Schweitzer Fachinformationen
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Young flippert zwischen Bude, Hörsaal und den Betten seiner letzten Tinder-Matches hin und her. Er studiert in Seoul, zusammen mit Jaehee, seiner BFF und Mitbewohnerin, zieht er durch die glitzernden Bars und queeren Clubs der Stadt. Mit noch einem Glas Soju in der Hand und eisgekühlten Marlboro Reds zwischen den Lippen beschwören sie die Euphorie, jede Nacht. Gegen die Ängste, gegen die Liebe, gegen die Ansprüche der Familie und die Not mit dem Geld. Doch als auch Jaehee endlich ankommen will, bleibt Young allein zurück im Partymodus. Mit seiner altgewordenen Mutter, mit dutzenden Liebhabern, von denen kaum einer seinen Namen kennt, mit der Leidenschaft fürs Schreiben und einer Frage: Ist in diesem Land für einen wie mich überhaupt eine Zukunft vorgesehen? Kann ich sie erreichen?
Love in the Big City ist eine Heldengeschichte von gewaltiger Zärtlichkeit und Lässigkeit. Sang Young Park erzählt von Chaos, Freude, Leichtigkeit des Jungseins, und seinen schmerzhaften Grenzen, in einer Gesellschaft, deren Vergangenheit trotz allem Blitzen, Blinken, Träumen seltsam mächtig bleibt . Das Kultbuch aus Südkorea, Porträt einer Generation, Psychogramm eines faszinierenden Landes.
Ich betrat die »Emerald Hall« im zweiten Stock des Hotels. Hatte Jaehee nicht etwas von vierhundert Gästen gesagt? Es schienen mir deutlich mehr zu sein. Ich setzte mich auf den mir zugewiesenen Platz an einen Tisch in der Nähe des Podiums und blickte in die Runde. Die Romanistik-Kommilitonen von damals, alle in unterschiedlichem Tempo gealtert. Ganz schönes Gedränge. Das hatte Jaehee nun davon, dass sie jeder Einladung zu irgendwelchen Alumni-Veranstaltungen und Ehemaligen-Treffen immer brav gefolgt war. In solchen Momenten fand ich ihre soziale Kompetenz ziemlich ätzend. Es folgten Begrüßungen von Leuten, mit denen ich fünf oder zehn Jahre nichts zu tun gehabt hatte. »Ich hab gehört, du schreibst jetzt Bücher. Glückwunsch!« »Könntest öfter mal was von dir hören lassen!« »Was denn, du hier? Es kursierten schon Gerüchte über deinen Tod!« »Äh, kann man deine Bücher eigentlich irgendwo lesen? Im Internet hab ich nichts gefunden .« »Schreiben ist ganz schön anstrengend, was? Hast ja ordentlich zugenommen!« »Sag mal, säufst du immer noch so viel wie früher?«
Ich trinke längst nicht mehr so viel, jetzt wo bald mein neues Buch rauskommt. Außerdem, in Sachen »alt und fett geworden« könnt ihr locker mithalten, und wenn ihr mir weiter mit euren dummen Sprüchen kommt, besauf ich mich gleich wieder wie in meinen besten Tagen - hätte ich eigentlich auf Lager gehabt, besann mich dann aber als zivilisierter Mittdreißiger auf meine Manieren und beließ es bei einem unverfänglichen Lachen. Falls irgendjemand sagte, dass er was von mir gelesen habe, würde ich ihm erklären, dass meine Geschichten natürlich alle frei erfunden seien. Wie ich so dabei war, mir Antworten auf Fragen zurechtzulegen, die ohnehin niemand stellen würde, kam ich mir albern vor. Übertriebene Selbstbezogenheit ist schließlich auch eine Art Krankheit .
»Werte Gäste, wir bitten Sie nun, Ihre Plätze einzunehmen. Die Zeremonie wird in Kürze beginnen.«
Der Typ, der die Hochzeitsfeier moderierte, war ein guter Freund von Jaehees künftigem Ehemann. Spitzes Kinn, fettig glänzende Haut, nicht mein Fall, dazu noch dieser Gyeongsangdo-Dialekt, und als Moderator war er auch nur so lala. Der sollte beim Fernsehen arbeiten? Das hier hätte ich jedenfalls eindeutig besser hingekriegt. Was sollte diese blöde Tradition, dass der beste Freund des Bräutigams bei der Hochzeitsfeier immer die Rolle des Ansagers übernehmen muss? Unmut stieg in mir auf.
Auf der großen Leinwand neben der Bühne sah man Fotos von Jaehee und ihrem künftigen Mann. Während die verpixtelten Pärchen-Bilder vorüberzogen, leerte ich mein Glas Rotwein. Da stieß mich Cheolgu, der neben mir saß und von dem ich gehört hatte, dass er seit kurzem bei der Industrial Bank arbeitete, unsanft in die Rippen.
»Jetzt mal ehrlich. Du und Jaehee. Ist was dran an den Gerüchten von damals?«
Da ist was dran, aber - so leid es mir tut, mein lieber Cheolgu, dass Jaehee dich damals hat abblitzen lassen - nicht das, was du denkst.
*
Wir waren damals beide neunzehn Jahre alt und es war Sommer gewesen, als Jaehee und ich einander unerwarteterweise nähergekommen waren.
Es war die Zeit, als ich die Gewohnheit hatte, jeden Gefallen zu erfüllen, solange man mir einen ausgab, und so knutschte ich an jenem schicksalhaften Tag mit einem Mann unbekannten Alters auf dem Parkplatz des Hamilton Hotels in Itaewon. Vermutlich hatte er mir zuvor in irgendeinem Club im Souterrain sechs Tequila spendiert. Der Mond, die Straßenlaternen und die Neonreklamen der ganzen Welt schienen mir ihr Licht zu schenken und in meinen Ohren klang eine Electro-Pop-Nummer von Kylie Minogue. Mit wem ich da gerade zu tun hatte, war mir vollkommen egal. Entscheidend war, dass ich mit irgendjemandem dort, in den dunklen Straßen der Stadt, existierte, und so gab ich mein Bestes, um meine Zunge mit der des Unbekannten zu verknoten. Gerade als ich schon zu glauben begann, die ganze Welt werde gleich brodelnd überkochen, ganz allein für mich, da traf mich mit voller Wucht ein Schlag von hinten. Eine Hass-Attacke. Obwohl ich sturzbetrunken war, schoss mir dieser Gedanke sofort durch den Kopf, und schon malte ich mir in bester Drama-Queen-Manier das Allerschlimmste aus. Ich schaffte es, meine Lippen von dem fremden Mund zu lösen, ballte, auf einen heftigen Schlagabtausch gefasst, die Fäuste und drehte mich um. Vor mir stand Jaehee, wie immer eine lippenstiftverschmierte Marlboro Red in der Hand. Ihr Anblick brachte mich augenblicklich zur Ernüchterung. Als sie mein Gesicht sah, konnte sie sich kaum mehr halten vor Lachen. Dann rief sie in ihrer gewohnten Lautstärke: »Na los, vernasch ihn doch ganz!«
Noch ehe ich ganz begriffen hatte, was hier vor sich ging, brach auch ich in Gelächter aus. Der Mann von eben war inzwischen irgendwohin verschwunden, und heute weiß ich nicht einmal mehr, welcher es eigentlich war. Woran ich mich allerdings noch vage erinnere, ist das anschließende Gespräch zwischen Jaehee und mir auf dem Parkplatz.
»Könntest du das bitte vor den Leuten auf dem Campus verschweigen?«
»Klar doch. Ich hab zwar keine Kohle, aber jede Menge Anstand.«
»Sag mal, hat dich das nicht geschockt? Ich meine, dass ich mit Männern .«
»Nö.«
»Und seit wann weißt du das?«
»Seit ich dich das erste Mal gesehen hab.«
Eben das übliche Blabla.
Bis dahin wusste ich von Jaehee eigentlich nicht viel, kaum mehr, als dass sie immer in kurzen Hosen herumlief und nach dem Unterricht stets als Erste nach draußen stürmte, um eine zu rauchen. Ihr Ruf im Fachbereich war, gelinde gesagt, nicht der beste.
Ich selbst war in unserem Fachbereich nicht von vornherein ein Außenseiter gewesen, sondern wurde von den älteren Kommilitonen anfangs durchaus ab und an eingeladen, wohl vor allem deshalb, weil ich von der Körpergröße her ein wenig über dem Durchschnitt lag. Diese Treffen liefen immer ähnlich ab: Als Erstes ging es in die Billard- oder Computerspielhalle, dann in eines der vor allem auf Geschmacksverstärker spezialisierten Restaurants, wo man sich neben salzigem Essen reichlich Soju einverleibte, und schließlich versammelten sich alle bei einem der etwas ordentlicher wohnenden Kommilitonen in dessen Zimmer, um die ganze Nacht lang über Frauen zu reden, bis uns irgendwann die Augen zufielen. Wie es sich für Neunzehn- oder Zwanzigjährige gehört, wurde haarklein erörtert, wie unwahrscheinlich toll man selbst war, welch großartigen Sex man schon gehabt habe, welchen Frauen man in welchem Maße Befriedigung verschafft habe und welche Kommilitoninnen besonders leicht zu knacken seien. Auch von Jaehee war in diesem Zusammenhang wiederholt die Rede. Einmal, als ich mich nicht zum ersten Mal fragte, wieso ich es eigentlich bis zum College hatte bringen müssen, bloß um mir jetzt all diese (mindestens zur Hälfte erfundenen) Storys anzuhören, war es vorgekommen, dass ich im Vollrausch die Nerven verloren, den Tisch mit den Sojuflaschen umgeworfen und dabei gebrüllt hatte: »Ihr verdammten Wichser, ich hab die Schnauze voll von eurer gequirlten Scheiße!« - was zur Folge gehabt hatte, dass ich anschließend nie wieder eingeladen wurde. Wie es Gruppen naturgemäß an sich haben, sind in Ungnade gefallene Mitglieder beliebte Objekte übler Nachrede. Und da man auf minuziöse Testberichte über Erstsemestlerinnen mittlerweile keine Lust mehr hatte, begann man nun, sich auf mich einzuschießen. Ich sei bestimmt schwul und hinge dauernd irgendwo in Itaewon rum, um dort wer weiß was zu machen - Gerüchte, um die sich nur ein paar unschuldige Neunzehnjährige scheren würden und die übrigens zur Hälfte durchaus den Tatsachen entsprachen. (Die Fantasie bleibt grundsätzlich hinter der Realität zurück.) Als kaum ein Semester vorbei war und es wohl niemanden mehr im Fachbereich gab, der noch nicht von mir gehört hatte, kamen auch mir diese Gerüchte, die mich zum allgemeinen Gespött machten, schließlich zu Ohren. Hier im Fachbereich später nochmal Freunde zu finden, würde schwierig werden. Na, wenn schon. Auf diese Langweiler und mittelmäßigen Trinker konnte ich...
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