Schweitzer Fachinformationen
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An einigen Tagen brauchte ich drei, manchmal vier Songs, bis ich es aus dem Bett schaffte, und an jenem Freitag, dem Tag, an dem die Zeitmaschine bei mir ankam, hatte ich bereits drei Songs auf Total 80 s FM verdöst, weil sie einfach nicht den richtigen . Wumms hatten.
Ich habe gar nichts gegen Paula Abdul, und es gibt sicher auch den richtigen Moment und den richtigen Ort für Phil Collins, aber das ist nicht 7.30 Uhr an einem Freitagmorgen. Und «Wake Me Up Before You Go-Go» von Wham ist selbst für den Halbschlaf ein bisschen zu platt . Schnarch . Im Ernst, wer auch immer den Algorithmus programmiert hat für Total 80 s FM - einem dieser Internetsender ohne DJ -, muss einen ziemlich trockenen Humor haben.
Ich hatte mir schon oft geschworen, mich in die Playlist des Senders zu hacken - das wäre ganz einfach gewesen -, aber dann hatte ich es doch nicht getan.
Aber um 8.30 Uhr, als sich der Radiowecker mit den ersten Akkorden von «Happy Hour» von den Housemartins wieder einschaltete, wachte ich doch mit so etwas wie einem Lächeln auf den Lippen auf.
Wenn ihr den Song nicht kennt, beendet sofort alles, was ihr gerade tut, und hört ihn euch auf Spotify an.
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Wippt ihr schon mit den Zehen? Versteht ihr, was ich meine?
Ich war wach. Ich griff nach meinem Handy. Ein halbes Dutzend Facebook-Benachrichtigungen - die meisten von Facebook selbst über Veranstaltungen, die mich interessieren könnten - und zwei Likes für mein Foto vom nebelverschleierten Sibelius-Denkmal, über dem die Sonne durch die Wolken bricht und mein grinsendes Gesicht davor bescheint. Lässig, ein Typ beim Morgenspaziergang. Ein echtes digitales Meisterstück, wenn ich das selbst so sagen darf.
Ich habe mal irgendwo gelesen, dass in den letzten zehn Jahren mehr Fotos auf Facebook gepostet worden sind, als zuvor auf allen Kameras zusammen aufgenommen wurden. Ich weiß nicht, ob das stimmt oder wie man so etwas messen kann. Aber es ist irgendwie befriedigend zu wissen, dass zwei Menschen, mit denen ich mal zusammengearbeitet habe, in dem beinahe unendlichen Strom bunter Pixel ausgerechnet mein Foto gelikt haben. Da war es ja die über zehn Versuche wert, die ich gebraucht hatte, um den Aufnahmewinkel richtig hinzukriegen.
Ich scrollte meine Twitter-Timeline herunter, aber nach der Lektüre einiger digitaler Wutausbrüche wechselte ich zu Instagram. Drei weitere Likes für mein Sibelius-Foto. Nett. Ich öffnete meinen E-Mail-Account. Nichts Interessantes in meiner Inbox, nur ein paar Angebote von Unternehmen, die mich wissenließen, dass sie mich als Kunden schätzten. Immer dasselbe.
Ich stand auf und ging unter die Dusche. Dann schaute ich mich im Spiegel an. Keine Rasur vonnöten. Anziehen musste ich mich auch noch nicht.
Stattdessen machte ich mir Frühstück. Das verspeiste ich immer am Tresen vor dem Fenster. Ich aß stets zwei Scheiben Toast - eine mit Käse, eine mit Schinken - und trank dazu eine Tasse Kaffee, dabei las ich die Zeitung. Die gedruckte. Ich liebe den Geruch von Druckerschwärze, das Rascheln der Seiten beim Umblättern, wie sich das Papier anfühlt.
Ich schaute aus dem Fenster, um nachzusehen, wie das Wetter war, und sah den alten Mann, der gerade seinen Morgenspaziergang machte. Ich habe vielleicht so meine Angewohnheiten, aber nach ihm und seinen Spaziergängen konnte man die Uhr stellen. Ich überlegte, wohin er wohl ging, ob er ein Ziel hatte oder ob er das Haus nur verließ, um seiner Frau zu entkommen. An manchen Tagen überlegte ich, ob er vielleicht ein ehemaliger sowjetischer Spion war, der geheime Nachrichten empfing und tote Briefkästen kontrollierte. Heute beschloss ich, dass er ein alter Feuerwehrmann war, der immer noch seine Runden drehte. Was auch immer, in jedem Fall war er ein Gewohnheitstier. Stell dir bloß mal vor, so in deinen Gewohnheiten festgefahren zu sein, dachte ich und richtete mein Messer so aus, dass es akkurat im rechten Winkel zur Thekenkante lag.
Dann wandte ich mich wieder der Zeitung zu.
Darin sah es finster aus.
Diplomatische Verwerfungen herrschten zwischen Washington und Moskau. «Säbelrasseln», nannten sie es. Die Börsen schienen nervös, und die Experten warnten vor einer neuen Rezession - «Mit dem Aufschwung kann es nicht so weitergehen», verkündeten sie (schon wieder). Die Verschmutzung der Weltmeere hatte einen Punkt erreicht, von dem aus es laut Umweltschützer «kein Zurück mehr gab». Ich überblätterte die Sportseiten und wandte mich den Comicstrips zu - zum Glück war immer noch das gute alte Phantom da draußen unterwegs und rettete die Welt. Für den Rest meines Frühstücks widmete ich mich dem Kreuzworträtsel. Ich schaffte immerhin ein paar der schwierigeren Antworten, und dann machte ich mir den Spaß, die Lücken mit irgendwelchen Zufallsworten auszufüllen, die gerade hineinpassten. In meinen Kreuzworträtseln gab es keine leeren Kästchen, niemals. Schließlich kommt ja keiner vorbei und kontrolliert die Lösung, oder?
Nach dem Frühstück zog ich mich an und ging wie die meisten Menschen direkt zur Arbeit. In meinem Fall bedeutete das, dass ich aus der Küche ins Wohnzimmer ging, wo mein Schreibtisch, der Computer und der orthopädische Bürostuhl standen.
Ich war nämlich selbständig. Das ist die Bezeichnung für Leute, die mal einen Job hatten, dann aber wegrationalisiert oder outgesourct wurden und jetzt «Ich-AGs» sind. Ich war der CEO von Ich, Inc. Ich war außerdem die Personalabteilung der Firma, die IT-Abteilung, das Rechnungswesen und der Botenjunge. Der offizielle Name meiner Firma lautete Webscoe, weil zu der Zeit, als ich noch zur Uni ging und die Firma eintragen ließ, alles «irre cool» war, was irgendwie mit dem Web zu tun hatte. Außerdem hieß auch die Firma der Figur von Richard Pyor in Superman III Webscoe - übrigens ein allgemein unterschätzter Film.
Selbständig zu sein, war großartig. Ich konnte so oft auf die Schlummertaste meines Weckers drücken, wie ich wollte. Ich konnte in Jogginghosen und T-Shirt arbeiten. Andererseits benötigt man doch auch ein gewisses Maß an Disziplin, wenn man sein eigener Boss ist. Steuern, Milch einkaufen, diese Dinge. Und ich vermisste die Bürotage von früher, die Unterhaltungen, die Witze und die langen Freitagnachmittage, an denen immer jemand ein Sixpack Bier mit ins Büro brachte, wir an unseren Schreibtischen saßen und belangloses Zeug redeten, um danach in einen Pub in der Nähe weiterzuziehen. Aber die gemeinen taktischen Schachzüge und die ewigen Meetings vermisste ich überhaupt nicht. Ich war schon ein paar Jahre - tatsächlich schon ein ganzes Jahrzehnt lang - selbständig, und es gefiel mir noch immer.
Ich schaltete den Computer ein, und während er hochfuhr, checkte ich Facebook und Twitter auf meinem Handy. Keine neuen Benachrichtigungen in der letzten halben Stunde. Auch keine neuen E-Mails. Ich öffnete die Radio-App und ließ Total 80 s FM aus den kleinen Lautsprechern im Zimmer dröhnen, die ich überall verteilt hatte. The Simple Minds mit «Don't You (Forget About Me)». Ein großartiger Song, der durch einen meiner Lieblingsfilme berühmt geworden ist, The Breakfast Club.
Ich sang mit, loggte mich in den Laptop ein und öffnete einen neuen Tab in meinem Browser. Ohne nachzudenken, tippte ich ein F ein, der Browser vervollständigte den Buchstaben zu facebook.com, dann drückte ich auf Enter und war zurück. Nichts Neues.
Das Lied neigte sich dem Ende zu, und ich erinnerte mich, einmal gelesen zu haben, dass es eigentlich «Won't You (Forget About Me)» geheißen hatte. Ich googelte eine Weile danach - ich wusste gern über all die wichtigen Einzelheiten aus der Popkultur der 80er Bescheid -, und dann, gerade als ich mich an meine echte Arbeit machen wollte, hörte ich den Briefkasten scheppern und einen Umschlag auf die Matte plumpsen.
Die Zeitmaschine.
Lieber Peter,
ich hoffe, dieser Brief ist eine echte Überraschung. Das war nämlich der Sinn der Übung, erinnerst du dich? Soll ich dir auf die Sprünge helfen? Kumpunotko-Highschool, Englischunterricht, April 1985. Ihr solltet eine Arbeit über das aktuelle Zeitgeschehen schreiben, und ich dachte, es wäre lustig, wenn ihr euch alle einen Brief an euer zukünftiges Selbst schreiben würdet. Wie versprochen, habe ich nicht hineingeschaut - es war ja eine sehr persönliche Angelegenheit. Der Umschlag ist also immer noch versiegelt.
Übrigens bin ich inzwischen im Ruhestand, und es hat mir sehr viel Spaß gemacht, die Klassenliste durchzugehen und mich an all die Namen und Gesichter zu erinnern. Es hat auch Spaß gemacht, euch alle aufzuspüren. Manche wohnen immer noch in Kumpunotko. Andere, wie du, leben in Helsinki und waren leicht aufzustöbern, aber wieder andere sind in Dubai, Thailand, Schottland, den USA! Viele haben neue Namen, und zwar nicht nur die Mädchen.
Jedenfalls hoffe ich, dass du Freude an deiner kleinen «Zeitmaschine» hast, und ich hoffe, es geht dir gut und du genießt das Leben. Ich habe immer große Hoffnungen in dich gesetzt, Peter.
Liebe Grüße
deine Lehrerin Hanna
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