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KATHARINA WALDMANN
AMBELAS, PAROS, JUNI 2014
Katharina Waldmann massierte sich ihren rechten Oberarm, wie jeden Morgen gleich nach dem Aufstehen, das hatte Dr. Spanopoulos ihr so geraten. Die Schusswunde war zwar gut verheilt nach nunmehr neun Monaten, schmerzte aber immer noch, besonders, wenn sie während der Nacht auf der Seite gelegen hatte. Äußerlich erinnerte nur noch eine kleine Narbe an den folgenschweren Einsatz nahe Lefkes, dem kleinen Bergdorf im Innern der Insel, der sie um ein Haar ihr Leben gekostet hätte. Die Verletzungen in ihrer Seele waren aber weitaus größer, auch wenn man ihr das nicht ansah, denn der Vorfall an der alten Zisterne hatte in ihrem Leben einiges durcheinandergewirbelt. Und dann noch der ganze Ärger mit dem Polizeipräsidium in Ermoupoli, in das man sie kurzfristig einbestellt hatte, nachdem sie aus dem Krankenhaus entlassen worden war. Nur ihre guten Beziehungen zum Athener Polizeiapparat hatten sie vor einem Disziplinarverfahren bewahrt. Unverzeihliche Leichtfertigkeit und eine vollständige Fehleinschätzung der Lage hatte man ihr vorgeworfen und sie musste sich zähneknirschend eingestehen, dass ihre Kollegen recht hatten.
Ein solches Verbrechen hatte sie sich auf ihrer geliebten Insel einfach nicht vorstellen können, war ihr verzweifelter Erklärungsversuch gewesen. In Athen ja, aber doch nicht auf Paros. Recht naiv, wie sich im Nachhinein herausgestellt hatte, als ob Verbrechen vor beschaulichen Urlaubsinseln haltmachen würden. Dabei hatte sie den Wechsel von der Leitung der Mordkommission in Athen zur Polizeidienstelle in Parikia genau deswegen angestrebt, um der kriminellen Hauptstadt zu entkommen. Da war sie wohl etwas zu blauäugig gewesen. Katharina hatte noch einmal Glück gehabt und in Zukunft würde sie solche Einsätze einfach besser mit ihrem Team abstimmen. Das hatte sie damals gewarnt; besonders Filippos, ihr Stellvertreter, hatte ihr eindringlich von einem Alleingang abgeraten, aber sie hatte sich darüber hinweggesetzt.
Ein Blick auf die Uhr holte sie aus ihren Gedanken. Es wurde höchste Zeit, wenn sie pünktlich auf der Dienststelle erscheinen wollte. Zur Dienstbesprechung um acht hatte sie ihre gesamte Mannschaft einbestellt, außer Filippos, den hatte sie ganz bewusst nicht über ihr Treffen informiert. Schon länger drängte ihre Truppe, darüber zu beraten, welches Geschenk sie dem zweiten Mann in der Polizeistation von Parikia zu seiner Hochzeit machen wollten. Das sollte an diesem Morgen besprochen werden. Katharina hatte ihnen ihre Hilfe angeboten, schließlich kannte sie Filippos am besten und sie verband weit mehr als nur ihre gemeinsame Polizeiarbeit. Sie selbst hatte sich für ein eigenes, ganz spezielles Geschenk entschieden, das war ihrer besonderen Rolle bei der Hochzeit ihres Stellvertreters geschuldet. Zwei Monate war es her, als er sie in einem vertraulichen Gespräch mit der Botschaft überrascht hatte, seine Liebschaft Irini heiraten zu wollen, verbunden mit der Bitte ihm einen großen Gefallen zu erweisen. Erst hatte sie an einen Scherz geglaubt, Filippos als treuseligen Ehemann, das konnte sie sich beim besten Willen nicht vorstellen. Er hatte sich in seiner ersten Zeit auf Paros von einem Abenteuer ins nächste gestürzt, nachdem sie ihn aus der Athener Mordkommission zu sich auf die Insel geholt hatte. Er hatte nichts anbrennen lassen und es gab Zeiten, da konnte sie sich die ganzen Namen seiner Errungenschaften nicht mehr merken.
Diesmal meinte er es ernst, und freudig überrascht hatte sie spontan zugesagt, ohne auch nur einen Gedanken daran zu verschwenden, seine Bitte abzulehnen. Erst später war ihr langsam bewusst geworden, was da auf sie zukam. Seitdem war Filippos vollends mit der Planung beschäftigt, und auch die Kommissarin hatte reichlich mit den Vorbereitungen zu tun. Eine Menge Arbeit für das junge Glück, obwohl das Fest in Zeiten der Krise nach ihren Vorstellungen etwas kleiner ausfallen sollte. Doch seine Schwiegereltern hatten auf eine typisch griechische Hochzeit bestanden und die kommen ja bekanntlich einem Volksfest gleich. Das Fest sollte in Naoussa stattfinden, die Trauung selbst, nahe des Monastiri-Strandes vor der idyllischen Kapelle, an der während der Sommermonate zahlreiche Brautleute aus der ganzen Welt ihren Bund fürs Leben schlossen. Die Kommissarin kannte die kleine Kirche Agios Giannis, die nach der Halbinsel Ai Giannis Detis benannt war und direkt neben dem recht neuen Paros Park Museum auf einer Anhöhe zwischen den Felsen thronte. In dem Museum fand eine ständige Ausstellung über die Zeit des russisch-türkischen Krieges in den Jahren 1770-1774 statt, während der die Insel von russischen Truppen besetzt war. Schon einmal war sie dort zu einer Hochzeit eingeladen worden, noch zu der Zeit, in der sie ihre Ferien auf Paros verbracht hatte. Der Sohn ihres Vorgängers, Adonis Georgidis, hatte sich hier trauen lassen, einige Jahre bevor sie den Job seines Vaters übernommen und die Leitung der Polizeistation in Parikia bekommen hatte. Mit Wohlwollen erinnerte sie sich an die liebevoll hergerichtete Kapelle und den malerischen Vorplatz, einen schöneren Ort zum Heiraten konnte sie sich nicht vorstellen. Glücksgefühle durchliefen jedes Mal ihren Körper, wenn sie daran zurückdachte, und dieses Mal würde sie an der Hochzeit nicht nur als Gast teilnehmen, sondern eine ganz besondere Rolle ausüben. Filippos hatte sie tatsächlich gefragt, ob sie seine Trauzeugin werden wolle, wie hätte sie da nein sagen können. Mittlerweile war die Vorfreude ein wenig in Sorge umgeschlagen, nachdem man ihr ausführlich die ganzen Aufgaben einer Koumpara beschrieben hatte. Alle Details waren ihr so nicht bekannt gewesen, als Deutsch-Griechin hatte sie damals in Deutschland geheiratet, eine ziemlich langweilige Veranstaltung im Vergleich zu einer griechischen Hochzeit. Doch die Freude Filippos' Trauzeugin zu werden überwog, irgendwie würde sie das in ihrem vollgestopften Terminkalender schon unterbringen. Katharina empfand es als eine besondere Ehre und es zeigte, wie sehr Filippos ihr verbunden war.
Früher wurde meistens der Taufpate des Bräutigams als Trauzeuge gewählt, da dieser aber oft schon in betagtem Alter war, griffen heutzutage die Brautleute auf gute Freunde zurück. Der zweite Koumparos sollte ein langjähriger Freund von Irini werden, ein orthodoxer Grieche, damit auch der ortsansässige Pope nichts zu meckern hatte. Schließlich war Katharina wegen ihres deutschen Vaters Katholikin.
Wie schnell die Zeit verflogen war, nun leitete sie bereits seit drei Jahren die Dienststelle in Parikia und ihr Leben hatte sich seitdem vollkommen zum Besseren entwickelt. Weg aus dem dunklen Athen, das seit der Krise immer hässlicher geworden war, hin auf ihre Wunschinsel. Jetzt hatte sie einen neuen Job, ein neues Zuhause und einen neuen Mann an ihrer Seite. Ohne Dawid hätte sie die letzten Monate wohl kaum so gut gemeistert.
Die Schmerzen in ihrem Oberarm holten sie in die Realität zurück, damit würde sie wohl noch eine ganze Weile zu kämpfen haben. Ein Zustand, der nicht schön aber durchaus verkraftbar war, hatte die einheimische Bevölkerung in diesen Zeiten doch ganz andere Probleme zu bewältigen.
Die anhaltende Krise, mittlerweile auch auf Paros durchaus spürbar, verlangte von ihnen immer größere Opfer. Zwar längst nicht so stark wie in den großen Städten, weil die meisten Inselbewohner sich besser helfen konnten, doch es prägte ihren Alltag und die anfängliche Wut auf ihre Regierung und die Troika war vielfach in Lethargie umgeschlagen. Zum Glück besaßen die meisten Inselbewohner eigenes Land, auf dem man genug Obst und Gemüse zur Selbstversorgung anbauen konnte. Ein paar Hühner und Kaninchen rundeten den täglichen Speiseplan ab.
Die Kommissarin machte sich auf den Weg zu ihrer Arbeitsstelle, eine zwanzigminütige Fahrt, von Ambelas ganz im Norden der Insel bis in die Hauptstadt Parikia. Ein Katzensprung, wie sie nach vielen Jahren in den ständig verstopften Straßen von Athen befand.
Sie war schon ganz gespannt, welche Geschenkvorschläge ihr Team sich für Filippos überlegt hatte, der mittlerweile von der gesamten Mannschaft als ihr Stellvertreter akzeptiert wurde. Das hatte einiger Zeit bedurft: Takis, der dienstälteste Kollege in der Truppe, hätte diesen Job nach Katharinas Antritt liebend gern für sich in Anspruch genommen. Die Kommissarin hatte anders entschieden, nicht nur um etwas frischen Wind in die behäbigen Strukturen der Dienststelle zu bekommen, sie wollte auch ein Zeichen setzen.
Naoussa lag bereits hinter ihr, durch das offene Fenster drang ein laues Lüftchen, der Tag versprach heiß zu werden. In wenigen Minuten würde sie den geschäftigen Ortseingang von Parikia erreichen, von dort legte sie den Rest der Strecke entlang des Hafens, vorbei an der alten Windmühle, bis zur Polizeistation im Schritttempo zurück. Xenia, die gute Seele der Behörde, wartete schon mit einem frisch zubereiteten Frappé, ein gelungener Start in den Tag. Ihr Team bestand neben den beiden Frauen noch aus drei weiteren Beamten: Takis, Konstantinos und Spyros, alle schon im Dienst unter ihrem Vorgänger Adonis Georgidis. Dazu kam noch Filippos, den sie nach kurzer Zeit aus ihrer früheren Abteilung - der Mordkommission in Athen - zu sich nach Paros geholt hatte. Er war ihr bis heute dankbar dafür. Und nicht nur für den Job, schließlich hatte er dank des Umzuges seine zukünftige Frau kennen gelernt.
»Wie wär's mit einem Wochenende in Paris oder Barcelona?« Xenia wartete mit einem ersten Vorschlag auf, nachdem sie sich alle in dem kleinen Besprechungsraum eingefunden hatten.
»Irini hat mehrfach davon gesprochen, sie will dort unbedingt...
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