Schweitzer Fachinformationen
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Katharina Waldmann hatte sich ihren alten Schaukelstuhl auf die Terrasse geholt und war voller Zuversicht, ihn endlich dort stehen lassen zu können. Ein altes Erbstück, an dem ihr Herz hing, eines der wenigen Möbel, die sie von Athen mitgenommen hatte. Bislang hatte sie ihn immer wieder zurück ins Haus tragen müssen, denn der in den Wintermonaten fallende Regen und der kalte Nordwind bekamen dem alten Stück nicht gut. So langsam setzte sich aber die Sonne durch, und wenn es windstill war, konnte man sogar ohne Jacke draußen die Wärme genießen.
Es war Anfang April. Noch kämpfte die Sonne um ihre Vormachtstellung nach einem ungewöhnlich langen Winter in Katharinas neuer Heimat. Ein schönes Gefühl, dem Ende des unwirtlichen Wetters auf Paros entgegensehen zu können. Ab jetzt ging es mit großen Schritten auf den Sommer zu, und Katharina freute sich auf das bevorstehende Osterwochenende. Das ganze Dorf engagierte sich bereits lustvoll in den Traditionen der >Megali Evdomada<, der Großen und Heiligen Karwoche vor Ostern.
Katharina war das ganze Spektakel fast zu viel, da kam sie ganz nach ihrem deutschen Vater, was ihre griechische Mutter bis heute nicht verstand. Sie war ein Kind zweier Kulturen, das spürte sie in vielen Lebenslagen und hatte dies oft als äußerst positiv empfunden. So war es zum großen Teil ihren deutschen Wurzeln und den typisch deutschen Eigenschaften >Fleiß und Disziplin< zu verdanken, dass sie es beruflich so weit geschafft und man ihr vor einigen Jahren die Leitung der Mordkommission in Athen übertragen hatte. Jedoch, bei der Pflege griechischer Traditionen sah sie die Dinge wesentlich entspannter.
Katharina nahm es auch mit der vierzigtägigen Fastenperiode vor Ostern, der >Nistía<, nicht so genau und gönnte sich durchaus hin und wieder ein Stück Fleisch, was eigentlich während der Zeit zwischen Karneval und Ostern nicht gegessen werden sollte, besonders in der Karwoche, wo zusätzlich das Öl auf der Tabuliste steht. Gemäß der Regel >nur was aus der Erde wächst< stehen Gemüse, Obst und Reis auf dem Speiseplan. Demnach könnte die griechische Fastenzeit als >fast< vegan bezeichnet werden, wäre da nicht eine weitere Maßgabe, die erlaubt, Lebensmittel zu essen, die kein Blut enthalten. Somit kommen zur Fastenzeit auch Meeresfrüchte und Schnecken zum Einsatz.
Zum großen Fest hatten sich Katharinas Eltern angekündigt, ganz gespannt darauf, wo und wie ihre Tochter jetzt lebte. Mit ihnen gemeinsam und ein paar Freunden würde sie am Samstag die Ostermesse in Naoussa besuchen. Katharina war während des übrigen Jahres eher selten in einer Kirche anzutreffen, aber zu Ostern stand die Mitternachtsmesse mit ihrer Familie immer auf dem Programm. Sie war sich sicher, dass es ihren alten Herrschaften auf Paros gut gefallen würde: Das gesamte Dorf, hatte Katharina erfahren, traf sich auf dem großen Kirchplatz vor der Panagía-Kirche, die mit ihren zwei weißen Glockentürmen weit sichtbar auf einem Hügel über der Stadt thronte. Nachdem das Licht entfacht und zwischen den Anwesenden weitergereicht war, würde jeder mit seiner Kerze nach Hause gehen und das schwarze Kreuzzeichen über der Haustür aus den Vorjahren mit der brennenden Kerze überzeichnen, um sich anschließend mit Freunden und Familie zum Fastenbrechen zu versammeln. Dieses Jahr würde ihre Mutter die traditionelle Ostersuppe - Majirítsa - zubereiten. Schon dreimal hatte sie angerufen, ob auch wirklich alle Zutaten vorrätig seien. Die normalerweise im engsten Familienkreis stattfindende Feier am Ostersonntag würde bei Katharina in diesem Jahr etwas größer ausfallen, denn sie hatte kurzentschlossen viele Freunde an diesem Tag eingeladen, um in erweiterter Runde endlich ihre neue Bleibe einzuweihen.
Die lange kalte Jahreszeit war eine neue Erfahrung für die Kommissarin gewesen, so entbehrungsreich hatte sie sich die Wintermonate ganz und gar nicht vorgestellt. Ambelas hieß der verschlafene Fischerort im Norden der Insel, wo sie jetzt lebte. Das kleine Nest wurde von Touristen oft als >World's End< beschrieben, weil die einzige Hauptstraße des Dorfes auf einem runden Platz am Meer einfach endete. Von diesem Platz aus hatte man einen wunderbaren Blick über das funkelnde Meer auf die Nachbarinsel Naxos, die so nah erschien, als ob man hinschwimmen könnte. Von Anfang an hatte dieser Ausblick Katharina fasziniert, obwohl ihr bewusst war, dass es in der dunklen Jahreszeit verdammt einsam werden konnte.
So war sie sich auch im ersten Winter etwas verlassen vorgekommen, aber bis nach Naoussa, dem lebendigen Touristenort, waren es ja nur ein paar Autominuten. Leider war ab November auch dort nicht mehr viel los; an diese Ruhe hatte sie sich gewöhnen müssen. Zum Glück gab es in ihrem neuen Haus viel zu tun. So hatte sie sich die rauen Winterabende mit Handwerksarbeiten vertreiben können.
Erst im September letzten Jahres war Katharina von Athen nach Paros gezogen, nachdem endlich für sie ein geeigneter Nachfolger in der Athener Mordkommission gefunden wurde; das war die Bedingung für ihren Wechsel gewesen. Lange hatte sie diesem Zeitpunkt entgegen gefiebert.
Der Abschied war ihr nicht schwer gefallen. Sie hatte der Großstadt den Rücken kehren wollen, diesem urbanen Moloch, wo die Krise im Alltagsleben zunehmend ihr brutales Gesicht offenbarte. Ganze Bezirke verwahrlosten. Es tat ihr in der Seele weh, ihre Stadt in einem so traurigen Zustand zu erleben. Immer mehr Bürger, die ihren Job verloren hatten oder denen die Rente drastisch gekürzt worden war, lebten auf der Straße. Die pure Verzweiflung sprach aus ihren Augen. Gewaltdelikte hatten enorm zugenommen, und das Dezernat hatte alle Hände voll zu tun, die ansteigende Kriminalität in den Griff zu bekommen.
Auch auf Paros zeigten sich die Auswirkungen. Hier waren die Umsätze in der letzten Saison dramatisch eingebrochen, viele griechische Urlauber waren ausgeblieben. Die konnten sich einen Urlaub auf einer ihrer eigenen Inseln nicht mehr leisten, und deren Geld fehlte nun vielen Hotel- und Pensionsbesitzern ebenso wie dem örtlichen Handel.
Nachdem Ende Oktober die letzten Touristen Paros verlassen hatten, gab es kein anderes Thema mehr als die wirtschaftlichen Probleme, und Katharina war froh, einen krisensicheren Job bei der Polizei in Parikia zu haben. Den Arbeitsplatz hatte sie ihrem langjährigen Freund Adonis zu verdanken, der sie nach ihrem Diensteinsatz im Mai des vergangenen Jahres als seine Nachfolgerin vorgeschlagen hatte. Jetzt war sie die Leiterin der hiesigen Polizeibehörde auf Paros und konnte es endlich etwas gemächlicher angehen lassen. In den ersten Monaten hatte sie sich regelrecht zur Ruhe zwingen müssen. Zu lange war sie der ständigen Hektik des Athener Kommissariats ausgesetzt gewesen. Als sich im Spätherbst der Inselalltag mehr und mehr beruhigte, spürte Katharina, dass sie langsam angekommen war. Adonis hatte sich während der ersten zwei Monate fast täglich auf der Polizeistation blicken lassen, um sie in ihrer neuen Aufgabe zu unterstützen. Mittlerweile erfreute sich der Ex-Polizist seines wohlverdienten Ruhestandes. Vom Kollegenkreis in Paros war die neue Kommissarin mit viel Respekt aufgenommen worden; den hatte sie sich im letzten Jahr durch die schnelle Aufklärung des spektakulären Mordfalls Jannis Kostatídis erworben.
Jetzt saß sie gedankenversunken in ihrem alten Schaukelstuhl und genoss die wohligen Sonnenstrahlen, während ihr Blick stolz zu der offenen Küche schweifte. In diese hatte sie die meiste Zeit investiert, für Katharina war es der wichtigste Raum im ganzen Heim. Nicht, dass die Küche der Vorbesitzerin zu alt gewesen wäre. Sie hatte ihr einfach nicht gefallen, und so hatte sie sich eben eine neue gebaut, ganz nach ihren Wünschen und Vorstellungen.
Hätte sie zur Miete gewohnt, wäre eine solche Investition niemals in Frage gekommen. Aber die damalige Hauseigentümerin Stella Koutzári hatte ihr einen so günstigen Kaufpreis angeboten, den Katharina einfach nicht ausschlagen konnte. Und wie ein Glücksfall war ihr die Empfehlung Adonis' in den Schoß gefallen, den österreichischen Schreiner Dawid mit dem Neubau der Küche zu beauftragen. Der hatte sich als veritable menschliche Ideenschmiede entpuppt. Gemeinsam mit dem kreativen Handwerker hatte sie über den Winter eine neue Wirkungsstätte geschaffen, in der sie nun kulinarische Orgien veranstalten konnte. Endlich kochen können für viele Gäste, mit Gemüse und Kräutern aus dem eigenen Garten - wie oft hatte sie sich das gewünscht, als sie noch in dem beengten Athen wohnte.
Inspiriert durch einige Fachmagazine war ein Raum entstanden, in dem sie für ihr Leben gern verweilte. Mit fast zwanzig Quadratmetern bot die Küche genug Raum für eine großflächige Kochinsel, in die sie einen Gas- und einen Elektroherd hatte einbauen lassen; und es reichte noch für einen Tisch zum Essen in kleiner Runde. Für größere Einladungen hatte sie ihren alten...
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