Schweitzer Fachinformationen
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Die Katze saß auf Steinböcks Brust und schimpfte.
»Wenn du dein Smartphone abends nicht abschaltest, dann geh wenigstens ran, wenn es klingelt. Das schreckliche Western-Gedudel ist auf die Dauer nicht auszuhalten.«
Verschlafen strich Steinböck sich mit der Hand über den kahlen Kopf. »Zu spät«, murmelte er enttäuscht. Dann tastete der Kommissar nach dem Handy, das über den Tisch tanzte und laut die Titelmelodie von Bonanza dudelte. Hasleitner hatte sie ihm im vorletzten Jahr als Klingelton aufgespielt. Endlich erwischte er es. Horsti Schmalzls Foto blinkte auf dem Display. Verdutzt schaute er zur Uhr. Es war bereits nach Mitternacht. Um diese Zeit hatte ihn der Polizeipsychologe noch nie angerufen.
»Steinböck, du musst sofort kommen«, keuchte Schmalzls Stimme. »Sie braucht dringend einen Arzt. Alles ist voll Blut.«
»Mensch, Horsti, was ist los? Wo bist du?«
»In der Praxis, du musst an Sanka schicken, schnell! Sie verblutet.«
Es folgte ein langgezogenes Tuten. Unsanft schubste er die Katze von seiner Brust, wählte die 112 und schickte einen Notarzt zu Horstis Adresse. So schnell war er noch nie vom Sofa gesprungen.
»Vorsicht, alter Mann! Denk an deine Bandscheibe. Oder möchtest du mit Emil im Tandem-Rollstuhl sitzen?«
Steinböck ignorierte Frau Merkel und suchte nach seinen Autoschlüsseln. Für einen Moment überlegte er, Emil zu wecken, verwarf den Gedanken aber wieder. Er schlüpfte in seine Schuhe, griff nach seinem Tweed-Sakko und verschwand durch die Verandatür.
Die Katze überholte ihn mit weiten Sätzen und sprang auf das Dach von Steinböcks Käfer. Dort erwartete sie ihn. »Was ist los? Wenn es sich um Horsti handelt, möchte ich informiert werden.«
»Ich weiß auch nicht mehr. Von mir aus komm mit, aber benimm dich anständig. Du weißt, der Horsti ist sehr sensibel.«
»Horsti hat dir nichts erzählt?«, stocherte die Katze weiter, als sie mit ein paar Fehlzündungen vom Hof fuhren.
»Er hat nur von viel Blut geredet und dass sie am Verbluten wäre.«
»Wer ist >sie<?«, nervte Frau Merkel weiter.
»Ja Kruzifix, woher soll ich des wissen«, schimpfte Steinböck, und es war nicht zu übersehen, dass er mehr als beunruhigt war.
Den Rest des Weges schwiegen beide.
Als Steinböck endlich die Praxis des Psychotherapeuten und Gerichtsgutachters Horst Schmalzl erreichte, standen bereits ein Kranken- und ein Notarztwagen vor der Tür. Im Sanka herrschte hektische Betriebsamkeit. Der Notarzt legte gerade eine Blutkonserve an, und der Sanitäter wiederholte laut die Werte, die er vom Blutdruckmessgerät ablas.
»Was ist passiert?«
»Wer will des wissen?«, knurrte der Arzt ungehalten, ohne aufzusehen.
»Steinböck, Mordkommission.«
»Jemand hat ihr die Kehle durchg'schnitten.«
»Kommt sie durch?«, wollte der Kommissar wissen.
»Schaut ned gut aus«, flüsterte der Arzt. Und lauter: »Um den Typ droben muss sich jemand anderes kümmern. Und schmeißts die Katz hier raus.«
Als der Fahrer den hinteren Teil des Sankas verließ und die Türen schloss, konnte Steinböck einen Blick auf die Frau werfen. Ihr Gesicht kam ihm seltsam vertraut vor. Dann fiel ihm Horsti wieder ein. Im Laufschritt stieg er die Treppen hoch. Natürlich ging das nicht gut. Im zweiten Stock musste er schwer atmend eine Pause einlegen. Er lehnte sich mit dem Oberkörper auf das Treppengeländer.
»Mach langsam, alter Mann. Nur weil du hippe Boxershorts trägst, heißt das noch lange nicht, dass du wie ein 20-Jähriger die Stufen nehmen kannst. Und vergiss nicht: Der Notarzt ist bereits weg.«
Wütend musterte Steinböck die Katze, aber er hatte einfach nicht genug Luft, um ihr zu antworten. Er atmete ein paarmal tief durch, stieß sich vom Geländer ab und nahm die letzten Stufen bis zur Praxis. Typischer klassizistischer Münchner Altbau erwartete ihn. Hohe Decken mit Stuck und mächtige alte Holztüren. Einer psychologischen Praxis würdig. Am Ende des breiten Ganges, der zugleich Wartezimmer war, saß Horsti Schmalzl, von oben bis unten mit Blut besudelt, auf einem der eleganten Biedermeier-Stühle. Er starrte mit glasigem Blick auf seine Hände und murmelte immer wieder denselben Satz vor sich hin: »Ich wollt ihr doch nur helfen. Ich wollt ihr doch nur helfen.«
Steinböck umrundete vorsichtig die riesige Blutlache gleich hinter der Eingangstür und ging zu Schmalzl. »Mensch, Horsti, was ist passiert?« Dabei schüttelte er ihn sanft an den Schultern.
»Ich hab meine Hand ganz fest draufgedrückt, dass sie ned so viel Blut verliert.« Jetzt blickte Schmalzl ihm in die Augen. »Gell, Steinböck, sie ist tot?«
»Sie ist ned tot. Ihr geht's gut, sie bringen sie ins Krankenhaus«, log der Kommissar.
»Gott sei Dank«, murmelte der Psychologe, wobei er unkontrolliert mit dem Kopf wackelte und langsam vom Stuhl sackte.
Steinböck griff nach seinen Schultern und ließ ihn vorsichtig zu Boden gleiten. »Also, Horsti, was ist passiert?«, versuchte er es noch mal. Inzwischen war ein zweiter Krankenwagen eingetroffen. Ein Notarzt schob Steinböck zur Seite und kniete sich vor Schmalzl nieder. »Können Sie mich hören?«, fragte er eindringlich.
Steinböck richtete sich auf und bemerkte die Kollegen von der Spurensicherung, die ebenfalls gerade aufgetaucht waren. »Wo kommts ihr so schnell her?«, erkundigte er sich.
»Die Ilona hat uns angerufen. Da kommt sie ja schon«, entgegnete der Kollege von der SpuSi.
»Mensch, Madel, warum bist du schon da?«
»Die Zentrale hat mich verständigt. Von denen wusste keiner, dass du bereits am Tatort bist. Was ist passiert?«
Steinböck schob sie durch die Tür ins Behandlungszimmer und erzählte ihr von Schmalzls Anruf und der Frau, die auf dem Weg ins Krankenhaus war und mit ihrem Leben kämpfte.
»Und du bist sicher, dass das Opfer Horstis ehemalige Internetbekanntschaft ist, die ihn um 5.000 Euro beschissen hat?«, wollte Ilona wissen.
»Ja, des ist Melanie35, da bin ich mir ganz sicher. Du weißt, ein Gesicht vergess ich nicht.«
»Glaubst du, Horsti war's?«
»Nein, natürlich nicht, aber schließlich hat man sie in seinen Armen gefunden. In seiner linken Hand das Messer und die andere auf ihren Hals gepresst.«
»Wie hat er dich dann angerufen? Hat man sein Handy gefunden?«
»Keine Ahnung, am besten warten wir den Bericht der SpuSi ab.«
»Was willst du jetzt machen? Willst du ihn einsperren?«, erkundigte sich Ilona misstrauisch und schob nach: »Schließlich ist er dein Freund.«
»Verdammt, des weiß ich auch. Grad deshalb müssen wir besonders sorgfältig vorgehen. Geh, schau nach, ob es in seinem Büro etwas Interessantes gibt«, brummte der Kommissar und stieg geschickt über mehrere Fähnchen, mit denen der Fotograf einige Blutspritzer und einen Damenschuh markiert hatte. Er beugte sich neben dem Notarzt nieder, der Horsti eine Injektion in den Arm gegeben hatte.
»Was ist mit ihm? Kann ich ihm ein paar Fragen stellen?«, wandte er sich an den Arzt.
»Des glaub ich eher nicht. Ich hab ihm nur a ganz leichtes Beruhigungsmittel g'spritzt. Der Kerl ist eh schon high. Auf jeden Fall gehört er ins Krankenhaus. Ich muss weiter, ich schick die Kollegen mit der Bahre rauf.«
Einer der SpuSi-Mitarbeiter kam mit einer Plastiktüte auf Steinböck zu, die er ihm grinsend aushändigte.
»Des ist offensichtlich die Tatwaffe. Schaut ziemlich martialisch aus.«
Steinböck inspizierte den Inhalt der Tüte: ein protziger Dolch mit einem überladenen Griff, an dessen Ende ein silberner Totenkopf mit zwei roten, geschliffenen Steinen in den Augenhöhlen prangte. Steinböck reichte das Messer an Hasleitner weiter.
Zwei weitere Sanitäter kamen mit einer fahrbaren Bahre. Der Fotograf war inzwischen fertig und winkte die beiden durch. Horsti schaffte es nur mit Hilfe der Rettungsassistenten, auf die Liege zu klettern, und schon waren die drei im Treppenhaus verschwunden.
»Ich kenn des Teil«, überlegte Steinböck, als Ilona ihm das Messer zurückgab. »Es hing an der Wand hinter seinem Schreibtisch. Er hat es von seinem Vater geerbt. Scheiße, Horsti, des schaut überhaupt ned gut für dich aus«, seufzte er und schaute wehmütig auf die Eingangstür, durch die sein Freund gerade verschwunden war.
»Und was ist mit dem Hund?«, tönte es plötzlich von hinten in seinem Kopf.
Er drehte sich um und blickte auf Frau Merkel. Er hatte die Katze völlig vergessen. Es war ungewöhnlich, dass sie sich bisher noch nicht mit irgendeinem unpassenden Kommentar bemerkbar gemacht hatte.
»Welcher Hund?«
»Welcher Hund?«, äffte sie ihn nach. »Dieser hässliche kleine Dackel, den sich Horsti zugelegt hat. Er war doch völlig aus dem Häuschen, als er ihn uns präsentiert hat.«
»Scheiße, der Dackel, wer kümmert sich jetzt um den Hund?«
»Du hast aber ned mit der Katz g'redt?«, fragte Ilona Hasleitner, die aus Schmalzls Büro zurückkam, vorwurfsvoll.
»So ein Schmarrn! Ich hab dir schon hundert Mal g'sagt, dass ich ned mit der Katz red. Mir ist nur grad sein Hund eing'fallen. Ich kann unmöglich zulassen, dass der ins Tierheim kommt. Des verzeiht mir der Horsti nie.«
»Und wo soll der Hund sein?«
»Das letzte Mal hatte er ihn in seinem Büro.«
»Da ist er nicht, hab ich schon...
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