1. KAPITEL
Sie alle hatten sich in dem geräumigen Wohnzimmer versammelt: seine Schwester Valene, seine Schwester Maddie und ihr Mann Zach McCarter sowie seine Eltern, Kenneth und Barbara Fortunado.
Jetzt geht's los, dachte Connor und setzte sein Pokerface auf.
Kenneth Fortunado, ein Schrank von einem Mann, war nicht dafür bekannt, um den heißen Brei herumzureden. Er kam sofort auf den Punkt.
"Nun gut, Connor, was ist das große Geheimnis?", fragte Kenneth seinen Sohn beim Eintreten. "Warum kommst du aus heiterem Himmel her?"
"Ich vermute, es muss was Wichtiges sein, wenn Connor seinen gut dotierten, bequemen Job in Denver verlässt, um seinen Hintern nach Hause zu bewegen", vermutete Maddie, während sie es sich auf einem der ausladenden Sofas bequem machte.
"Es sind doch nicht etwa schlechte Neuigkeiten, mein Lieber?", fragte Barbara Fortunado besorgt. "Bitte keine schlechten Nachrichten. Nach allem, was vorgefallen ist, kann ich nicht noch mehr Negatives vertragen."
Kenneth musterte seinen Sohn durchdringend. "Du wirkst ziemlich beunruhigt. Raus damit. Was ist los? Warum bist du hergekommen?"
Valene, Connors Schwester, konnte sich nicht länger zurückhalten. "Lasst ihn doch erst mal zu Atem kommen", forderte sie die anderen auf. "Wir sehen schon überall Gespenster." Damit spielte sie auf die Tatsache an, dass bei Fortunado-Immobilien, wo sie alle arbeiteten, unerklärliche Dinge geschehen waren: Sie hatten einen großen Teil ihrer besten Klienten verloren, ohne dafür eine Erklärung zu haben.
Connor schaute sich im Zimmer um. Einige der engsten Familienmitglieder fehlten, obwohl er darum gebeten hatte, mit allen von ihnen reden zu können, denn er hatte keine Lust, dieses Drama zwei Mal zu erleben. Aber offenbar war seine Botschaft nicht angekommen.
"Ich habe gehofft, es allen mitteilen zu können", erwiderte er.
"Du musst dich eben mit der Hälfte der Familie zufriedengeben." Kenneth wurde allmählich ungeduldig.
"Connor, bitte erzähle es uns", bat Barbara ihren Sohn. "Du machst mich ganz nervös."
Connor holte tief Luft. "Es ist nichts, weswegen du nervös werden musst, Mutter."
"Spuck's schon aus", befahl Kenneth. "Wenn du in deiner Firma auch immer so um den heißen Brei herumredest, wundert es mich, dass sie dich noch nicht vor die Tür gesetzt haben."
Das war ein gutes Stichwort, überlegte Connor. "Das ist auch ein Grund, warum ich mit euch reden wollte", erwiderte er.
"Sie haben dich gefeuert?" Kenneth war laut geworden.
"Nein", antwortete Connor mit fester Stimme. "Sie haben mich nicht gefeuert. Aber ich arbeite nicht mehr für sie."
Sein Vater lief rot an. "Was heißt das - du arbeitest nicht mehr für sie?"
"Kenneth, bitte, lass ihn doch ausreden", bat Barbara und legte eine Hand auf den Arm ihres Mannes, als ob sie einen wilden Bullen besänftigen wollte. "Ich bin sicher, dass er für alles eine vernünftige Erklärung hat."
"Also?", polterte Kenneth, während er Connor mit seinen Blicken durchbohrte.
Erneut holte Connor tief Luft, als ob ihn das vor der Explosion bewahren konnte, mit der er jeden Moment rechnete. "Ich bin nicht mehr bei der Firma, weil ich jetzt als Privatdetektiv arbeite."
"Privatdetektiv?", rief Maddie ungläubig. Dann grinste sie. "Du meinst, wie Magnum?"
"Wer ist Magnum?", fragte Valene ihre Schwester.
"Ein Typ aus einer alten Detektivserie", erklärte Zach. "Ich habe mal ein paar Episoden auf einem der Fernsehkanäle gesehen, in denen andauernd Serien aus den Siebziger- und Achtzigerjahren laufen."
"Nein, nicht wie Magnum", stellte Connor richtig. "Meistens ist die Arbeit nicht so aufregend, wie sie im Fernsehen dargestellt wird. Man braucht viel Geduld und ein Auge fürs Detail." Er hoffte, damit genug gesagt zu haben.
Offenbar hatte er sich geirrt. Mit einer energischen Handbewegung brachte Kenneth alle im Raum zum Schweigen.
"Du bist ein Schnüffler?", rief er ebenso verblüfft wie enttäuscht. "Was zum Teufel hast du dir dabei gedacht?"
"Es heißt ,Privatdetektiv', Dad", erklärte Connor seinem Vater geduldig. "Und ich habe mir gedacht, ich könnte vielleicht herausbekommen, wer verantwortlich für all das ist, was hier in letzter Zeit passiert ist."
"Dafür gibt es doch Profis, mein Lieber", schaltete Barbara sich ein.
Connor schaute seine Mutter an. Er hatte gewusst, dass es nicht leicht werden würde. "Ich bin ein Profi, Mutter."
Kenneth schnaubte. "Seit wann?"
Connor wandte sich an seinen Vater. Jetzt gab es kein Zurück mehr. Wenn er nun klein beigab, war alles vergebens gewesen. "Seit einigen Monaten."
Kenneth legte die Stirn in Falten. "Ich glaube dir nicht", entgegnete er. "Du würdest so etwas Grundlegendes nicht machen, ohne vorher mit mir darüber zu reden."
"Ich rede ja mit dir", sagte Connor. "Hier und jetzt. Es gab keinen Grund, es dir früher zu erzählen."
Für alle im Raum war es offensichtlich, dass Kenneth diese Erklärung inakzeptabel fand.
"Wie ist das passiert?", wollte sein Vater wissen. "Bist du eines Morgens aufgewacht und hast dir gesagt, hallo, ich habe meinen gut bezahlten Job satt? Pfeif auf das alles und tu etwas vollkommen Sinnloses - etwa Schnüffler werden. War es so?" Kenneth war wieder laut geworden.
"Privatdetektiv, mein Lieber", verbesserte Barbara ihn.
"Privatermittler", erwiderte Connor ruhig. "Und nein, so war es nicht. Mein Chef hatte jemanden in Verdacht, Firmengelder zu veruntreuen, aber er wusste nicht, wie er dem Betreffenden auf die Schliche kommen konnte. Er hat mich ins Vertrauen gezogen, und ich habe ihm versprochen, mich ein wenig umzuhören. Das habe ich getan und denjenigen, der das Geld beiseitebrachte, in weniger als einer Woche entlarvt."
"Du hattest einfach Glück", murrte Kenneth.
"Nein, hatte ich nicht", widersprach Connor. "Ich war hartnäckig. Und habe dabei festgestellt, dass ich ein Talent für derlei Investigationen habe."
"Mein Sohn, der Maulwurf", schnaubte Kenneth. "Ich kann es kaum erwarten, den Leuten von deinem neuen Job zu erzählen."
"Dad, du hast etwas nicht mitbekommen", schaltete Valene sich ein, um ihrem Bruder zu Hilfe zu kommen. "Connor hat doch gesagt, er will uns dabei helfen herauszufinden, was der Familie in letzter Zeit passiert ist."
"Das ist Aufgabe der Polizei", erinnerte Barbara sie. Der Gedanke, dass eines ihrer Kinder in etwas verwickelt wurde, das sich als gefährlich herausstellen könnte, gefiel ihr ganz und gar nicht.
"Und wie weit sind sie bei ihren Ermittlungen gekommen?", fragte Maddie herausfordernd.
Hilflos zuckte Barbara mit den Schultern. "Sie stehen noch ganz am Anfang."
"Willst du wirklich warten, bis jemand getötet wird, ehe wir etwas unternehmen?", fragte Connor seine Mutter ruhig.
Barbaras Augen wurden groß, als hätte sie über diese Möglichkeit noch gar nicht nachgedacht. "Glaubst du wirklich, das könnte passieren?"
Connor hätte seiner Mutter die Wahrheit gern erspart. Aber er beschloss, ehrlich zu sein. "So, wie die Situation eskaliert, gibt es keinen Grund zur Annahme, dass es nicht passieren könnte."
Kenneth war immer noch nicht überzeugt. "Na gut, du Teufelskerl, dann klär uns auf. Wie schätzt du denn das alles, was passiert ist, ein? Hast du schon eine Theorie?"
Connor wusste, dass sein Vater jedes seiner Worte auf die Goldwaage legen würde. Deshalb sprach er sehr bedachtsam. "Ich glaube nicht, dass es zufällige Vorkommnisse sind, wie die Polizei zunächst vermutet hat." Er wartete eine Sekunde, ehe er die Bombe platzen ließ. "Ich glaube, hinter allem, was geschehen ist, steckt eine Person."
Mit zusammengekniffenen Augen musterte Kenneth seinen Sohn. "Du redest über das Feuer, den Hackerangriff und das Sabotieren der Immobiliendeals?"
"Ja", antwortete Connor mit fester Stimme.
"Ein Einziger soll für all das verantwortlich sein?", fragte Zach.
"Ja. Genau das denke ich."
"Das muss aber eine sehr energiegeladene Person sein." Kenneth' Sarkasmus war nicht zu überhören.
"Man kann Leute für solche Taten anheuern. Aber ich glaube, dass die Fäden für diese Verbrechen bei einem Einzigen zusammenlaufen", erklärte Connor. Als er in die Runde blickte, stellte er fest, dass seine Mutter und seine Schwestern sowie Zach von seiner Vermutung überzeugt zu sein schienen. Nur sein Vater beharrte auf seinem Standpunkt. Lag es daran, dass er nichts von dieser Theorie hielt oder sauer auf seinen Sohn war, weil der plötzlich den Beruf gewechselt hatte?
Connor wartete auf eine Reaktion seines Vaters. "Und wer soll diese Person sein? Bist du dir da sicher, oder hoffst du bloß, dass wir dir deine Theorie abkaufen?"
Connor wandte den Blick nicht von seinem Vater. "Ich habe Beweise für die Theorie gefunden."
"Das musst du genauer erklären", bat seine Mutter.
...