Schweitzer Fachinformationen
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Der kaufmännische Lehrling Friedrich betritt die Sparkasse im Trenchcoat, den Kragen hochgeschlagen, Zigarette im Mundwinkel, verwegener Blick.
1939 konnte sich Friedrich an Humphrey Bogart noch kein Beispiel nehmen, denn der war zu dieser Zeit noch kein weltbekannter Star.
Die Zeiten standen aber allemal auf Eroberung.
Hitler hat die ganze Welt im Blick und Friedrich, vulgo Fritz - die 18-jährige Sparkassenangestellte. Vor vier Wochen traf ihn der Blitz aus dunklen, schönen Augen, als er sein erstes Konto eröffnete. Seitdem hat er keinen Tag verstreichen lassen, ohne heimlich, im scheinbar sicheren Winkel und Abstand, aus dem Augenwinkel Maß zu nehmen, wann immer die Angebetete in frühabendlicher Dämmerung aus dem Kontor zur Straßenbahn eilte.
Für diesen ersehnten Augenblick ließ er sich jeweilige Botengänge einfallen, um nicht während seiner Dienstzeit aufzufallen.
Jetzt lässt er sich seinen ersten Monatslohn auszahlen von schöner Hand - 45 Reichsmark - und tritt aus der Deckung. Sein Blick ruht auf schwarzen Schillerlocken und dem knallroten Mund. Sie errötet trotz ihrer Geschäftigkeit.
Na warte Bürschchen!
So viel Geld auf einmal. Er kann es gar nicht fassen. Das kann er nicht ungeteilt nach Hause tragen, zumal er zu Hause schon mit der Mutter teilt.
Er wartet draußen. Kette rauchend, Kringel blasend. Stürmische Gedanken.
Die junge Sparkassenangestellte stöckelt unentschlossen zur Straßenbahn. Elegantes Kostüm, hochhackige Schuhe. Um diese Jahreszeit, Anfang Februar, ein weit schwingender, karierter Wollmantel. Sie ist klein, aber oho, und genau das wird er ein Leben lang zu spüren bekommen.
Die Gelegenheit, sie "auf ein Glas" einzuladen, will er auf keinen Fall verpassen.
»Fräulein, .? Ich weiß ja nicht mal Ihren Namen, meinen kennen Sie ja. Ich, . ich hab auf Sie gewartet.«
»So ., Sie haben auf mich gewartet«, dehnt sie kokett ihre Worte, sekundenlang abwägend, wie sie ihrer Verlegenheit und ihrer heimlichen, durchaus freudigen Vorahnung eine überlegende Tarnung geben kann. »Na, wenn das mal nicht vergeblich war .«
Doch dann ihr Blick, schelmisch: »Ich heiße Rosa.«
Erschrocken über ihre eigene Unerschrockenheit, schlägt sie die Augen nieder und knetet den Bügel ihrer Handtasche.
Hätte er damals schon "Faust" zitieren können, hätte er keine Sekunde gezögert, ihr "Arm und Geleit anzutragen", noch unbeschadet der Erkenntnis, dass diese Art Imponiergehabe bei ihr auf keinen fruchtbaren Boden stößt.
»Fräulein Rosa, darf ich Sie zu einem Likör einladen. Sie wissen ja, ich bin jetzt ein reicher Mann und kann mir das erlauben.«
»Na, na, na, wenn das mal nicht übertrieben ist. Das kennt man doch: heute oben auf und morgen ist alles perdu! Nein, das kann ich doch gar nicht annehmen!?«
»Doch, sie müssen sogar. Nun kommen Sie schon und machen mir die Freude.« Damit zieht er sie am Arm und auf seine Seite.
Dort bleibt sie für die nächsten 66 Jahre, bis ihr Tod sie scheidet. Und sie blieben nicht nur an diesem Tag, sondern jahrzehntelang oben auf, und eines Tages war tatsächlich alles perdu.
In der Stadt Duisburg traf man sich damals in der "Postkutsche".
Friedrich hatte gelegentlich immer schon mal einen Blick hineingeworfen, um eine Ahnung von einer Welt zu bekommen, zu der er eines nicht sehr fernen Tages gehören wollte.
Sein Vater, Erfinder und Lebemann, scheiterte sowohl mit seinem Erfindungsreichtum, als auch am Leben. Er war inzwischen verblichen.
Seine Mutter mühte sich mit einem einzigen Taxi im Taxigeschäft. So war zu Hause immer und alles knapp.
Und so hatte Friedrich schon früh entschieden, es bei Zeiten krachen zu lassen.
Jetzt war so eine Zeit. Zeit für die Postkutsche.
Sie starten mit Kirschlikör.
Rosa mag auch Cognac. Dazu raucht sie Zigaretten mit langer Spitze, probt mal das mondäne, mal das neckische Rollenfach, insgesamt das der femme fatale - beziehungsweise, was sie sich darunter vorstellt -, bekommt aber dann doch Angst vor der eigenen Courage, weil das Jüngelchen ihr zwar das Wasser nicht reichen kann, andererseits aber nicht den Eindruck macht, als könne er kein Wässerchen trüben.
Friedrich bemüht sich, seine Grünschnäbeligkeit durch forsches Auftreten zu übertönen. Und der gewitzte Ober stellt keine Fragen.
Es folgt Herrengedeck (Pils mit Schnaps) auf Damengedeck (Pils mit Piccolo), dazu Tartar, russische Eier mit Gürkchen und als Nachtisch rote Grütze.
Der Lehrling sieht sich mit fortschreitendem Alkoholgenuss bereits als Prokurist einer angesehenen Firma und wird nicht einmal blass, als es ans Zahlen geht. Schließlich hat er in seine Zukunft investiert, was er allerdings zu diesem Zeitpunkt noch nicht wissen kann.
Nonchalant legt er ein sattes Trinkgeld obendrauf.
Atemlos erwischen sie die letzte Straßenbahn. Und langsam weicht der Übermut der allseits beklemmenden Gewissheit, dass dieser häuslichen Ärger nach sich ziehen wird.
Zum kurzen Abschied ein schnelles Versprechen, ein ungeübter Kuss.
Im zarten Kindesalter verlor Rosa ihre Eltern. Blitzschnell, denn gegen Krebs und Grippewellen war damals noch keine Medizin gewachsen, weshalb die junge Waise bei einer ihrer neun Tanten mütterlicherseits aufwuchs und dort den Verlust ausreizte.
Tante Berta nahm die Geduld- und Zerreißproben aber auch deshalb mit stoischer Gelassenheit hin, weil sie von dem beträchtlichen Erbe, das dem "armen" Kind hinterlassen worden war, mitzehrte - wenn auch nicht in der erwünschten Verfügbarkeit, weil diese wiederum einem Onkel väterlicherseits oblag.
Rosa war auf Rosen gebettet. Zudem ein 7 Monats-Sorgenkind - in den 20-ziger Jahren auch kein Garant für strotzendes Leben. So fing die Sorge um sie schon früh an und führte zeitgleich dazu, dass sie dafür sorgte, die Puppen tanzen zu lassen.
Ihre weitläufige Verwandtschaft väterlicherseits zerstreute sich schon im 16.Jahrhundert weit über die französische Grenze in die umliegenden protestantischen Länder: die Hugenotten flüchteten vor ihren katholischen Schergen.
So weit der Stammbaum bis in die französische Provinz zurück verfolgt werden konnte, fiel dieser verzweigte Familienzweig immer wieder auf die Füße, was sich noch zu Rosas Lebzeiten wärmstens auszahlen sollte und was vermuten lässt, dass schon den sicherlich sehr frommen Ururvätern bei der Suche nach einer lebenswerten Existenz gelegentlich die Bibel abhanden gekommen sein musste, die ja eigentlich als alleiniger Garant für eben diese galt.
Mit Frömmigkeit, so stellte sich gottlob heraus, war kein Geschäft zu machen. Und da befanden sie sich in bester Gesellschaft mit Glaubensbrüdern und -schwestern jedweder Konfession und begriffen schnell, dass alle Gottes Kinder sind.
So verlegten sie sich aufs Handwerk.
Die französischen Protestanten verbandelten sich mit den rheinischen Katholiken und nannten ein kleines, aber feines Imperium ihr eigen.
Man arbeitete Hand in Hand.
Die Vollwaise Rosa konnte 6 Mietshäuser ihr eigen nennen, wenn auch nicht darüber verfügen.
Doch ihre Zeit sollte natürlich noch kommen.
Auch bei Friedrich lässt sich der Stammbaum bis in die hugenottischen Wurzeln zurückverfolgen. Allerdings findet dieser Zweig der Familie keine weitere Erwähnung in den Kirchenbüchern, was darauf schließen lässt, dass er nicht von Fortuna begünstigt war.
Diese eher ungünstige Konstellation setzte sich bis in Friedrichs Kinder- und Jugendjahren fort. Und dann änderte er das.
>Man muss eben Fortune haben<, hörte man ihn fröhlich ausrufen, wann immer und solange ihm das Schicksal hold blieb.
Er ist das einzige, abgöttisch geliebte Kind seiner Mutter, die sich weder an ihrem Protestantismus, noch an ihrem Ehemann nähren kann. Ihn hält sie eher für einen Spieler als einen Erfinder, denn der Erfindungsreichtum zahlt sich nicht aus. Dazu entpuppt er sich als veritabler Alkoholiker, Kettenraucher, Schürzenjäger, Choleriker.
Sie lebten von der Hand in den Mund, wobei ihm die Hand oft ausrutschte.
Wie hat sie sich verführen lassen, damals von seinem Charme, seinem eleganten Auftreten, seinen hochfliegenden Plänen, seinem allumfassenden Wissen - jedenfalls schien es ihr allumfassend zu sein.
Sie konnte wahrlich zu ihm aufsehen, hatte sie doch selber nur mit Ach und Krach ihren Schulabschluss geschafft und dann eine Lehre als Verkäuferin gemacht.
Als Johann der schönen, gänzlich unerfahrenen Marie den Hof machte, war sie Verkäuferin bei Horten in der Hutabteilung.
Der stattliche, gutaussehende Herr lebte schon damals gerne über seine Verhältnisse - was Marie zu der Zeit natürlich noch nicht wissen konnte - und entschied sich für einen englischen Bowler. Marie errötete und war entzückt.
Sie weiß nicht mehr, wie viele Hüte er sich bei wie vielen Gelegenheiten aussuchte oder zurücklegen ließ, bis sie ihn erhörte und an einem sonnigen Sonntagnachmittag im Frühjahr 1920 mit ihm in den Anlagen spazieren ging - ohne Wissen der Eltern, die niemals einem Rendezvous zugestimmt hätten mit einem Mann, dessen Lebensverhältnisse undurchschaubar waren und blieben und der dann auch noch katholisch war.
Gott, oh Gott!
Und ohne Wissen der sieben Schwestern. die sich mit Sicherheit verplappert oder gar kichernd im Gebüsch gehockt hätten.
Mit Anfang dreißig hatte Johann sich bereits, so wusste er Marie zu berichten, einen Namen gemacht - bei der Erfindung des Radios. Genauer: bei der Erfindung der kommunizierenden Röhren. Das behauptete er...
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