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Es war ein herrlich milder Samstagabend, als Fabian vor Lauras Haustür vorfuhr, um sie abzuholen. Die letzten Sonnenstrahlen spiegelten sich auf dem glänzenden Lack seines silbernen Kleinbusses, der in der Abenddämmerung fast ein wenig zu erwachsen für ihn wirkte.
"Gehört meiner Mutter", erklärte er sofort, als er ihren skeptischen Blick bemerkte.
Laura lachte leise. "Verstehe. Hätte mich auch sehr gewundert. Das Auto passt nicht wirklich zu einem jungen Mann."
"Na ja, Mütter eben." Fabian zuckte die Schultern und fuhr los. "Wenn du Lust hast, könnten wir nach Pasing fahren und durch die Arkaden schlendern."
"Großartig, klingt schön."
"Oder wir düsen nach München und gehen ins Kino."
Laura nickte. "Hört sich auch gut an."
"Ins Point nach Gilching wirst du sicher nicht wollen. Ich habe gehört, Michelle und Cedric gehen dorthin."
"Nein, danke." Ihr Tonfall ließ keinen Zweifel.
"Von mir aus könnten wir auch Bowling spielen."
"Dazu hätte ich auch Lust."
"Oder wir gehen etwas essen. In Starnberg hat eine neue Pizzeria aufgemacht. Soll klasse sein."
Laura lächelte. "Ja, gerne. Hunger hätte ich auch."
"Okay . also, was nun?" Fabian sah sie fragend an.
"Wir fahren ins Point!" erklärte Laura plötzlich mit fester Stimme.
Fabian stöhnte gespielt auf und verdrehte übertrieben die Augen, bevor er den Motor startete. "Also gut, dann fahren wir ins Point." Innerlich war er verwirrt - eben hatte sie es doch noch so entschieden abgelehnt.
"Gut, wenn du unbedingt willst, dann fahren wir eben in diese blöde Disco", gab Laura zurück.
"Wie bitte? Wenn ich will? Du hast doch gesagt, du willst ins Point!"
"Nein, natürlich nicht. Das war doch dein Vorschlag."
"Aha . ja gut. Wenn du nicht willst, können wir auch bowlen."
"Nein, nein. Du hast beschlossen, dass wir ins Point fahren. Also machen wir das auch. Du bist der Junge und hast bestimmt. Also ziehen wir das jetzt so durch."
"Genau! Ich habe es beschlossen, also geht's ins Point."
"Wenn du unbedingt möchtest", flötete Laura mit unschuldigem Augenaufschlag.
"Ja, klar!"
Nur fünfzehn Minuten später rollten sie auf den Parkplatz der Diskothek in Gilching. Schon von draußen drang der Bass dumpf durch die Mauern, das Lichtspiel flackerte durch die Glasfront. Drinnen empfing sie ein wogendes Meer aus Körpern, laut dröhnende Musik und ein dämmriges, buntes Licht, das alles in eine fiebrige Atmosphäre tauchte.
"Magst du hier an der Bar bleiben oder lieber einen Sitzplatz suchen?" fragte Fabian und sah sie prüfend an.
"Wie du willst."
"Ich würde lieber mit dir ungestört an einem Tisch sitzen."
"Okay."
Er ließ den Blick schweifen, suchte nach einer freien Ecke.
"Fabian?"
"Ja, Laura?"
"Kannst du mir an der Bar ein Mineralwasser holen?"
"Natürlich."
Fabian drängte sich durch die Menge, rief dem Barkeeper seine Bestellung zu. Als er das Glas entgegennahm, spürte er plötzlich Lauras Nähe - sie war direkt neben ihn getreten.
"Der Platz hier ist perfekt", flüsterte sie in sein Ohr. "Von hier haben wir alles im Blick."
"Äh . ja, stimmt", stammelte Fabian. "Aber wollten wir nicht an einem Tisch sitzen?"
"Nein."
"Okay."
"Der Platz hier ist genau richtig."
Laura rang innerlich nach einem Gesprächsthema, doch ihr Kopf blieb leer. Zum Glück war die Musik so laut, dass sie kaum reden mussten. Fabian bestellte ein weiteres Bier, dann noch eines. Nach dem dritten legte er plötzlich den Arm um ihre Schulter. Laura zuckte zusammen, ein Teil von ihr wollte sich sofort lösen. Doch dann dachte sie, es wäre albern, deswegen einen Aufstand zu machen. Gehört das nicht irgendwie dazu, wenn man mit einem Jungen ausgeht?
Trotzdem störte sie die Nähe, so sehr, dass sie kaum noch etwas von der Musik mitbekam. Unsicher warf sie ihm einen Seitenblick zu, während er sie immer enger an sich zog und begann, sie zu streicheln.
"Lass das", flüsterte sie.
"Wieso? Gefällt dir das nicht?" Seine Stimme klang ehrlich erstaunt.
"Nein. Ich will nicht, dass du mich befummelst."
"Okay, dann nicht." Seine Schultern sackten enttäuscht herab.
"Ich muss kurz . zur Toilette", sagte sie hastig, schob seinen Arm von ihrer Schulter und flüchtete.
Sie war schon fast um die Ecke gebogen, als ihr Herz einen Schlag aussetzte. Cedric. Er lehnte lässig an einer Wand, die Arme locker verschränkt, während sein Blick wie ein Scanner durch die Disco wanderte. Neben ihm stand Michelle - oder besser: Sie klebte an ihm, presste ihren schlanken Körper an seinen und sah ihn von unten mit glühender Verehrung an.
Lauras Vorhaben, zur Toilette zu gehen, war vergessen. Sie schlug einen Bogen, ging in einigen Metern Abstand an den beiden vorbei. Cedrics Augen hatten sie längst erfasst - sie fühlte seinen Blick auf jedem Schritt, wie eine unsichtbare Berührung.
Zurück an der Bar schmiegte sie sich demonstrativ an Fabian, ihre Bewegungen bewusst betont, die Haltung betont elegant. Aus den Augenwinkeln spürte sie Cedrics Blicke.
"Magst du mich nicht in den Arm nehmen?" fragte sie süßlich.
"Klar, wenn du willst." Fabian war sofort dabei.
"Alles, was du möchtest. Du darfst mich auch ein bisschen streicheln", hauchte Laura.
"Äh . ich dachte, das gefällt dir nicht?"
"Wie kommst du darauf?"
"Na ja, vorhin ."
"Jetzt darfst du."
Fabian blinzelte verwirrt, dann nahm er einen großen Schluck Bier. Soll er's hinterfragen? Nein. Hauptsache, er durfte. Also legte er den Arm um ihre Hüfte, zog sie dichter an sich. Seine Hand glitt über ihren Rücken, erst zögerlich, dann mutiger. Er stoppte kurz an ihrem Gürtel, bevor der Alkohol ihm den letzten Rest Vorsicht nahm - seine Finger wanderten tiefer, griffen an ihre Pobacken.
Laura erstarrte. Ein Schock jagte durch sie. Soweit hatte sie es nicht gemeint! Streicheln, ja - aber das? Diese Intimität, diese Dreistigkeit! Besonders nicht von Fabian, dessen Atem nach Bier roch und dessen Grinsen ihr unangenehm war. Sie überlegte ernsthaft, ihn wegzustoßen oder ihm eine Ohrfeige zu verpassen, als eine Stimme hinter ihr ertönte.
"Hallo! Stören wir?" Cedric stand direkt vor ihnen, sein Blick glitt wie ein Messer zu Fabians Hand. "Ich dachte, ihr wolltet nach München ins Kino?"
"Ja, das wollte ich auch", erwiderte Laura scharf. "Aber Fabian hat sich für das Point entschieden. Ich hatte kein Mitspracherecht."
"Du wolltest also unbedingt ins Point, Fabian?" Cedrics Stimme klang kühl.
"Äh . na ja, so unbedingt auch wieder nicht. Aber Laura ."
". ließ dich allein entscheiden", fiel sie ihm ins Wort.
"Ja . oder so." Fabian kratzte sich am Kopf. Mädchen waren einfach kompliziert.
Cedric schenkte ihm keine weitere Beachtung, fixierte stattdessen Laura. Er bemerkte zufrieden, dass sie Fabians Hand von ihrem Po entfernt hatte. "Wie gefällt es dir hier?"
"Etwas laut an der Bar", gestand sie. "Ich wollte lieber mit Fabian an einem ruhigen Tisch sitzen, aber er . na ja, er hat sich anders entschieden."
"Äh . ja", murmelte Fabian kleinlaut. Er dachte kurz daran, sie zu korrigieren, verwarf es aber sofort - es hätte ohnehin keinen Sinn. Erst jetzt fiel ihm Michelle auf, die hinter Cedric stand, die Arme besitzergreifend um seinen Bauch geschlungen.
"Hallo, Michelle", grüßte er und lächelte.
"Hallo, Fabian." Michelles Stimme triefte vor Honig. "Schön, dich wiederzusehen. Seit dieser langweiligen Party bei Laura habe ich dich gar nicht mehr gesehen."
"Langweilige Party?", fauchte Laura.
"Ach Laura, du bist auch hier!" Michelle setzte den unschuldigsten Tonfall auf. "Tut mir leid, ich habe dich gar nicht bemerkt. Es ist so dunkel . und du trägst wirklich unauffällige Kleidung. Ist das nicht der gleiche Rock, den du auch schon auf deiner komischen Party anhattest?"
"Ich habe zwei von den Röcken", presste Laura hervor. Ihre Wut kochte, und sie ärgerte sich gleichzeitig über sich selbst - das war die lahmste Antwort überhaupt!
"Er steht dir wirklich gut", setzte Michelle mit einem süffisanten Grinsen nach. "Auch wenn dir die Figur für Röcke fehlt. Mit deiner muskulösen Statur passt dir eher eine Hose. Eine Jeans wäre besser gewesen."
Laura atmete tief ein, dann langsam wieder aus. Sie zählte innerlich bis zehn, während sie sich ausmalte, wie es sich wohl anfühlen würde, Michelle die Nase zu brechen.
"Jetzt reicht's aber", warf Cedric ein, der spürte, wie kurz Laura vorm Explodieren stand.
"Hey Mann, unterbrich die Mädels nicht", mischte sich Fabian ein. "Ich finde ihr Gespräch hochspannend."
"Hier ist gar nichts spannend", zischte Michelle. "Dazu bräuchte es zwei ebenbürtige Gegner. Ich habe Laura nur ein Kompliment zu ihrer sportlichen Figur gemacht."
"Ich finde, sie hat einen Hammer Körper und einen großartigen Po", warf Fabian begeistert ein. Sein Blick glitt bewundernd über Laura.
"Und deine Fummelei hat ihr ja auch gefallen", höhnte Michelle. "Sie hat regelrecht gestrahlt, als deine Hand ihre Pobacken massierte."
"Bitte nicht", murmelte Cedric, während er Laura beobachtete - sie stand kurz vor dem Ausbruch....