Schweitzer Fachinformationen
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Die Vögel haben nie aufgehört zu singen. Schaut man genauer hin, merkt man, dass die Vögel ihr Lied singen, egal was passiert. Als mein Großvater noch lebte, war der Wald richtig dicht und viel, viel höher, und wir mussten nicht weit gehen, um eine Wildsau zu töten. Ah, ihre Spur fing schon am Dorfrand an, und der Geschmack von Schweinefleisch war für uns wie Wasser, so viel haben wir davon gegessen. Ich erinnere mich noch genau. Jetzt haben sie sich tief in den Wald verzogen, die Wildschweine. Aber alle Dinge sind in Onyames großen Händen. Nur Onyame, der Erleuchtete, weiß, warum die Geißenköttel so hübsch sind. Wir beklagen uns nicht. Ich brauch nur in den Wald zu gehen, dann seh ich, wie schön die Welt ist. Die Vögel haben alle Farben. Rot, meerblau, gelb, manche sehen aus wie Blätter, und manche sind so weiß wie frisch gewaschener Kattun. Gibt es Tiere, die man hier nicht findet? Der kleinste Fang, den ich nach Hause bringe, ist ein Adanko. Junge Adankos sind einfach zu jagen. Selbst wenn sie sich verstecken, schauen ihre Ohren hervor, sodass man sie sehen kann. Ich hätt sie zu ihrer Sicherheit mit den Augen auf den aufgestellten Ohren erschaffen, aber dann könnt ich sie wiederum nicht fangen. Und ich würd vielleicht verhungern. Ah, die Adankos. Sie sind schnell, aber ich habe viele Fallen. So ist das Leben eines Jägers.
Wir beklagen uns also nicht. Das Dorf ist in Ordnung. Wir leben gleich neben dem Hof des Häuptlings, und wir können mit all unseren Sorgen zu ihm kommen. Aber wir sind gerade mal zwölf Familien, da gibts keine großen Probleme. Abgesehen von Kofi Atta. Er ist ein Verwandter von mir, aber noch bevor ich mir mein Tuch selbst umwickeln konnte, hat mir meine Mutter gesagt, dass wir noch Schlimmes mit ihm erleben würden. Ich erinnere mich genau; in der Nacht davor hatte mein Vater eine Antilope nach Hause gebracht, und sie kochte Abenkwan.
»Yaw Poku«, sagte sie, »wenn du mit deinem Verwandten spielst, dann pass bloß auf.«
»Ja.«
»Yaw Poku! (Meine Mutter sagte immer alles zweimal zu mir.) Ich hab gesagt, pass bloß auf, wenn du mit Kofi Atta spielst. Verstanden?«
Sie nahm meine Hand und schüttete etwas heiße Suppe zum Probieren drauf. Dann sagte sie: »Weißt du nicht, dass die Frau, die seiner Mutter geholfen hat, seine Nabelschnur verloren hat?« Sie schüttelte den Kopf. »Sie wurde nicht vergraben. Mit dem Burschen werden wir noch Schlimmes erleben.«
Deshalb sollte ich mich nicht groß wundern, ich hab nur nicht mehr dran gedacht nach so langer Zeit. Man vergisst diese Dinge. Es ist wie mit dem Licht. Am Tag ist es hell, und wir denken nicht darüber nach, aber ich, Yaw Poku, ich bin Jäger, deshalb überrascht mich das Licht. Ich bin an das Dunkel des Waldes gewöhnt, wenn ich mich bewege und das Licht auf mich fällt, ist das wie Messerstiche. Im Wald sind die Geräusche deutlicher als das Licht, das Licht überrascht mich also. So wie ich jetzt überrascht bin, obwohl meine Mutter mich gewarnt hatte, ich sollte aufpassen . Pass bloß auf!, hat sie gesagt.
Wir waren da, wo wir immer sind, als sie kamen. Die junge Frau mit den Augen, die keine Ruhe fanden, kam als Erste. Hmm, wo du schon mal da bist, hör gut zu. Die Ahnen sagen, die Wahrheit ist kurz, aber wenn eine Geschichte nichts taugt, dann wird selbst die Wahrheit so plattgewalzt wie eine Kröte, die auf einer dieser neu gebauten Straßen von einem Auto überfahren wurde. Ich, der auf dem Boden kauert, ich, der beobachtet, ich, Yaw Poku, der von Atewa bis Kade alle Wälder durchstreift hat und der jeden Ducker, jede Sau, jede Kobra und jeden Leoparden gesehen hat, die sich hier auf unserer Erde bewegen, ich war überrascht. Aber ich will die Geschichte erzählen, bevor sie kalt wird. Mein Großvater Opoku, den man nie mit leeren Händen gesehen hat, sagte mir, dass eine Geschichte, die der Engländer history nennt, meistens schöngefärbt ist. Das hier ist keine solche Geschichte. Man sagt, dass Anansi, die göttliche Spinne, die ihre Netze spinnt, keine Reden verkauft, also rede ich. Ich werde die Geschichte erzählen.
Es war an einem Sonntag, nur eine Woche vor Kru-kwasi, dem Sonntag, an dem es tabu ist, über Tote und Beerdigungen zu sprechen. Sieben Tage, bevor wir für die auf der anderen Seite Getränke ausschenken. Ich bin mir ganz sicher, was diesen Tag betrifft, aber wenn ihr mir nicht glaubt, braucht ihr nur bei den Bono nachfragen, die seit Jahrhunderten für die Ashanti-Könige die Tage festgehalten haben.
Wir waren, wo wir immer waren, als sie kam. Die mit den Augen, die nie zur Ruhe kamen. Ich selbst trat aus der Hütte des Palmweinzapfers. (Die Frau, die Palmwein verkauft, macht sonntags nicht auf. Sie hat sechs Jahre lang in der Großstadt, in Accra, gelebt, und als sie wieder zurückkam, wollte sie sonntags nicht arbeiten. Bevor sie in die Stadt zog, hat sie am Straßenrand Tomaten verkauft, aber das ist eine andere Geschichte.) Der Palmweinzapfer gab mir eine große Kalebasse von seinem Spezialwein, und ich war auf dem Weg zu meiner Hütte, als ich diese Frau kreischen hörte wie eine Rohrratte in der Falle. Ich spiel mit meinem Palmwein nicht herum, nie, also stellte ich die Kalebasse in meiner Hütte ab und ging zum Tweneboa-Baum auf dem Dorfplatz hinüber.
Sie hatte einen von diesen ganz kurzen Röcken an. Man konnte die Schenkel sehen, aber ihre Beine waren wie die Vorderbeine einer Babyantilope - spindeldürr (später hab ich dann erfahren, dass sie die Freundin von einem Minister war. Hmmm. Die Welt ist voller Wunder). Ihr Fahrer war wie so ein Kolonialheini von Kopf bis Fuß in Khaki eingekleidet. Er wollte sie festhalten, damit sie aufhörte, aber die Frau schüttelte den Kopf und schrie weiter. Dann kriegte sie sich doch wieder ein und rannte zu einem hellen Auto am Straßenrand hinüber, und der Fahrer hinterher wie eine Staubwolke.
Als ich die Kinder fragte, Oforiwaa, Kusi und die Zwillinge Panyin und Kakra, die auf dem Dorfplatz spielten, was los sei, sagten sie, der cremefarbene Benz hätte angehalten, und die Frau wäre einem Vogel mit einem blauen Kopf gefolgt (es stimmt, in unserem Dorf gibt es viele herrliche Dinge) und hätte sich dann die Nase zugehalten. Sie hätte ihren Fahrer gerufen, und beide wären wie Hunde einer Fährte gefolgt, bis sie zu Kofi Attas Hütte kamen. Sie hätten »Agoo!« gerufen, aber niemand hätte geantwortet. Dann hätte der Fahrer die Matte am Eingang hochgehoben, und die Frau wäre hineingegangen. Und gleich darauf hätte sie angefangen zu schreien. Es war immer noch Vormittag, und ihr Schrei ließ den Wald verstummen. Aber was passierte, als sie wieder weg waren, ist noch seltsamer. Es ist wahr, selbst der Adler hat nicht alles gesehen.
Die Sonne hatte ihren höchsten Punkt erreicht und behauptete ihren Platz mitten im Himmel. Ich ruhte mich auf der gefällten Palme neben dem Tweneboa-Baum aus, hörte mein Kofferradio (zurzeit krieg ich diese neue Sunrise-FM aus Koforidua rein), trank meinen Palmwein und schaute den Kindern beim Spielen zu, als sie angefahren kamen. Das erste Auto raste mit Höchstgeschwindigkeit auf den Baum zu und kam mit quietschenden Bremsen zu einem Halt, sodass der Sand wie Reisspelzen hochwirbelte. In den Bäumen saßen zwei Tauben, und die, glaubt mir, sind mit einem Geräusch, als würden sie mit Wasser gurgeln, aufgeflogen und haben dabei wild mit den Flügeln geschlagen, während die anderen Autos neben dem ersten hielten. Im Ganzen waren es fünf. Polizeiautos. Das erste war sogar noch großartiger als die Polizeiautos, die man sonst sieht. Es war ein Pinzgauer mit einer langen Antenne auf dem Dach. Da wusste ich, dass das wirklich eine große Sache war, Pinzgauers werden von der Armee fürs Dschungeltraining eingesetzt, ich hab sie ab und zu gesehen, wenn ich auf der Jagd war.
Aus dem Pinzgauer stieg ein großer Kerl in Zivil. Er trug einen schwarzen Gürtel über seinen Jeans und kaute Erdnüsse.
»Wer ist hier zuständig?«
Die Kinder zeigten auf den riesigen Kapiokbaum hinter Asares Farm und antworteten auf Englisch: »Der Häuptling lebt im Hof da drüben.«
Die anderen Polizisten waren aus ihren Autos gesprungen, alle ganz in Schwarz. Ein Polizist und noch einer und noch einer - insgesamt neun in unserm Dorf an einem Tag, der kaum angefangen hatte. Der in Zivil schaute nach links und nach rechts, und ich sah, wie er hinter dem Baum auf die blaue Sanyaa meiner Mutter starrte, die ich nach ihrem Tod auf das Dach meiner Hütte gestellt hatte. Ich erinnere mich, dass sie Wasser damit getragen hat, bis sie voller Löcher war, danach hat sie die Schüssel mit aufs Feld genommen, um Gemüse damit zu ernten, bis der Boden nur noch ein großes Loch war. Ich hab sie in das Gras auf meinem Dach gestellt, so konnte ich meine Hütte von Weitem sehen, wenn ich aus dem Wald kam. Als der Polizist darauf starrte, schaute ich auch drauf. Und dann fiel sein Blick auf mich, und er zeigte mit dem Finger auf mich.
»He du, sprichst du Englisch?«
Ah, dachte ich, der Mann hat entweder keinen Respekt, oder er sieht mir meine vierundsiebzig Jahre nicht an, weil ich mir den Kopf rasiert hab. Kaut Erdnüsse, während er mit mir redet! Ich sagte nichts. Ich hob meine Kalebasse und nahm einen Schluck von Kwaku Wusus Palmwein. Er ist einfach gut. In den sechzehn Dörfern unter unserem Häuptling und in den anderen zwölf Dörfern unter Nana Afari ist Kwaku Wusu der beste Zapfer.
»Du da«, der Polizist...
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