Schweitzer Fachinformationen
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Der Wecker riss mich aus einem kurzen, leichten Schlaf. Die ersten verstohlenen Strahlen des bleichen Morgenlichts fielen durch die Jalousien auf Robert, der neben mir schlief und mit den Zähnen knirschte. Hatte er seine Beißschiene eingesetzt, bevor wir eingeschlafen waren? Ich wusste es nicht. Meine Erinnerung war verschwommen, so früh morgens nach einer langen Nacht.
Vorsichtig, um nur nicht die Wärme unserer beiden Körper unter der Decke verlassen zu müssen, streckte ich den Arm heraus und tastete nach meinem Handy, das auf dem Nachtschränkchen zwischen meinem Asthma-Spray und einem Gleitgel-Spender lag. Der Akku war fast alle, und auf dem Display blinkte die Uhrzeit: 5:00 Uhr morgens. Einen Moment lang war ich versucht, den Snooze-Button zu drücken, aber ich wusste, das wäre keine gute Idee. Allzu leicht passiert es, dass man der Versuchung nachgibt, fünf Minuten länger zu schlafen, und erst fünf Stunden später aufwacht, geblendet von der unbarmherzigen Morgensonne. Das konnte ich mir nicht erlauben.
Wenn ich mich beeile, komme ich der Realität zuvor, bevor sie zum Frühstück erwacht, dachte ich.
All meine Willenskraft zusammennehmend, löste ich mich aus Roberts Armen und stieg aus dem Bett. Ich fischte meinen achtlos weggeworfenen BH und mein Höschen vom Ledersessel, las meine Strumpfhose von dem genoppten roten Polsterhocker auf und sammelte mein Kleid ein, das sich als schwarze Pfütze auf den Boden des Wohnzimmers ergoss. Im Dämmerlicht schlüpfte ich wie ein Ninja in meine Kleider von gestern: leise, rasch, routiniert. Jeder Handgriff saß.
Aus den Überresten unseres Freitagabends - Roberts leere Bierdosen; die ausgedrückten Stummel unserer Joints, die er stets so fachmännisch drehte; das eine Glas Whisky, das er mir nach irischer Art mit einem Schuss Wasser reichte - schnappte ich mir ein paar Dinge, um sie in meiner Tasche zu verstauen: die halb leere Flasche Nikka From The Barrel, einen weißen Spitzentanga mit offenem Schlitz, um den sich Plastikperlen winden, und einen lila Doppeldildo.
Du meintest, bei so was würdest du nie mitmachen!, hatte Robert gestern Abend zu mir gesagt, nachdem wir erschöpft und keuchend im Bett zusammengesunken waren.
Das hast du bei unserem zweiten Date zu mir gesagt, weißt du noch?
Habe ich das? Das ist gefühlt eine Ewigkeit her.
Wir waren damals im Radion-Club, unten im Keller. Du hast mich gefragt, was meine geheimste, abgründigste Fantasie sei. Daraufhin habe ich es dir erzählt, und du meintest: »Sorry, aber ohne mich!«
Oh, stimmt, ich erinnere mich. Mir war nur nicht klar, warum ich so tun sollte, als hätte ich einen Schwanz.
Er hatte gelacht. Das sah eben ganz und gar nicht so aus, als würdest du nur so tun als ob.
Na ja . wie sich herausstellt, bringt das Ding allen Beteiligten jede Menge Spaß.
Als ich unter der Decke nach unserem neuen lila Freund getastet hatte, war ich auf den glatten Silikonschaft gestoßen und hatte ihn unter unser beider Augen hervorgezogen. Damit hätte ich in der Tat nicht gerechnet.
Nachdem ich fertig angezogen war und alles eingepackt hatte, ging ich auf Zehenspitzen ins Schlafzimmer und setzte mich auf die Bettkante. »Ich gehe«, flüsterte ich und stupste Robert sanft an, obwohl er so fest schlummerte, dass er meinen Aufbruch kaum bemerkte.
»Komm bald wieder«, murmelte er, halb im Schlaf, die Augen noch geschlossen.
»Mach ich.« Ich drückte einen Kuss auf seine dunklen Wangenstoppeln, ehe ich zur Tür hinausschlüpfte, hinein in den kühlen Amsterdamer Morgen. Ich hatte die perfekte Zeit ausgesucht: Der Sonnenaufgang tauchte die Wolken in eine leuchtende Mischung aus Rosa und Orange, und ein Hauch von Helligkeit brach sich inmitten des Grau Bahn.
Todmüde radelte ich an der alten Windmühle vorbei, den gesamten Westerpark hindurch, während der Rausch des gestrigen Abends nachließ, sich die Rauchschwaden der Lust in der feuchten Morgenluft auflösten und die letzte feurig-rote Glut der Intensität zu hier und da bernsteinfarben glimmenden Funken der Erschöpfung abkühlte.
Bei Tagesanbruch durch meine Wahlheimat Amsterdam zu radeln, war die reinste Freude, und die ruhigen Straßen mit ihren spiegelglatt daliegenden Kanälen ein Balsam für die Seele. An Morgen wie diesem nach Nächten wie der letzten fühlt sich der Wind in meinem Gesicht an wie pure Freiheit.
Es hatte viele Nächte gegeben und viele Liebhaber.
In einer anderen Nacht wäre ich vielleicht von Charlies Wohnung in Nijmegen aus mit dem letzten Zug nach Amsterdam zurückgefahren, zusammengezwängt mit lauter betrunkenen Nachtschwärmern in lächerlichen Faschingskostümen. Oder ich wäre bei Rick um 6 Uhr morgens in ein Uber gestiegen und hätte ihm vom Rücksitz aus eine SMS geschickt, um ihm Bescheid zu geben, dass ich sicher angekommen war, und ihm für den schönen Abend zu danken. Oder Massimo hätte mich in seinem weißen Transporter, vollgeladen mit sizilianischen Produkten, den ganzen Weg von Amsterdam Noord bis nach Hause in den Westen der Stadt gebracht, während Rock aus den Boxen dröhnte.
Oder ich hätte, wie es oft vorkam, auf meinem Fahrrad und in den Klamotten des Vorabends den Walk of Shame (abzüglich der Scham) nach Hause angetreten, vorbei an den Nachbarn, die mit ihren Kindern am Fenster frühstückten, und höchstens einen flüchtigen Gedanken daran verschwendet, was sie wohl gesehen hatten, was sie von mir hielten oder von mir wussten.
Die Heimfahrt war nie nur eine Fahrt von A nach B. Es war der Übergang von einer Welt in eine andere, vom einen Ich zum anderen: von sexueller Freiheit zum häuslichen Glück, vom aufregenden Reiz des Neuen und Andersartigen hin zum geliebten Komfort des Vertrauten und Alltäglichen, ein schmales Zeitfenster, in dem ich die Haut der zügellosen Liebhaberin abstreifte und in die Rolle der Mutter und Ehefrau schlüpfte. Nachdem ich schon seit Langem zwischen beidem hin- und herwechselte, spürte ich kaum noch Reibungsverluste, wenn ich zu Mann und Kind nach Hause zurückkehrte.
Der Ausgangspunkt und das Transportmittel mochten verschieden sein, der Zielort war immer derselbe.
Im Haus war es still. Als Allererstes hüpfte ich unter die Dusche, um die letzte Nacht abzuwaschen und unter dem warmen Wasser den Kopf frei zu kriegen. Später würde immer noch Zeit sein, die Highlights Revue passieren zu lassen. Gerade wollte ich einfach nur schlafen. Frisch geduscht und mit nassem Haar schlich ich in das noch dunkle Schlafzimmer, hob einen Zipfel der Decke an und schlüpfte neben meinem Ehemann ins Bett.
Marcus lag mit dem Rücken zu mir, aber als ich ihn berührte, rollte er sich zu mir, halb im Schlaf, die Augen noch geschlossen. Er zog mich an sich und hüllte mich in seine vertraute Wärme. Ich fühlte das Gewicht seines Beins auf meinem wie einen Anker in der Tiefe. Ich trieb dahin, aber nun war ich fest angebunden: an ihn, an uns, an mein und unser Leben.
Nicht immer hatte mich bei meiner Rückkehr eine herzliche Begrüßung erwartet. Es gab Zeiten, da drehte er mir den Rücken zu, gab vor zu schlafen, obwohl ich wusste, dass er wach war. Diese morgendlichen Umarmungen waren hart erkämpft, genau wie das sorgenfreie Radeln auf dem Heimweg zu ihnen.
In ein paar Stunden würde ich blinzelnd meine Augen öffnen und, kurz bevor ich wieder wegdämmerte, unsere Tochter zwischen uns bemerken, mit ihrem Strahlenkranz aus schwarzem Haar, ihre schlanken Beine in einen flauschigen grün-lila Meerjungfrauenschwanz gehüllt. Wenn ich dann vollständig erwacht wäre, würde die vormittägliche Sonne durch die weiß gestrichenen Fensterläden hereinfallen, während aus dem Wohnzimmer munteres Cartoon-Geschnatter und aus der Küche der Duft von frischem Kaffee drang.
Marcus würde das Frühstück für uns drei auf einem Holztablett hereintragen: Speck, Zimtrollen, Pfannkuchen mit Puderzucker und hagelslag, die Schokostreusel, die man in den Niederlanden als Brotbelag isst. Und wenn er dann den lila Doppeldildo entdecken würde, der aus meiner Tasche ragte, würde er fragen: »Huch, was ist das denn?«
Ich würde ihm einen Blick zuwerfen, der besagte Psst, später, während...
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