Schweitzer Fachinformationen
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Aron saß gelangweilt an seinem Schreibtisch. Es war einer jener heißen Julitage, an denen die veraltete Klimaanlage es nicht schaffte, das Kommissariat auf eine halbwegs erträgliche Temperatur herunterzukühlen. Die Kleidervorschrift war zwar nicht offiziell gelockert worden, doch niemand wagte sich angesichts der Schwüle in den Büros, die Flut an Bermudahosen und kurzen Kleidern zu beanstanden. Im Morddezernat trugen sie keine Uniform wie ihre Kolleginnen und Kollegen bei der Drogenfahndung oder der Straßenpolizei, und doch waren sie eine Abteilung des Heeres und mussten bei offiziellen Anlässen in Schmuck und Ornat an den verschiedensten Veranstaltungen teilnehmen.
Aron unterschied sich hier von vielen seiner Kollegen, denn er liebte das Tragen der Uniform. Sie verlieh ihm Würde und Stärke und die bewundernden Blicke, die ihnen bei solchen Paraden von den Passanten zugeworfen wurden, gaben ihm das Gefühl, etwas im Leben erreicht zu haben. Diese Momente der Anerkennung wurden allerding zusehends seltener. Ansonsten konnte man ihn getrost einen Verlierer oder, wie seine fünfzehnjährige Tochter sagen würde, einen Looser nennen. Nach einem kurzen, schnellen Aufstieg in die Funktion eines leitenden Ermittlers im Fall eines lokalen Serienmörders am Beginn seiner Karriere war er nicht mehr weitergekommen. Seit nunmehr fast zwanzig Jahren saß er im selben Büro auf dem Kornplatz in Meran, einem zentralen Platz am Rennweg, gegenüber dem Ende der bekannten Lauben, einer touristisch bestens vermarkteten historischen Einkaufsstraße der Kurstadt, kämpfte im Sommer gegen die Hitze, im Winter gegen die Kälte, meist jedoch gegen die Langeweile und die aufkommende Trostlosigkeit. Meran war nicht unbedingt ein Hotspot für Kriminalität und Mordfälle passierten sehr selten, wenn überhaupt, und nach seinen Ermittlungserfolgen hatte man seine Karriere von höherer Stelle schlicht und einfach vergessen.
"He, ich habe dich was gefragt. Könntest du dich ein wenig konzentrieren?"
Die Stimme Maries, seiner Bürokollegin, riss ihn aus seinen öden Gedanken. Wie fast jeden Tag war sie der Lichtblick in seinem Berufsalltag.
"Sorry, ich habe gerade an etwas gedacht. Was soll ich machen?"
Sie sah ihn kurz fragend an, brach dann in ein lautes und ansteckendes Gelächter aus.
"Oh Mann, ich glaube, die Hitze tut dir echt nicht gut. Wir sollten die Untersuchung besser unterbrechen und morgen weitermachen. Ich denke, das bringt heute nichts mehr und es ist schon fast Feierabend. Was hältst du davon, wenn wir Schluss machen und einen Aperitif nehmen, bevor ich dich in deinen trauten Familienalltag entlasse?"
Sie blickte ihn mit ihren unschuldig verführerischen, türkisblauen Augen an und fegte gleichzeitig die Unterlagen vom Tisch, die sie in den letzten Stunden gemeinsam durchgegangen waren. Da es keine Mordfälle zu bearbeiten gab, und die Personaldecke bei der Polizei immer knapper wurde, betraute man sie mit allen möglichen und unmöglichen Banalitäten von Wirtschaftskriminalität bis zu stupiden Verwaltungsaufgaben. Weder dem einen noch dem anderen Thema konnte er etwas abgewinnen, im Gegensatz zu Marie, die vor vier Jahren in sein Leben getreten war und ihm von da an einen Grund gegeben hatte, sich auf die tägliche Arbeit zu freuen.
Allein schon ihr Anblick war es wert, sein häusliches Umfeld mit dem der Arbeit zu tauschen. Ihre sportliche Figur steckte sie meistens in körperbetonte Hosen oder kurze Kleider, die mehr verrieten als verbargen, die Sommersprossen, die über Nase, Wangen bis auf die Schultern liefen, entsprachen zwar nicht unbedingt dem Schönheitsideal, in Kombination mit ihrer makellosen Haut verliehen sie ihr aber eine Anziehungskraft, der er sich Tag für Tag weniger entziehen konnte.
"Klingt nach einer guten Idee. Geben wir den Schwarzgeldkönigen noch ein wenig Verschnaufpause."
Er grinste so gewinnend wie möglich, während er den PC herunterfuhr und ein paar unwichtige Post-its in den Müll warf. Einen USB-Stick mit Fotos einer Ermittlung legte er in einen metallenen Aktenschrank, den er mit einem Schlüssel absperrte. Diesen Schlüssel trug er immer an einer Kette um den Hals. Seine Kollegen hänselten ihn für diese Vorsichtsmaßnahme und nannten ihn den Architekten, in Anlehnung an eine Figur aus dem Film Matrix, den er liebte.
Er stand auf, nahm seine Umhängetasche und schaltete den Computer aus.
"Na los, im Seven ist sicher ein Plätzchen frei."
Marie nickte, schnappte ihre Tasche, schaltete ebenfalls den Computer aus und folgte ihm durch die Tür. Sie befanden sich bereits auf den Treppen vor dem Ausgang zum Kornplatz. Aron hielt Marie die Tür auf und verbeugte sich lächelnd.
"Bitte Mylady, die Hitze erwartet Sie."
"Danke."
Marie schritt majestätisch nach draußen und versetzte Aron im Vorbeigehen einen neckischen Hieb in die Rippen. In dem Moment als Aron die Tür loslassen und durchschlüpfen wollte, ertönte hinter ihm eine Stimme.
"Aron, wo willst du hin? Der Chef möchte dich sprechen!"
Er hielt in der Bewegung inne und schaute sich verärgert nach dem Störenfried um, der ihm seinen Aperitif mit Marie zunichtemachen wollte. Das gelangweilte Gesicht des diensthabenden Pförtners zeigte keine Regung, doch hielt er immer noch den Telefonhörer in der Hand, aus dem er die Befehle erhalten hatte, Aron über die Anweisung seines Chefs zu informieren.
"Kann das nicht bis morgen warten? Ich bin eigentlich schon auf dem Sprung!"
Der Pförtner hob einen Finger als Zeichen, dass Aron warten sollte, und sprach in den Hörer. Da er sich hinter dickem Panzerglas befand und die Gegensprechfunktion nicht aktiviert hatte, konnte Aron dem Verlauf des Gesprächs nicht folgen. Nach wenigen Augenblicken ertönte wieder die metallisch verzerrte Stimme des Pförtners.
"Es scheint wichtig zu sein. Commissario Brugnato möchte Sie unbedingt heute noch sprechen."
"Was ist los, kommst du?"
Marie war zurückgekommen und sah Aron fragend an.
Er seufzte und nickte dem Pförtner zu.
"Sagen Sie dem Commissario, dass ich gleich bei ihm bin." Er drehte sich zu Marie. "Es scheint so, als ob du auf meine Begleitung verzichten müsstest. Der Chef möchte mich sehen. Du weißt, dass man ihn besser nicht versetzen sollte."
Er hob entschuldigend die Schultern, doch Marie schien nicht verärgert zu sein. Unverändert fröhlich lächelte sie ihn an.
"Kein Problem, es wird sich schon ein anderer Kavalier finden, der mir meinen Spritz bezahlt. Mach's gut, wir sehen uns morgen."
Sie hauchte ihm einen Kussmund zu und verließ das Gebäude. Im Gegensatz zu Marie war Aron sehr verärgert. Nicht über die unerwartete Anordnung seines Chefs, sondern über die fast gleichgültige Reaktion seiner Kollegin auf seine Absage.
"Commissario Brugnato ist im Meetingraum der Postpolizei. Sie sollen ihn dort aufsuchen."
Jetzt war Aron überrascht. Er hatte erwartet, in das spartanische Büro seines Chefs im zweiten Stock gehen zu müssen, um dort über seine Fälle oder sonstige unwichtige Details zu sprechen. Die Zusammenkunft bei der Postpolizei war jedoch ein Indiz, dass es sich um eine neue Angelegenheit handelte. Eine der Haupttätigkeiten der Postpolizei in Italien war die Verfolgung von Internetkriminalität und keiner seiner aktuellen Fälle hatte etwas damit zu tun.
"Danke, machen Sie es gut."
Er drehte sich um und ging über die Treppe in das erste Untergeschoss, wo sich die Räume der Postpolizei befanden. Er war noch nicht oft hier gewesen, um an den obligatorischen Informationsveranstaltungen zum Thema digitale Kriminalität und Datensicherheit im Staatsbetrieb teilzunehmen, doch kam es ihm jedes Mal vor, als beträte er eine neue Welt. Zwar waren auch die Büros der Beamtinnen und Beamten dieser Abteilung nüchtern und funktional, die Gerätschaften aber, die sich darin befanden, alles andere als Standard. Neueste Computertechnologie, die besten Rechner, Unmengen an verschiedensten Smartphones, Tablets und anderen elektronischen Geräten, die er teils nicht einmal kannte, türmten sich neben altmodischen Aktenordnern, die es, trotz einer Weisung zur Digitalisierung des öffentlichen Dienstes, auch in dieser zukunftsorientierten Sektion immer noch gab.
Um in den Besprechungsraum zu gelangen, musste er an allen Schreibtischen vorbei, eine Tatsache, die ihm schon bei seinem ersten Besuch wenig praktisch erschienen war.
"Hey Aron, lange nicht gesehen."
Maresciallo Thomas Müller war der Leiter der Abteilung und ein pingeliger, aber höchst fähiger Datenanalyst. Bei einer Größe von über 1,90 Meter, aber kaum 70 Kilo war es nicht möglich, eine Uniform zu finden, die ihm passte. So trug er entweder Hosen mit der richtigen Länge, die ihn um den Bauch aber zweimal umfangen hätten, oder sie passten am Bauch, endeten dann aber bereits ein gutes Stück oberhalb der Knöchel, beides kein imposanter Anblick.
"Uniformen schmücken doch nicht jeden", dachte Aron.
Müller war ihm aber trotz oder vielleicht auch gerade wegen seines Erscheinungsbildes sympathisch, da er nicht zu der Sorte von Offizieren gehörte, die andere wegen ihres militärischen Ranges wie Untergebene behandelte. Sein struppiges blondes Haar und die Brille, die ihm stets von der Nase rutschte und die er, besonders bei Vorträgen, immer wieder nervös nach oben...
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