Schweitzer Fachinformationen
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Anfang 2017 schweifte ich in Gedanken in meine Kindheit zurück. Ich dachte an den kleinen Dirk, der etwas Übergewicht hatte. Nicht viel, aber die überschüssigen Pfunde waren vorhanden. Es war für mich damals nicht einfach, einen wirklichen Freund zu finden. Zum einen war mein Gewicht daran schuld und zum anderen lag es daran, dass wir nicht direkt im Vorort wohnten, sondern etwa anderthalb Kilometer vom Ortskern entfernt.
Das war zwar nicht wirklich weit, aber bei meinem Zuhause handelte es sich um ein Firmengelände, auf dem viele LKW rein und rausfuhren. Dort wohnte ich mit meinen Eltern und zwei anderen Familien. Meine Eltern arbeiteten bei diesem Unternehmen, das damals der Familie gehörte. Michael Brücken, wie das Unternehmen damals hieß, war im Umkreis als Lebensmitteleinzelhandel sehr stark vertreten. Vor Ort war ich das jüngste Kind. Jeder kannte mich, das war damals normal. Um das Gelände zu verlassen, musste ich immer an einem Pförtner vorbei. Mal eben weg, tja, das ging nicht, jedenfalls nicht in den ersten Jahren. Ich war also von meinen Schulkameraden weitestgehend abgeschirmt.
Später war das kein Problem mehr. Ich konnte mit dem Fahrrad raus und eben den Berg rauf zu meinen Klassenkameraden. Meistens fuhr ich zu Jürgen. Jürgen und ich verstanden uns einfach gut und wir hatten auch etwa die gleichen Körpermaße. Radfahren durch die angrenzenden Wälder gefiel uns, mit BMX-Rädern, die damals gefragt waren. Und wir wurden dadurch sogar schmaler.
Einmal, als ich am späten Nachmittag von Jürgen kam, fuhr ich den Berg nach Hause herunter. Auf dem Gelände gab es, wie gesagt, einen Pförtner. Dieser machte für alle, so auch für mich, zum Durchfahren die Schranke auf. Ein Klingeln in Sichtweite reichte dafür aus. Zumindest dachte ich das. Ich betätigte die Klingel an meinem Rad und fuhr ungebremst weiter auf die rechte Schranke zu. Doch unser Pförtner hatte an diesem Tag einen neuen Kollegen zur Einarbeitung an Bord. Nervös betätigte dieser die Knöpfe und öffnete die linke Schranke. Fürs Bremsen war es zu spät und ich traf mit vollem Schwung auf die rechte Schranke. Zum Glück bremste ich mit dem Bauch nur meine eigene Fahrt abrupt ab, nicht die meines Rades. Da ich die Beine nach links und rechts geworfen hatte, löste sich mein Rad unter mir und fuhr einfach weiter. Entsetzt kamen beide Pförtner aus dem Gebäude gestürzt, um sich sofort um mich zu kümmern. Zum Glück war mir nichts weiter passiert, mir fehlte nur die Luft zum Atmen. Mit den Armen hielt ich mich noch immer an der Schranke fest. Die beiden holten mich herunter und stellten mich auf die Füße. Entschuldigungen prasselten auf mich ein, dem neuen Pförtner war es so unangenehm, was ich heute verstehen kann. Damals dachte ich nur, wie doof ist der denn? Die Knöpfe für die Schranken konnte ja selbst ich schon bedienen.
Auch damals gab es schon Mobbing, es wusste nur keiner, dass es so heißt. In der Grundschule mussten wir beide, Jürgen und ich, da durch, wie man so schön sagt, und zwar allein, da wir auf verschiedene Schulen gingen. Ich weiß noch heute, wie ich auf dem Nachhauseweg mal so gemobbt wurde, dass mein eigener Tornister mich von hinten um schmiss und ich einen Rittberger machte. Nee, es war nicht einfach, immer von den "strammen Jungs" geärgert zu werden. Schön war aber, dass ich viele Male an der Grundschule von Jürgen vorbeikam und wir uns dann sahen.
Auf der weiterführenden Schule wurde es in den ersten Jahren auch nicht besser. Aber wir waren wieder zusammen und das war wirklich das Beste, was uns beiden damals passieren konnte. Gemeinsam waren wir stark und keiner traute sich so wirklich an uns ran. Vielleicht war es aber auch nicht nötig, denn schließlich war es eine weiterführende Schule und nicht mehr die Grundschule. Die anderen Kinder und auch wir wurden älter.
Im Sportunterricht machten uns allerdings weiterhin alle was vor. Wir japsten beim kleinsten Lauf und kamen auch beim Kugel werfen nicht so wirklich weit. Wir beiden "Sportskanonen der Leichtathletik" hätten eigentlich schon eine Medaille dafür verdient, dass wir anwesend waren.
Wir wollten nicht laufen und sind auch nicht gelaufen. Das ging so weit, dass unser damaliger Sportlehrer (in der Ausbildung) uns bei sommerlichen Temperaturen um den Sportplatz jagen wollte. Jürgen und ich sind dann gemütlich eine Runde im Spaziergangstil gegangen, kein Ding für uns. Oh, nie werde ich den Gesichtsausdruck unseres Lehrers vergessen. Am Ende unserer ersten Runde kamen wir ganz gemütlich in seine Richtung. Ganz allmählich, Meter für Meter, verringerte sich der Abstand. Und mit jedem Meter, den wir näher kamen, veränderte sich seine Haltung. Unser Lehrer wurde immer steifer und dazu auch noch roter im Gesicht. Mann, was hat sich der Lehrkörper erst aufgepumpt und uns dann den Luftdruck entgegengeschrien. Jürgen und ich dachten in diesem Moment mit Sicherheit fast das Gleiche. Will der uns umpusten? Was hatte der ein Volumen in der Lunge, dass sein Körper das so mitmachte.
Ob wir sie noch alle hätten? Die Frage erschien uns wirklich sehr laut. Und weiter, wir sollten laufen, nicht gehen.
Wir kamen der freundlichen Luftdruckbitte nicht nach und "liefen" keine zweite Runde. "Wie schon gesagt, WIR LAUFEN NICHT", ließen wir ihn wissen.
Die Verständigung Lehrkörper Schüler war offensichtlich schwierig und Jürgen und ich entschieden uns für die Kommunikation auf gleichwertigem Lautstärkeniveau. Hätte ja schließlich sein können, dass er was mit den Ohren hat und uns ansonsten nicht versteht. Zwischen uns lagen ja auch mindestens zehn Meter, da muss man doch lauter sprechen, oder? Ach, und hatte ich schon erwähnt, dass das Wetter sommerlich und der Platz weitläufig war, es also keinen Wind und Schatten oder so etwas in der Art gab? In diesem Moment waren wir die Helden der Tartanbahn. Wir waren diejenigen, die sich gegen unseren Sportlehrer stellten und nicht umfielen. Mann, war das cool. Unsere "Arbeitsverweigerung" sollte, so schallte es uns um die Ohren, beim Direktor oder unserem Klassenlehrer landen, der gleichzeitig auch Konrektor war, und dann. dann würden wir schon sehen. Eigentlich tut mir der Lehrer heute leid. Wir meinten es nicht böse und hatten eigentlich auch Respekt gegenüber Lehrern. Aber Laufen, SPORT . Nö, das war nicht unser Ding. Wir spielten damals im Sportunterricht viele nette Spiele wie Feuerball oder Brennball. Und ja, ich wurde immer als vorletzter ausgewählt. Nach mir kam nur noch der Streber dran, was ja irgendwie ironisch ist. Es ist halt wie im echten Leben. Leistung, Leistung und nochmal Leistung sind gefragt.
Manches war für uns kein Problem, das Zirkeltraining machte sogar Spaß. Hier ging es aber nur um ganz kurze "Mini-Sprints", nichts wildes, machbar, auch für uns beide. Was nicht ging, waren Bundesjugendspiele, Leichtathletik, also laufen, werfen und springen. Aus meiner damaligen und auch heutigen Sicht wurden wir gezwungen, etwas zu tun, das wir nicht wollten. Eigentlich finde ich es schade, dass wir solchem Zwang ausgesetzt wurden, ohne dass uns jemals jemand wirklich gezeigt hätte, wie es geht. Ja, sicher, laufen kann jeder. Geradeaus, vor den Schrank, aber, ohne dass es nach fünf Metern in der Hüfte weh tut? Als Schüler war damals keine Hilfe zu bekommen. Sprints und dann wieder Gehphasen, dazu Versuche, richtig zu atmen und ohne Luftnot weiter als 50 Meter zu kommen. Heute wird es wahrscheinlich nicht besser sein als damals. Das Lehrpersonal hat noch weniger Zeit, sich um die Schüler zu kümmern, und falls doch fehlt der Respekt heute mehr als zu unserer Zeit.
Zu unserer Zeit jedenfalls waren wir auf uns allein gestellt. Wie sollte ich Gefallen an den Bundesjugendspielen finden, wenn ich nach fünf Minuten die Tür des Sauerstoffzeltes aufdrücken und erst mal nach Luft schnappen musste? Spaß. Genau das war es, was hier komplett fehlte. Es gab kein Lob, wenn wir Übergewichtigen unsere Leistung steigerten, wenn es nur ein Meter mehr gewesen wäre, es hätte mein Selbstbewusstsein in sportlicher Hinsicht gestärkt. Es blieb dabei. Bei der Verteilung der Urkunden nach den "Spielen" trat die Ernüchterung ein: Jürgen und ich bekamen keine. Wir haben nie eine Urkunde bekommen und daran kann ich mich noch sehr gut erinnern. Nein, lieber Leser, auch ein Fehldruck war nicht dabei.
Was wir machten, war intensiv BMX-Radfahren. Angefangen hatte das Ganze bei mir einem Rad von Karstadt. Was war ich stolz darauf! Doch nach den ersten Sprüngen war schon der Bolzen, der den Tretarm hielt, defekt. Na super, also wieder hin zu Karstadt und es war fast nicht zu glauben, aber mein heiß geliebtes Rad war für zwei Wochen weg.
Nach gefühlt einem Jahr (es waren tatsächlich genau zwei Wochen) war mein Rad repariert wieder da. Hey, ab nach Hause und am nächsten Nachmittag wieder üben. Sprünge und, ganz wichtig, auf den Pedalen stehen und durch Hochspringen beide Räder in die Luft bringen. Das klappte schon ganz gut, nur war der Bolzen gleich wieder defekt. Also wieder zwei Wochen warten. So ging es ein paar Mal hin und...
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