II
Die Voraussetzungen
Kennenlernen
Leider trifft man Sklaven oder Meister nicht zufällig beim Einkaufen im Supermarkt. Aber auch in Kneipen oder auf Ledertreffen habe ich bisher nur selten Leute kennengelernt. Von Darkrooms halte ich überhaupt nichts, ich will den anderen Menschen sehen können. Wenn dort ein Kontakt entsteht, oder auch in Kneipen mit Spielzimmer, dann ist das von vornherein auf kurze Spielereien angelegt. Wenn ich tatsächlich mal in einer Kneipe einen Menschen kennenlerne, dann verabrede ich mich mit ihm, weil ich im Gespräch gemerkt habe, dass er die gleichen Sachen im Kopf hat wie ich. Ich unterhalte mich erst mit ihm, um ihn kennenzulernen. Die Auslieferung des Sklaven ist ja so extrem, dass man wissen muss, wen man vor sich hat. Es gibt leider genug durchgeknallte Typen. Wenn man Lust zum Ficken hat, braucht man sich vorher nicht groß zu unterhalten, ein Loch und einen Schwanz haben halt beide, aber bei SM geht es um andere Sachen. Ganz anonym und ganz dunkel und ganz schnell, das ist nichts für mich.
Meine Sklaven, die ich in den letzten fünf, sechs Jahren hatte, habe ich fast alle durch den Chat kennengelernt. In manchen Chats gibt es separate Räume, die nur für SMler eingerichtet sind; bei Gayromeo gibt es das nicht, da wählt man seine Partner anhand der Profile aus. Als Schutz vor Fakern kann man dort sein Profil mit anderen verlinken, die damit die Angaben zur Person bestätigen, eine sehr hilfreiche Einrichtung.
Alle Beziehungen, die ich hatte, mit Ausnahme von Leon, sind nicht aus meiner Stadt gekommen. Man hört oft, dass Leute sagen, in meiner Stadt ist das aussichtslos. Auch die kurzen Bekanntschaften kommen woandersher. Es gibt ein paar Städte, aus denen die SMler sich nicht fortbewegen, zum Beispiel Berlin oder München, die sind so überzeugt von ihrer Stadt, dass sie nur selten anderswo hingehen. Aber ich habe Sklaven hiergehabt aus den USA, aus Frankreich, aus Kroatien, aus Slowenien, das ist alles kein Problem.
Mein SM-Leben findet hier statt, weil ich hier wohne, der Meister lässt anreisen, außerdem ist das Equipment hier. Mein Equipment will ich natürlich auch nutzen, das kann mir kein Darkroom und keine Lederkneipe bieten.
Ich kläre im Chat nicht sehr viel ab, ich will ja den Menschen hierhaben und ihn persönlich kennenlernen. Ich frage nur, was er schon gemacht hat und worauf er steht, er muss ein Bild schicken und eine Liste seiner Ausrüstung. Ich frage ihn auch, ob er schon eine SM-Beziehung gehabt hat und wie er zu SM steht. Dann gebe ich meine Handynummer heraus und verlange, dass er mich anruft. Dabei fällt die Hälfte schon raus, weil sie nicht telefonieren wollen. Am Telefon kann man schon sehr viel mehr spüren von diesem Menschen, und wenn er mir dann auch noch äußerlich gefällt, mache ich einen Termin aus.
Darüber hinaus gehe ich bei der Vorbereitung im Chat nicht allzu weit. Erstens kenne ich ihn noch nicht gut genug, und ein wirkliches Kennenlernen im Chat ist eigentlich kaum möglich. Dazu muss man sich gegenübersitzen oder gegenüberstehen, die Person vor sich haben und deren Mimik in sich aufnehmen können. Ich kläre deshalb die grundsätzlichen Dinge ab, ob es ihm wirklich um SM geht oder ob er nur mal gefesselt werden will und dann in sein normales Leben zurückkehrt. Dann will ich möglichst schnell eine Begegnung haben, um zu sehen, ob er mir auch vom Aussehen her gefällt, und um auszutesten, was wirklich in seinem Kopf vorhanden ist. Wenn die erste Session beiden Spaß gemacht hat, erst dann fängt man langsam an, bestimmte Regeln aufzustellen, vorher ist das zu aufgesetzt und zu mühevoll. Immerhin kommen die Sklaven manchmal gar nicht oder es stellt sich gleich heraus, dass sie nicht geeignet sind.
Im Laufe der Zeit muss man im Chat Techniken entwickeln, um herauszufinden, ob man sich gerade mit einem Faker unterhält, der sich köstlich über meine Ernsthaftigkeit amüsiert, oder ob ein echter Sklave in die Tasten greift. Man fragt am besten nach konkreten Erfahrungen, die bisher gemacht wurden, oder verlangt eine Aufstellung der Gummi- und Leder-Utensilien und der Spielzeuge, die vorhanden sind. Hier helfen konkrete Nachfragen, wie einzelne Toys aussehen, um den Faker in Schwierigkeiten zu bringen und den richtigen Sklaven herauszufiltern.
Die nächste Stufe ist dann der Versuch, die spannend gewordene virtuelle schriftliche Unterhaltung in eine wirkliche Unterhaltung mit zwei echten Stimmen zu verwandeln. Wenn man nach der Telefonnummer fragt, brechen die meisten ab und man erhält abstruse Ausreden. Das Telefongespräch ist natürlich auch ein Test. Schafft er es, mich mit Sie anzureden und mit Sir, obwohl er mich noch gar nicht kennt? Wenn er das kann, ist das natürlich ein Hinweis darauf, dass er weitergehen wird als jemand anderer, der mal für eine Stunde SM machen will und dann befriedigt ist und nach Hause geht. Wer das nicht kann, der ist für mich kaum noch interessant.
Habe ich aber eine Telefonnummer bekommen und hat das erste Gespräch eine angemessene Übereinstimmung mit meinen Ansprüchen ergeben, schlage ich gern direkt und schnell eine erste Begegnung vor. Es gibt keine bessere Art, einen Menschen kennenzulernen, als ihm gegenüberzustehen, ich weiß dann nach einer halben Stunde ziemlich genau, ob es nun mit einer kleinen Probesession weitergeht oder ob ich den Sklaven als nicht echt oder als völlig selbstüberschätzt nach Hause schicke. Wenn ich die verschiedenen Stufen der Annäherung nach meinen Erfahrungen prozentual aufteilen sollte, ergeben sich diese Zahlen:
100% sind im Chat
75% bleiben nach der Sichtung der Profile übrig
50% bleiben nach den ersten virtuellen Kontakten durch Schreiben von Nachrichten
25% geben ihre Telefonnummer heraus
10% sind bereit sich auf ein erstes Treffen einzulassen
5 % kommen tatsächlich zu solch einem Treffen
2% eignen sich für weitere Sessions
1% bleibt übrig, die ihre Wünsche nicht nur stundenweise ausleben wollen, sondern SM als Lebensart begreifen.
So ungefähr sieht der Sklavenmarkt realistisch aus. Nach diesem einen Prozent muss man suchen.
SM im Kopf
Die Grundlage für einen erfolgreichen Kontakt ist aber nicht, wie man sich kennenlernt oder was man beredet, bevor es losgeht, sondern die Grundlage besteht darin, was man im Kopf hat. Wir gehen erst einmal von zwei Menschen aus, die SM im Kopf haben und die auf bestimmte Signale und Fetische ansprechen. SM beginnt also nicht mit einer Verabredung zum Ficken, wie das Schwule machen, die mit SM nichts am Hut haben, sondern es beginnt schon lange vorher.
Das Wichtigste, das alles Entscheidende ist, dass man den Wunsch im Kopf hat, bestimmte Sachen machen zu wollen. Ich frage die Sklaven immer: Was läuft bei dir für ein Film ab, wenn du spritzt? Auch wenn jemand noch nicht viel Erfahrung mit SM hat, laufen beim Sex Filme in seinem Kopf ab, in denen das passiert, was er sich wünscht. Nur wenn das da ist, kann man sich einen Partner suchen, der in diesen Film passt und für den man diese Fantasien in die Wirklichkeit umsetzen kann. Manche brauchen ihr ganzes Leben, um diese Wünsche endlich einmal auszuleben. Jedes Mal, wenn ich eine Beziehung habe, denke ich, diesmal ist es möglich, meinen Traum von SM auszuleben, aber ob ich es jemals in ganzem Umfang schaffen werde, da bin ich mir nicht sicher.
Beim ersten Treffen ist der Übergang in die eigentliche Session fließend und auch immer verschieden. Es gibt keinen Ablaufplan, ich hab ja kein Klemmbrett wie die Amis, auf dem ich Punkt für Punkt abhake. Jede Session wird davon bestimmt, wozu man gerade Lust hat, und natürlich von der Ausrüstung, die zur Verfügung steht. Was dann geschieht, liegt nicht an dem Sklaven. Der Entscheidungsweg ist vorgegeben, aber es muss auch beiden etwas bringen, sonst hat eine solche Beziehung keine Zukunft.
Manche Bewerber habe ich schon gleich an der Tür wieder weggeschickt, zum Beispiel weil das Foto uralt war oder gar nicht von ihnen stammte, oder weil sie sich so dumm verhalten haben, dass ich gemerkt habe, mit dem kann ich nichts anfangen, aus dem kann ich auch nichts machen, er hat nicht die Mindestvoraussetzungen, damit das erfolgreich wird für uns beide. Und es sind auch schon viele weggelaufen nach der ersten Stunde oder nachdem sie gespritzt haben, das ist häufig der Fall. Sobald sie befriedigt sind, fällt ihnen plötzlich wieder ein, dass sie hier ja etwas ganz Fürchterliches machen, dass sie schlimme Dinge tun und dass sie sofort nach Hause müssen. Manche laufen auch schon weg, wenn sie das Spielzimmer sehen, weil sie sich das nicht so vorgestellt haben, auch das kommt natürlich vor.
Wenn ein Sklave noch ziemlich neu und aus meiner Sicht schlecht erzogen ist, dann kommt er herein und wird sich vielleicht auf das Sofa fläzen und eine Unterhaltung anfangen. Dann würde ich natürlich sagen, hör mal, du setzt dich da aufs Sofa, wie kommst du denn dazu, was ist denn das für ein Verhalten, hast du keine Manieren? Wenn er dagegen schon an der Tür auf die Knie geht und meine Füße küsst, hat die Session viel mehr Erfolgsaussichten, weil wir dann eigentlich schon mittendrin sind.
Das Weitere hängt davon ab, was beide zu einer Session beitragen. Es gibt manche, die einfach sagen, ich bin ein Sklave, ich mache gar nichts, ich mache nur das, was man mir sagt. Das ist für mich stocklangweilig. Ich halte auch nichts davon, dass man einen Sklaven nur ausnutzt, damit man selber zum Spritzen kommt, das ist langweilig und entspricht nicht meiner Vorstellung von SM. Man muss sich...