Schweitzer Fachinformationen
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Um das Wesen systemischer Beratung zu verstehen, ist es sinnvoll, zunächst das Gewordensein des systemischen Ansatzes als übergeordnetes Paradigma (das etwa auch systemische Therapie und systemische Soziale Arbeit beheimatet) nachzuzeichnen.
In seinen Entwicklungslinien ist der systemische Ansatz nicht als stringenter roter Faden rekonstruierbar, vielmehr kennzeichnet sich die systemische Geschichte über das Zusammentreffen sich gegenseitig befruchtender, aber auch voneinander abgrenzender Theorie- und Praxisansätze. Während sich wichtige Diskursspuren zu Beginn des 20. Jahrhunderts in Ansätzen Sozialer Arbeit finden lassen, alsdann Einflüsse aus der Individualpsychologie sowie Familientherapie und nach dem Zweiten Weltkrieg aus therapeutischen Kontexten bzw. Tradierungen entstammende Modifikationen beobachtbar sind, charakterisiert sich der systemische Ansatz seit den 1960er-Jahren durch interdisziplinäre Wechselwirkungen, Impulsgebungen und Bündelungen von Beratung, Therapie, Sozialer Arbeit, Biologie, Physik und Soziologie. Lässt sich Systemik also als vielfältig und dynamisch in ihrem Gewordensein verstehen, sind dennoch markante Etappen, Ideen und Personen zu konstatieren, die im Folgenden - aus dem Interessensfokus systemischer Beratung heraus - vorgestellt werden.
Leitidee I: Hilfeformate sind vielfältig und erlauben sich, mit Komm- und Gehstrukturen zu experimentieren. Das Individuum wird in Lebens(welt)kontexten betrachtet und sozialdiagnostisch zu verstehen versucht.
Im Unterschied etwa zur Psychoanalyse ist die Geburt der Familientherapie nicht auf eine zentrale Begründungsinstanz zurückzuführen, vielmehr entstand die Idee des Verlassens einzel- und gruppentherapeutischer Settings zugunsten des familialen Einbezugs unabhängig voneinander an mehreren Orten und innerhalb mehrerer Professionen. So reichen die Wurzeln der Familientherapie bis ins späte 19. Jahrhundert und zu ersten familienorientierten sozialarbeiterischen Ansätzen zurück (Simon in Kollar, 2023, S. 30)3. Bedeutsame theoretische und praktische Impulse für den systemischen Ansatz wurden von Jane Adams (1860-1935) (Idee der Gemeinwesenarbeit sowie Interdisziplinarität in der Einrichtung Hull House) und Alice Salomon (1872-1948) (Soziale Diagnose, Soziale Therapie und Ressourcenorientierung) gesetzt (Müller, 2013). Insbesondere bei Alice Salomon findet sich in den Überlegungen zur "Kunst zu helfen" eine Verschränkung von Kontextfokussierung und Ressourcenorientierung, wie sie 1926 in Soziale Diagnose formuliert. Die Idee von Fürsorge zielt darauf ab, "dass man entweder einem Menschen hilft, sich in der gegebenen Umwelt einzuordnen, zu behaupten, zurecht zu finden - oder dass man seine Umwelt so umgestaltet, verändert, beeinflusst, dass er sich darin bewähren, seine Kräfte entfalten kann" (Salomon, 1926, S. 59).
Tatsächlich wird der weiblichen Seite der Wurzeln systemischen Arbeitens, die sich sowohl in Europa als auch den USA in der Sozialarbeit und Wohlfahrtspflege zur Jahrhundertwende finden, in der geschichtlichen Betrachtung der Systemik wenig detaillierte Aufmerksamkeit geschenkt. Dies ist durchaus erstaunlich, zumal das Befragen und Betrachten von Lebens(welt)kontexten, von politisch-wirtschaftlichen Zusammenhängen sowie das Zusammendenken von Individuum, Familie und Gemeinwesen bereits drei bis vier Jahrzehnte vor der Stellenwertgebung dieser Parameter in therapeutischen Formaten eine sozialarbeiterische "Selbstverständlichkeit" war. Denn: "Die sozialpädagogischen Institutionen umkreisen seit jeher die Familie, als sei sie ein Fixstern" (Böhnisch, 2022, S. 86).
Während also eine markante Diskursspur systemischen Arbeitens in die Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Wohlfahrtspflege des ausgehenden 19. und beginnenden 20. Jahrhunderts führt, reicht eine weitere zu einzelnen Vertreter*innen, die psychoanalytische und pädagogische Ideen kombinieren, sowie zur sich entwickelnden Individualpsychologie. Sigfried Bernfeld (1892-1953) und seine Idee des Sozialen Ortes (als Verschränkung des sozialräumlichen Bedingungsgefüges mit der subjektiven, gelebten Realität von Jugendlichen) legte nichts anderes als den "disziplinhistorischen Grundstein für eine akzeptierende und alltagsorientierte Jugendhilfe und Sozialarbeit" (Böhnisch, Schröer & Thiersch, 2005, S. 72). Die Idee, das Individuum nicht isoliert, sondern auch im Kontext der Familie und hinsichtlich sozialer Beziehungen zu betrachten, wurde zu Beginn des 20. Jahrhunderts von den Freudschülern August Aichhorn (1878-1948) und Alfred Adler (1870-1937) verfolgt und in Familienberatungsstellen und - nach heutigem Verständnis - in Form von aufsuchender Arbeit experimentell umgesetzt (Ritscher, 2009, S. 3f.). Die "Entdeckung" der Familie als Ansatzpunkt für Hilfeformate (sei es in der Sozialen Arbeit, Beratung oder Therapie) ist folglich kein Novum des systemischen Denkens, vielmehr reichen feine Verwurzelungen bis in verschiedene psychoanalytische bzw. tiefenpsychologische Kontexte. Ebenso sind Spuren in die Familienfürsorge, die Wohlfahrtspflege sowie die psychodynamisch orientierte Schizophrenietherapie in den USA zu finden (Müller, 2013; Stierlin, 2001; Heekerens, 2022).
Leitidee II: Das Individuum wird nicht allein betrachtet. Hilfeformate beziehen explizit die Familie mit ein.
Auf den beschriebenen frühen Entwicklungen aufbauend formierten sich in den 1950er-Jahren Denk-, Beratungs- und Therapieformate zu dem, was als systemischer Ansatz bezeichnet werden kann. Zu den häufig genannten Pionieren gehörten Lyman Wynne, Theodore Lidz, Don Jackson, Nathan Ackerman, Carl Whitaker und Iván Böszörményi-Nagy, die in einer Zeit, in der gesellschaftliche Nachwirkungen des Zweiten Weltkriegs (Traumatisierungen, Verluste, Trauer) auf eine durch wirtschaftliches Wachstum beeinflusste Therapieversorgungslandschaft trafen, damit begannen, Familien in die Therapie mit einzubeziehen (Kriz, 2014, S. 245ff.; Ludewig, 2021, S. 59ff.; von Schlippe & Schweitzer, 2016, S. 32ff.; Stierlin, 2007).
Ein für die Geschichte der systemischen Beratung bedeutsames Werk stellt Unsichtbare Bindungen: Die Dynamik familiärer Systeme von Iván Böszörményi-Nagy (1920-2007) und Geraldine M. Spark dar. Obgleich erst 1973 (Orig. Invisible Loyalties, dt. 1981) publiziert, finden sich in diesem Klassiker systemischen Arbeitens die jahrzehntelangen Erfahrungen eines Arztes und Psychotherapeuten sowie einer psychiatrischen Sozialarbeiterin, die ihre teilweise gemeinsame Arbeit mit Familiensystemen mit Theoriebildung (kontextuelle Therapie) verschränken.
Ausgangspunkt ist ein Systemkonzept,
wonach das Individuum eine in sich geschlossene biologische und psychologische Einheit ist, deren Reaktionen nicht nur von der eigenen psychischen Konstitution, sondern auch von den Gesetzen der Gesamtfamilie bestimmt werden. Allgemein gesprochen ist ein System ein Gebilde von wechselseitig voneinander abhängigen Einheiten. (Böszörményi-Nagy & Spark, 2015, S. 20)
Die Autor*innen gehen davon aus, dass innerhalb von Familien Beziehungskonten geführt werden und Wechselspiele von Geben und Nehmen mit Gerechtigkeitserleben für die einzelnen Familienmitglieder einhergehen. Sowohl Gerechtigkeit als auch Loyalität können als unsichtbare Fasern gedacht werden, die als Gewebe Familiensysteme sowohl vertikal (über Generationen hinweg) als auch horizontal (auf der Ebenen von Partner*innen oder Geschwistern) verbinden (ebd., S. 69, 87). Gemäß dem Credo "wie ich gebe, so soll mir gegeben werden" (ebd., S. 266) eröffnen sich Fragehorizonte dahingehend, wer was für wen in der Familie tut/tat? Wer wann was erstattet (hat)? Oder wie dies aus einzelnen Perspektiven erlebt wird? (ebd.)
In diesen komplexen Balance-Herausforderungen von Sich-verbunden-Fühlen, Schuld und Verdienst, Verpflichtungen, Erwartungen und Loyalitäten können Dysbalancen der Beziehungsgerechtigkeiten mit (psychischen und/oder sozialen) "Störungen" einhergehen. Diese unsichtbaren Loyalitäten können als Belastungen durchaus transgenerational weitergegeben werden, dementsprechend in der konkreten Praxis die Betrachtung einer (mindestens) Drei-Generationen-Perspektive angeregt wird. Zumal
"Loyalität" ein Schlüsselbegriff ist zum Verständnis der systemgebundenen (sozialen) wie der individuellen (psychischen) Ebene - insofern nämlich, als sie eine Verbindung herstellt zwischen den Bedürfnissen und Erwartungen eines sozialen Verbands (der stets auf Loyalität beruht und sie von seinen Mitgliedern erwartet) und dem Denken, den Gefühlen und Motivationen jedes einzelnen Verbandsmitglieds als Person. (ebd., S. 15)
Das "alles beherrschende Beziehungs-Ungleichgewicht" (ebd., S. 16) stellt der Phänomenbereich der Parentifizierung (die Elterlichmachung des Kindes auch im Sinne eines emotionalen Partner*innenersatzes) als Verzerrung innerhalb der Kind-Eltern-Beziehungen dar. Parentifizierungsvorgänge können ebenso in Partnerschaftskontexten beobachtet werden, indem etwa der*die Partner*in parentifiziert wird und auf diese Weise ein eigener Kind-Status (unbewusst) reinszeniert wird (ebd., S. 210). Für die...
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