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Paros, Mai 2022, Südliche Kykladen
Stavros Kaffatos schreckte hoch, als das schrille Klingeln seines Diensttelefons ihn unsanft aus dem Schlaf riss. Augenblicklich war er hellwach und schwang sich mit einem Satz aus dem Bett. Sein Blick streifte die Anzeige des Weckers; die Uhr zeigte kurz vor halb sechs am Morgen.
Noch während er ins Bad hastete, drückte er die Annahmetaste auf dem Handy; ein Anruf um diese Zeit bedeutete nichts Gutes. Ein knappes »Nai« bestätigte dem Anrufer, dass er bereit war und sich wie gewohnt in fünf Minuten am vereinbarten Treffpunkt einfinden würde.
Flink stieg er in seine Montur, die im Nachbarzimmer stets einsatzbereit auf ihn wartete. Mit dem Helm in der Hand zog er die Haustür hinter sich zu und lief die Auffahrt von seinem Haus hinunter. In der Ferne hörte er schon das heranfahrende Einsatzfahrzeug - ein Unimog und eines der drei größten Löschfahrzeuge hier am Ort, die bis zu zweitausend Liter Löschwasser aufnehmen konnten. Lefkes, das kleine Bergdorf im Zentrum von Paros, lag um diese Zeit noch völlig im Dunkeln. Behände stieg er auf den Beifahrersitz und wartete auf eine erste Erklärung, obwohl er schon eine vage Vermutung hatte.
Es war erst Anfang Mai und für einen Waldbrand, den sie in den Sommermonaten immer häufiger zu löschen hatten, eigentlich viel zu früh. Zu dieser Jahreszeit war der Boden nach einem regenreichen Winter noch relativ feucht. Seine Befürchtung war aber, dass die immer früher einsetzenden und länger andauernden Hitzeperioden in den Sommermonaten in naher Zukunft zu weitaus mehr Einsätzen dieser Art führen könnten. Der Klimawandel machte sich auch auf seiner Insel immer stärker bemerkbar. Ein großes Thema, das mittlerweile in der Zentrale der Feuerwehr nahe Parikia mit zunehmender Sorge diskutiert wurde. Mit lediglich achtzehn festen Mitarbeitern im Winter und einundzwanzig während der Sommermonate wären sie überhaupt nicht in der Lage, größere Brände schnell und erfolgreich zu bekämpfen, zumal nicht nur Paros, sondern auch die Schwesterinsel Antiparos zu ihrem Verantwortungsbereich gehörten. Ohne den Verbund, den es unter den benachbarten Inseln gab, sähe es mit der Einsatzfähigkeit der Brandbekämpfer noch schlechter aus. So konnten sie von Naxos sowie von Syros jeweils einen Lösch-Helikopter anfordern, und wenn es ganz schlimm kam, standen auch Löschflugzeuge aus Athen zur Verfügung.
Der Grund ihres Einsatzes zu so früher Stunde musste eine andere Ursache haben als einen Waldbrand; und Stavros lag mit seiner Einschätzung richtig. »Es brennt mal wieder so ein Gourmettempel.« Der karge Kommentar seines Kollegen zeigte, dass auch er mit dem abrupten Ende der Nachtruhe zu kämpfen hatte. »Jetzt schon der dritte innerhalb der letzten vier Wochen.« Der Fahrer hatte die Umgehungsstraße des Dorfes erreicht und drückte kräftig auf die Tube. »Wenn das so weitergeht, verlieren wir bis zum Saisonstart noch zahlreiche Top-Restaurants auf der Insel«, merkte er nüchtern an.
Stavros nickte mürrisch. Die beiden zuvor schon abgebrannten Tavernen gehörten in der Tat zu den gehobenen Gastronomieangeboten auf Paros, die bei zahlungskräftigen Besuchern reichlich Anklang fanden. Und davon gab es immer mehr auf seiner Insel.
»Und wen hat's diesmal erwischt?«
»Das Sipantos - auf halber Strecke von Naoussa nach Santa Maria. Der Laden brennt wohl lichterloh.«
Stavros wusste gleich, um welches Lokal es sich handelte. Es lag abseits der Bebauung direkt am Meer und hatte sich in den letzten Jahren im Ranking der Feinschmeckerszene ziemlich weit nach oben gearbeitet. »Auch einer dieser Nobelschuppen; sieht ziemlich teuer aus«, sagte er trocken, während sie die kurvenreiche Strecke von Lefkes Richtung Marmara zurücklegten.
»Ist leider die Entwicklung hier bei uns«, erwiderte der Fahrer. »Immer weniger bezahlbare Tavernen, dafür aber zunehmend Edelrestaurants. So wie bei den ganzen Läden im Herzen von Naoussa. Die Luxusmarken haben den Ort schon länger im Visier. Wo soll das nur hinführen?«
Stavros nickte erneut. Diese Veränderungen waren zu einem Dauerthema bei vielen Einheimischen geworden. Mit Sorge beobachteten viele Insulaner die Entfremdung, der sie scheinbar hilflos ausgeliefert waren. Der Fahrer bremste das Löschfahrzeug scharf ab und bog links auf die Straße nach Naoussa ein. Über Funk erhielten sie gerade die Nachricht, dass Kollegen bereits vor Ort eingetroffen waren.
»Dieser Feuerteufel muss jemand sein, der sich bestens auf der Insel auskennt. Wahrscheinlich stinkt ihm die ganze Situation hier. Alle abgebrannten Lokale waren gerade frisch renoviert und für die bevorstehende Saison hergerichtet worden«, wusste der Fahrer zu berichten. »Es ist, als ob jemand verhindern will, dass die Lokale diesen Sommer an den Start gehen.«
Ein erstes Morgenlicht durchbrach soeben den nachtschwarzen Himmel.
»Da kommen viele in Betracht, denen der gravierende Wandel auf unserer Insel nicht passt. Wenn dann noch die geplante Erweiterung des Flughafens fertig ist.« Sie hatten die Abzweigung nach Ambelas erreicht. Der Fahrer nahm die nächste Straße rechts Richtung Santa Maria, vorbei am Kraftwerk und entlang der Küste. Am Rand der staubigen Straße nach Filitzi erkannten sie zwei Kollegen, die mit einem Pick-up bereits am Straßenrand standen und den Untergrund sondierten. Laut ihrer Karte musste sich hier der nächstgelegene Hydrant zur Brandstelle befinden. Das gesamte Team der Feuerwehr bestand aus ortskundigen Mitarbeitern, die genau wussten, wo sie nach dem Deckel der Zapfstelle suchen mussten. Hier konnten sie bei Bedarf Nachschub an Süßwasser für ihren fünfhundert-Liter-Tank auf dem Pick-up besorgen. Meerwasser kam nur in ganz wenigen Ausnahmen zu Löschzwecken zum Einsatz. Der hohe Salzgehalt war zu korrosiv und würde die Pumpen und Ventile schädigen.
Der Fahrer winkte den beiden Männern zu und folgte dem Verlauf der Küstenstraße. Von hier waren es nur noch wenige Meter bis zum Tatort. Aus dem eingeschalteten Funkgerät hörten sie hektische Stimmen; jetzt nahm auch ihre Anspannung mit jedem Meter spürbar zu. Durch das geöffnete Seitenfenster des Einsatzfahrzeugs drang erstmals Brandgeruch. Stavros setzte sich seinen Schutzhelm auf. Nach der nächsten Kurve wurde das ganze Ausmaß des Feuers sichtbar. Ein zweiter Unimog parkte schon gegenüber dem Lokal an dem hölzernen Steg, der zum Restaurant gehörte.
Zwei ihrer Männer waren gerade damit beschäftigt, einen Löschwasser-Verteiler zu setzen. Ein Handzeichen wies den Fahrer an, wo er sein Einsatzfahrzeug abstellen sollte. Auf der gegenüberliegenden Seite eines Parkplatzes brachte er den Unimog zum Stillstand.
Stavros sprang sogleich aus dem Wagen und öffnete die seitlichen Rollläden; dahinter befand sich das gesamte technische Equipment. Gekonnt griff er nach einem der Schlauchtragekörbe; er funktionierte jetzt wie ein Uhrwerk. Der Fahrer folgte ihm, und in wenigen Minuten waren die Löschschläuche ausgerollt. Ein Routinevorgang, den sie in zahlreichen Übungen immer wieder durchgespielt hatten, damit es im Ernstfall schnell von der Hand ging. Im anbrechenden Morgen installierten sie noch fix die Strahlrohre, jene Schlauch-Armaturen, die eine gezielte Steuerung des Wasserzuflusses sicherstellen. Nun waren sie bereit, den Kampf gegen die Flammen aufzunehmen. Trotz der Kühle des jungen Tages war es heiß, und das Feuer flackerte ihnen gespenstisch entgegen. Als Nächstes warfen sie die Pumpe an, sodass sich in den Schläuchen Druck aufbaute. Die Strahlrohre fest im Griff, nahmen die beiden Männer gezielt die größten Brandherde ins Visier. Die Besatzung des zweiten Fahrzeugs arbeitete sich von der gegenüberliegenden Seite vor.
»Da wird nicht mehr viel zu retten sein«, schrie Stavros seinem Kumpel zu. Die Flammen loderten aus dem Lokal, hier hatte jemand richtig gute Arbeit geleistet.
Erst jetzt erblickte Stavros den Inselarzt Dr. Spanopoulos, der eindringlich auf einen Mann einredete und ihn nur mit äußerster Kraft davon abhalten konnte, zu dem brennenden Gebäude zu laufen. Mit Hilfe eines heraneilenden Feuerwehrmanns brachten sie den aufgebrachten Mann zum Sitzen. Es musste der Besitzer des Sipantos sein, glaubte sich Stavros zu erinnern. Nur nebenbei nahm er wahr, wie Spanopoulos seinen Arztkoffer öffnete und eine Spritze herausholte. Das lautstarke Palaver der drei Männer wurde überlagert durch das laute Zischen und Knacken des Feuers.
Erste Balken des Flachbaus gaben nach, das Dach drohte einzustürzen, das Bersten von Holz krachte wie Pistolenschüsse. Während der Inselarzt seine Spritze setzte, schrie der vermutliche Restaurant-Besitzer laut und zeigte wild gestikulierend auf die Überreste seines Betriebs. Dann wurde er ruhiger und sackte unter dem sanften Druck von Spanopoulos zu Boden.
Stavros glühte innerlich. Die Anspannung und die Hitze, die vom Brand ausging, waren fast unerträglich. Dazu gesellte sich eine böse Vorahnung, die ihn ergriffen hatte, als er die Reaktion des Besitzers sah. Nur mit Mühe hatten Arzt und Feuerwehrmann ihn davon abhalten können, ins Innere des Restaurants zu laufen. War das nur seiner Panik zuzuschreiben, oder gab es einen anderen Grund?
Eine heftige Explosion schreckte die Männer auf und ließ sie einige Meter zurückweichen; wahrscheinlich war eine der Gasflaschen in der Küche explodiert. Stavros fasste automatisch an seinen Helm und überprüfte den Sitz. Bei weiteren Explosionen mussten sie mit herumfliegenden Trümmerteilen rechnen. Langsam wagten sie sich wieder vor, als mit einem ächzenden Bersten...
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