntnis von den Anfängen im NT durch die verschiedenen Epochen hindurch bis in die Gegenwart und legt es für Menschen in verschiedenen Kontexten, Kulturen und Altersstufen aus, auch für Kinder und Jugendliche. Die gegenwärtige Theologie bezieht den Terminus Christologie nicht nur auf die lehrmäßig-rationale Reflexion des Christusereignisses, sondern verwendet ihn in einem weiten Sinn zur Bezeichnung vielfältiger Christusinterpretationen. So spricht sie von neutestamentlicher Christologie, obwohl das NT im strengen Sinn keine Lehre über Jesus Christus bietet, sondern von ihm auf vielfältigste Weise spricht - als Verkündigung, Erinnerung, Erzählung (vgl. Kap. 12). In der Religionspädagogik werden die theologischen Konstruktionen von Kindern und Jugendlichen, die aus ihrem Nachdenken über Jesus Christus erwachsen, ebenfalls als Christologie bezeichnet, ohne dass diese immer sich stringenter Reflexion verdanken und den Anspruch erheben, »Lehre« zu sein.
Wie alle Theologie bewegt sich auch die Christologie auf der Ebene gedanklicher Konstruktionen und Modelle (vgl. Kap. 15 und 16). Sowenig wie die Theologie sagen kann, wie Gott ist, sondern wie Menschen sich Gott vorstellen und über ihn sprechen, so wenig erfasst die Christologie, wer und wie Jesus Christus »wirklich« war, sondern vielmehr, welche Sicht auf ihn die Menschen zu verschiedenen Zeiten und Epochen hatten und nach wie vor haben. Eine zentrale hermeneutische Voraussetzung für den Zugang zur Christologie ist die erkenntnistheoretische Einsicht, dass jegliche Wahrnehmung perspektivisch ist und dass entsprechend auch die Christologie eine deutende Sicht auf Jesus Christus verfolgt. Christologie erfordert darum das Einnehmen einer Metaebene, auf der es möglich ist, sich die Voraussetzungen dieser spezifischen Perspektive auf Jesus als den Christus bewusst zu machen und mit zu bedenken.
Christologie im engen Sinn als rational begründete und an der Vernunft ausgewiesene Lehre von und über Jesus Christus ist eine Disziplin der Systematischen Theologie. Diese hat die Aufgabe, die Verantwortbarkeit des christlichen Glaubens vor dem Forum der Vernunft zu prüfen, seinen Wahrheitsanspruch vor dem Wahrheitsbewusstsein der jeweiligen Zeit zu verantworten und so den christlichen Glauben in die jeweilige Zeit hin auszulegen. Sie tut dies nicht, um den christlichen Glauben zu rationalisieren, sondern um seine Glaubwürdigkeit, auch und gerade im öffentlichen Diskurs, zu erweisen und gegenüber kritischen Einwänden zu verteidigen. Auf diese Weise macht sie Ernst mit 1 Petr 3,15 »Seid jederzeit bereit, Rede und Antwort zu stehen über die Hoffnung, die Euch erfüllt.«1
Christologie leistet damit einen Verständigungs- bzw. Übersetzungsprozess zwischen zwei Polen, die zueinander in einem gewissen Spannungsverhältnis stehen. Der eine Pol ist die Glaubensbotschaft, die in der Bibel ihren Niederschlag gefunden hat. Als Gründungsurkunde des christlichen Glaubens kommt ihr in beiden großen christlichen Konfessionen normative Bedeutung zu. Darum bedürfen alle christologischen Aussagen des Rückbezugs auf die Schrift; darum ist Christologie nicht ohne neutestamentliche Bibeltheologie und Exegese und nicht ohne historisch-kritische Forschung zu betreiben. Nach evangelischem Verständnis ist die Schrift die einzige Glaubensquelle; nach katholischem Verständnis bilden Schrift und Tradition zwei einander ergänzende Glaubensquellen.2 Der andere Pol, an dem sich die Systematische Theologie orientiert, ist die jeweilige Gegenwart mit ihren Themen, (An)fragen, Interessen, sind die »Zeichen der Zeit« - so die wegweisende Formulierung des Zweiten Vatikanischen Konzils, die es zu beachten gilt.
In diesem Sinne bringt die Christologie das neutestamentliche Zeugnis in einen Dialog mit der jeweiligen Gegenwart. Sie arbeitet den bleibenden Sinn der neutestamentlichen Aussagen über Jesus Christus heraus und erhellt sie in ihren jeweiligen Bezügen. Im Blick auf christologische Konzepte der Vergangenheit erfasst sie die Herausforderungen und die spezifischen Perspektiven der Epochen und entschlüsselt bzw. übersetzt jene Aussagen, die im heutigen Kontext nicht mehr verständlich sind. Im Hören und Achten auf die Zeichen der Zeit legt sie die Vernunftgemäßheit des Christusglaubens im Heute dar, begibt sich auf die Suche nach neuen Denk- und Sprechformen und entwickelt bestehende christologische Ansätze weiter. Nicht zuletzt fragt sie kritisch, inwieweit das im NT normativ bezeugte Christuszeugnis in der weiteren Überlieferungsgeschichte neu ausgelegt oder möglicherweise verfälscht, verstellt, verkürzt wird.
Da Christologie nur im Dialog mit der jeweiligen Zeit, ihren Fragen, Zweifeln und Interessen betrieben werden kann, gibt es nicht die eine allgemein oder überzeitlich gültige Christologie, sondern Christologie nur in je unterschiedlicher Gestalt. Diachron durch die Theologiegeschichte hindurch, von den neutestamentlichen Texten bis zum theologischen Diskurs der Gegenwart, wie synchron in verschiedenen Kulturräumen begegnet darum eine Vielzahl von Christologien, die zugleich alle in Jesus Christus ihre Mitte haben. Verbunden damit sind verschiedene soteriologische Konzepte in Entsprechung zu den jeweiligen Heilserwartungen der einzelnen Epochen. In Abhängigkeit vom zeitlichen, geographischen und kulturellen Kontext verwenden sie unterschiedlichen Sprech- und Denkformen (vgl. Kap. 11).
Die Judenchristen, die in Jesus den verheißenen Messias sahen, griffen auf die ihnen vorliegende Terminologie zurück; seine Identifizierung mit »Messias« ist das prägnanteste Beispiel dafür. Wo die Bedeutung Jesu im heidnischen Kontext erschlossen werden sollte, bediente man sich der im hellenistischen Kulturraum zur Verfügung stehenden Kategorien, wie der vom »Gottessohn«. Die Christologie der alten Kirche und die altkirchlichen christologischen Dogmen artikulierten das biblische Zeugnis von Jesus Christus in der Sprache und Denkwelt der griechischen Philosophie. Die mittelalterliche Christologie machte Anleihen bei der Begrifflichkeit des damaligen Rechts und des Lehenswesens. Christologie im ausgehenden 20. Jahrhundert ist nur von der anthropologischen Wende in der Theologie zu verstehen. Ebenso integrieren afrikanische oder indische Christologie Elemente der in diesen Räumen beheimateten Kulturen und Religionen. Lateinamerikanische Christologie ist unmittelbar verbunden mit der Erfahrung der Unterdrückung und Ausgrenzung. Veränderte Erfahrungs- und Verstehenshorizonte erforderten je neue christologische Modelle.
Innerhalb der Systematischen Theologie ist die Christologie einerseits ein...
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