2. KAPITEL
Linden lehnte sich erschöpft an die kühle Marmorwand. Steven Dare hielt sie also für eine Frau, die sich von Greg Hamil hatte aushalten lassen. Er glaubte, Greg habe für ihre Gesellschaft mit barer Münze bezahlt. Es war nicht zu fassen . Wie konnte Steven nur so etwas annehmen?
Plötzlich erinnerte sie sich an Momente, in denen Greg ihr Geld gegeben hatte, damit sie Rechnungen bezahlen konnte, während er im Hintergrund blieb. Einmal waren sie bei einem Immobilienhändler gewesen, von dem Greg ein Apartment gekauft hatte. Sie hatte in seinem Auftrag die finanzielle Seite geregelt, weil er nicht in Erscheinung treten wollte. Dinge dieser Art musste Steven Dare beobachtet und er musste falsche Schlüsse daraus gezogen haben.
Die Tür wurde geöffnet, und Linden griff rasch nach ihrer Puderdose. Sandy Cochran stellte sich neben sie und ordnete ihr Haar. "Gefällt Ihnen die Party?" fragte sie höflich.
"Ja, danke." Linden konzentrierte sich auf ihr Make-up.
"Ich bin sehr froh, dass Sie Steven begleitet haben", fuhr Sandy fort, "er scheint total verliebt zu sein. Jedenfalls haben Sie ihn erobert."
Linden zog die Lippen nach. "Sie übertreiben, Sandra."
"Bestimmt nicht. Ich kenne Steven doch! Er ist für mich mehr ein Bruder als ein Cousin. Als ich elf Jahre alt war, starben meine Eltern, und ich kam zu meinen Verwandten. Steven und ich sind viele Jahre zusammen aufgewachsen. Ich habe immer gehofft, dass er eines Tages eine Frau trifft, die ihn von seinen ewigen Expeditionen kuriert! Er ist schon viel zu lange allein." Sandy lächelte verschwörerisch und verschwand wieder.
Linden sah ihr nach. Expeditionen? Dann war er tatsächlich der bekannte Steven Dare, Autor vieler Bücher und Produzent von Filmen über das australische Outback? Sie war erstaunt, dass sie ihn nicht wieder erkannt hatte.
Trotzdem, sagte Linden sich selbstbewusst, hat er kein Recht, mich zu beleidigen. Sie verließ die Toilette und beschloss, Steven Dare unter allen Umständen zu meiden. Aber sie hatte kein Glück. Er erwartete sie bereits.
"Du kannst sie wohl keinen Augenblick allein lassen, Steven, nicht wahr?" Einer der Partygäste warf ihm einen neidischen Blick zu.
Steven nickte recht schuldbewusst. "Kannst du es mir verdenken?"
Lindens Geduld war erschöpft. "Hören Sie endlich damit auf", sagte sie laut und ohne Rücksicht auf Zuhörer. "Es überrascht mich ohnehin, dass Sie noch mit mir gesehen werden wollen, nach allem, was Sie von mir halten."
Er fuhr sich mit dem Finger über die Wange. "Einiges scheint mir doch entgangen zu sein", erwiderte er, "zum Beispiel die Kraft Ihrer rechten Hand!"
Linden wurde rot. "Sie haben mich beleidigt, Mr. Dare. Sie hatten Ihren Spaß dabei. Aber nun ist die Show vorbei. Ich gehe."
Er musterte sie streng. "Ohne das bekommen zu haben, weswegen Sie hier sind? Ich wollte Sie eben zu Greg bringen."
Linden stutzte. "Was? Jetzt?" Sie sah ihn ungläubig an.
"Ja." Er nahm ihre Hand. "Es gibt etwas, das Sie wissen sollten."
Sie versuchte, sich loszumachen. "Was immer es ist, es kann warten."
"Nein."
Linden ließ sich mitziehen, blieb jedoch misstrauisch. Warum wollte er plötzlich, dass sie doch noch mit Greg zusammentraf? Sie betraten den großen Empfangssaal und mischten sich unter die Gäste, die um ein Podium versammelt waren. Linden entdeckte Greg, der hinter einem älteren Mann stand. Der war gerade im Begriff, etwas bekannt zu geben.
"Ich möchte Sie also bitten, auf das Wohl und das Glück meines Sohnes Greg und seiner bezaubernden Braut Sandra Cochran zu trinken."
Sandra Cochran war Gregs Verlobte? Linden begriff nur schwerfällig. Dann fiel es ihr wie Schuppen von den Augen. Sandra strahlte vor Glück, und Greg hatte natürlich kein Interesse, sie, Linden, wieder zu sehen.
Ihr war, als schwankte der Boden unter ihren Füßen. Jemand drückte ihr ein Glas Champagner in die Hand, und sie verschüttete die Hälfte. Allmählich begriff sie die Zusammenhänge. Kein Wunder, dass Greg sie in Perth so sorgsam vor der Öffentlichkeit versteckt hatte. Es war weniger die Angst vor den Klatschreportern als die Sorge vor der Entdeckung ihrer Beziehung gewesen. Und wie erleichtert war er gewesen, sie an Stevens Arm zu sehen! In Perth hatte er nur eines gewollt: ein Liebesabenteuer vor der Hochzeit mit Sandra Cochran. Lindens Verwirrung konnte nicht größer sein .
"Ich fahre Sie nach Hause", bot Steven an. "Wo wohnen Sie?"
"Dazu besteht kein Anlass. Sie haben Ihr Ziel erreicht."
Steven ignorierte ihre Absage. "Also, wo wohnen Sie?"
Linden gab nach. Es war sowieso egal. Sie nannte ihm die Adresse des Apartments, das sie für einen Monat gemietet hatte. Wie naiv war sie doch gewesen, so optimistisch zu sein. Bestimmt war Greg peinlich berührt, weil sie tatsächlich den weiten Weg nach Derby gemacht hatte. Damit hatte er gewiss nicht gerechnet.
Sie fand sich plötzlich in Stevens Range Rover wieder. "Ich nehme an, Sie sind zufrieden mit Ihrem Erfolg, nicht wahr? Sie haben Ihre Cousine vor der habgierigen Schlampe aus der Großstadt bewahrt. Erwarten Sie bloß keinen Dank von mir!"
Steven gab Gas. "Das tue ich bestimmt nicht. Aber ich erwarte Ihre faire Mitarbeit."
Lindens Verwirrung wurde immer größer. "Was soll das jetzt wieder heißen?" fragte sie irritiert.
"Vielleicht sind Sie in dieser Geschichte wirklich unschuldig. Ich weiß es nicht. Aber Sandra Cochran ist es mit Sicherheit. Sie mag einen verdammt schlechten Geschmack haben, was Männer angeht, aber sie steht mir sehr nah, und ich lasse nicht zu, dass sie verletzt wird. Ich rate Ihnen also, sich nicht in ihre Angelegenheiten zu mischen, sonst werden Sie es mit mir zu tun bekommen. Haben Sie verstanden?"
"Ich bin ja nicht schwerhörig." Linden schluckte trocken. Auf keinen Fall wollte sie in Stevens Gegenwart losheulen. Sie fühlte sich elend. Ihr einziger Trost war zu wissen, dass sie diesen brutalen Mann nie wieder sehen würde, sobald dieser Tag vorbei wäre. Sie warf ihm einen Seitenblick zu. Er sah schrecklich selbstzufrieden aus. "Sie genießen dieses Theater, nicht wahr?"
Er nickte, den Blick auf die Fahrbahn gerichtet. "In gewisser Weise ja. Es tut mir gut, wenn ich sehe, dass Sie es mit gleicher Münze zurückbekommen haben."
Linden wäre am liebsten aus dem fahrenden Auto gesprungen, so zornig war sie. "Was soll denn das schon wieder?" zischte sie böse.
Steven ließ sich nicht lange bitten. "Wenn Sie es unbedingt hören wollen! Als Sie Greg Hamil kennen lernten, waren Sie gleich hinter seinem Geld her. Sonst wären Sie bestimmt nicht so mir nichts, dir nichts hierher geflogen. Immerhin liegen zweitausend Kilometer zwischen Perth und Derby. Das ist etwas weit für einen unverbindlichen Katzensprung, nicht wahr? Das Apartment ist für einen Monat gemietet. Sie haben also vor, sich hier länger herumzutreiben."
Linden hatte keine Lust, diesem ungehobelten Mann den wahren Grund ihrer Reise nach Derby zu sagen. Unter anderen Umständen wäre sie nicht so einfach losgeflogen. Sie hätte ihre Ankunft mitgeteilt. Aber sie brauchte Abstand, und ein Besuch bei Greg erschien ihr das Beste in dieser Situation.
"Woher wollen Sie eigentlich wissen, dass Gregs Einladung so unverbindlich war, wie Sie es darstellen?" fragte sie kühl. Sie hatte das Bedürfnis, diesem arroganten Kerl eine Lektion zu erteilen.
"Ich kenne Greg. Seit sich meine Cousine dummerweise in den Kopf gesetzt hat, dass er der richtige Mann für sie ist, habe ich immer wieder von seinen Seitensprüngen und Abenteuern gehört. Ich wollte mich selbst davon überzeugen und flog nach Perth."
"Und dabei haben Sie uns gesehen. Sie kamen zu dem Schluss, dass ich eine liederliche Frau bin."
"Den Gerüchten zufolge, soll Hamil nicht sonderlich wählerisch sein, was seine Seitensprünge betrifft. Ich wollte Sandra vor Kummer bewahren. Aber trotzdem hatte ich keinen schlechten Eindruck von Ihnen."
"Oh, Sie sprechen in der Vergangenheit. Was hat Ihre Meinung geändert?"
"Ein etwas indiskreter Immobilienmakler, der Greg ein Apartment verkaufte. Greg und seiner Sekretärin, um genau zu sein." Stevens Stimme klang verächtlich. "Zufällig kenne ich Hamils Sekretärin. Sie ist verheiratet und hat zwei Kinder."
"Ah, ich verstehe. Sie kombinierten also messerscharf, dass Greg dieses Liebesnest für mich gekauft haben muss. Sie sind wirklich sehr einfallsreich!"
"Es gehörte nicht viel Fantasie dazu, um herauszufinden, was los war. Leugnen Sie auch, dass er Ihnen eine neue, komplette Garderobe gekauft hat? Natürlich nur Designermodelle."
"Die Kleider waren nicht für mich. Sie waren für seine Schwester bestimmt. Ich habe nur bei der Auswahl geholfen."
"Wunderbar. Aber Hamil hat keine Schwester. Und mit großer Sicherheit waren sie nicht für Sandra bestimmt."
Linden zuckte zusammen. War Greg wirklich so charakterlos? Sie wusste keine Antwort darauf. "Wenn Greg also notorisch untreu ist, warum will Sandra ihn dann heiraten?"
Steven presste wütend die Lippen aufeinander. "Sie wissen ja selbst, dass er sehr anziehend und...