Schweitzer Fachinformationen
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"Gift: Stoff, der, wenn er in die Säftebahn eines Menschen oder Tieres gelangt, schon in kleiner Menge die Tätigkeit einzelner Organe schädigt und dadurch krankhafte Zustände oder den Tod verursacht." Was tun, wenn man als ältere Dame von drei jungen Männern verfolgt wird, die einem nach dem Leben trachten? Linnea Ravaska hat endlich genug davon, sich von ihrem zwielichtigen Neffen tyrannisieren zu lassen. Sie beschließt, sich zu wehren - und zwar bis zum bitteren Ende ...
Es ist alles bereit bei den Minardis. Signora Lea hat den Bildschirm mit Alkohol geputzt, das Hochzeitsbild auf den Apparat gestellt und den Schonbezug vom Sofa genommen, das jetzt in einem Wirbel von Sonnenblumen erstrahlt. Sie hat eine Schale mit Salzstangen hingestellt, dazu einen Panettone – dabei ist gar nicht Weihnachten –, britischen Whisky und für die Kinder Limonade. Sie hat die Blätter des Gummibaums poliert, und auf den kleinen Glastisch hat sie die schönsten Stiefmütterchen gestellt. Ihre drei Kinder schauen ihr zu, wie sie kontrolliert, ob alles in Ordnung ist, sich dabei die Dauerwelle rauft und mit ihren Absätzen über den frischgebohnerten Boden klackert. Nie haben sie ihre Mutter zu Hause in etwas anderem gesehen als in Pantoffeln.
Auch die drei Kinder sind bereit.
Patrizio, zwölf, sitzt auf dem Sofa. Er trägt seinen liebsten Trainingsanzug, den feuerroten, und eine Baseball-Kappe der Minneapolis Killing Beavers.
Lucilla, sieben, steckt in einem mit Baby-Triceratopsen gemusterten Pyjama. Im Arm hält sie ihre schwangere Barbie-Puppe.
Das kleine Hosenscheißerchen, zwei Jahre, ist in seinem Kinderstühlchen und in einem superdick gefütterten Overall eingezwängt, in dem er gerade noch drei Finger und, wie eine Prothese, einen Löffel bewegen kann. Mama hat ihn mit Kodein-Sirup ruhiggestellt, damit er den anderen nicht auf die Nerven fällt.
Es klingelt: Mariella, die Nachbarin, und ihr Mann Mario stehen vor der Tür, sie haben Pralinen mitgebracht und Eis, das gleich in den Tiefkühler kommt, damit es nicht schmilzt.
Mario, zur Feier des Tages mit Jackett und Krawatte, begrüßt die Kinder und drückt Patrizio energisch die Hand.
»Na, Champion, stolz auf deinen Papa?«
»Na ja …« meint Patrizio.
»Schicke Frisur«, sagt Mariella zu Lea, »wir haben uns hübsch gemacht, was? Na, ist ja auch kein Tag wie jeder andere.«
»Wenn man so will …« meint Lea.
»Wann geht die Sendung los?«
»So in fünf Minuten.«
»Dann können wir ja anmachen.«
»Ich nehm die Fernbedienung«, sagt Lucilla.
»Lucilla, spiel dich nicht auf.«
»Bei Papa darf ich immer …«
Auch Signor Augusto Minardi ist aufgeregt in diesem Moment. Er hat zum Abendessen ein ausgezeichnetes Risotto mit Trüffeln zu sich genommen, und nun liegt er ausgestreckt auf einer Pritsche und versucht, sich zu entspannen.
»Hoffentlich gebe ich eine gute Figur ab«, denkt er.
»In fünf Minuten sind Sie dran«, ertönt eine Stimme von draußen.
»Verdammt«, denkt Signor Minardi, »ich hab vergessen, mir die Zähne zu putzen. Am Ende ist das auf dem Bildschirm zu sehen.«
»Die Hausmeistersfrau hab ich nicht eingeladen«, sagt Signora Lea, während sie eine Mandelpraline kaut, »aber nicht, weil ich mich für was Besseres halte, das nicht, sie ist nur so ein Klatschmaul, und am Ende tratscht sie überall herum, was sie bei uns heute abend mitbekommt. In manchen Situationen vertraut man eben nur seinen besten Freunden.«
Mariella nimmt sie liebevoll bei der Hand.
»Das hast du völlig richtig gemacht«, sagt sie, »Augusto kann sie sowieso nicht leiden.«
»Hättest du nie gedacht, daß du deinen Papa mal im Fernsehen siehst, was, Champion?« fragt Mario und setzt sich neben Patrizio auf das Sofa.
»Nein, wirklich nicht …«
»Aber Papa war schon mal im Fernsehen«, wirft Lucilla ein, »bei einer Demonstration, aber er war nur kurz zu sehen, und außerdem hat es geregnet, und er war halb von einem Regenschirm verdeckt.«
»Stimmt, stimmt, ich erinnere mich«, sagt Mario, »ich war auch bei der Demonstration.«
»Im Fernsehen warst du aber noch nie?« fragt Patrizio.
»Ich nicht, aber mein Bruder. Sie haben ihn mit der versteckten Kamera gefilmt, als er sich im Stadion geprügelt hat, mehr als zwei Minuten lang war er zu sehen, mit der Fahne in der Hand, leider hat er voll eins in die Fresse gekriegt, der Blödmann …«
»Löötmann …« lacht das Hosenscheißerchen sabbernd.
»Mario, bitte, paß auf, was du sagst! Wenigstens heute …« weist ihn seine Frau zurecht.
Signor Augusto geht einen langen Korridor entlang, auf den Raum mit dem roten Lämpchen zu. Ganz hinten sieht er eine Kamera, die auf ihn gerichtet ist.
»Sind wir schon auf Sendung?« fragt er.
»Nein«, sagt sein Begleiter, »aber die Aufnahmen werden vielleicht hinterher noch verwendet …«
»Schau an. Wie wenn sie im Umkleideraum filmen, vor dem Spiel.«
»So in der Art«, lächelt der andere. »So, jetzt sind wir live auf Sendung.«
Augustos Erscheinen auf dem Bildschirm wird im Hause Minardi mit großem Applaus begrüßt, und auch mit der einen oder anderen verstohlenen Träne.
Patrizio kann nicht mehr stillsitzen und hüpft auf dem Sofa herum. Lucilla kaut an ihrer Barbie. Signora Lea hat ganz glänzende Augen.
»Schau mal, wie ruhig er ist«, sagt Mariella, »als hätte er sein Leben lang nichts anderes gemacht. Richtig gut sieht er aus.«
»Stimmt. Er hat sich das Haar nach hinten gekämmt, ganz wie ich ihm gesagt hatte.«
»Na, da wird er ja einen Haufen Briefe von Verehrerinnen bekommen«, sagt Mario. Seine Frau quittiert die Bemerkung mit einem tadelnden Blick.
»Da, jetzt setzt er sich hin. Sieh mal, was für eine schöne Nahaufnahme!«
»Augusto, mein Alter!« sagt Mario ein wenig gerührt, »wer hätte das gedacht!«
»O nein«, stöhnt Mariella, »ausgerechnet jetzt Werbung!«
»Bin ich auf Sendung?« fragt Augusto.
»Im Augenblick nicht«, sagt der Techniker, »erst laufen noch dreißig Sekunden Werbung. Dann kommt der Sprecher und sagt uns an, danach haben wir drei Minuten, um alles vorzubereiten, und dann geht es los. Lampenfieber?«
»Klar, natürlich. Sie nicht?«
»Fast keins mehr. Ist schließlich mein Job«, lächelt der Techniker.
Die Werbung ist vorbei. Auf dem Bildschirm erscheint das ernste Gesicht des Sprechers.
»Liebe Zuschauer, wir sind direkt mit dem Zuchthaus San Vittore verbunden für die Übertragung der ersten gerichtlich verfügten Endprozedur in unserem Land. Der Anlaß mag für einige wenige ein trauriger sein, aber er ist von großer Bedeutung für unsere demokratische Entwicklung. Sie sehen gegenwärtig den Verurteilten, Augusto Minardi; er sitzt sozusagen im Vorzimmer des Endraums. Hier wird er eine Beruhigungsspritze erhalten, bevor die Prozedur beginnt.«
»O Gott«, sagt Lea.
»Was ist?«
»Augusto hat so eine schreckliche Angst vor Spritzen …«
»Muß das wirklich sein?« fragt Augusto den Arzt.
»Es ist besser. Es macht Sie ein bißchen benommen, dann merken Sie so gut wie nichts …«
»Lieber nicht. Kann ich mich auch weigern?«
»Zwingen kann ich Sie nicht.« Der Arzt zuckt mit den Schultern. »Aber denken Sie dran, ich bin’s nicht, der sich blamiert, wenn Sie da drin durchdrehen …«
»Trotzdem«, beharrt Augusto, »keine Spritze.«
»Und nun müßte die Verbrechensakte vorliegen, die mein Kollege Capacci vorbereitet hat: Er schildert Ihnen die verschiedenen Stationen, die zu diesem schicksalhaften Tag geführt haben«, kündigt der Sprecher an.
»Augusto Minardi, 50 Jahre, früher Textilfacharbeiter, seit nunmehr drei Jahren arbeitslos, nicht vorbestraft, betritt am Morgen des 3. Juli vergangenen Jahres einen Supermarkt am Stadtrand von M. Er ist mit einer Pistole bewaffnet und versucht, die Kasse zu rauben. Die Kassiererin löst ein Alarmsignal aus. Die Wachmannschaft ist sofort zur Stelle. Nach kurzem Schußwechsel sind drei Menschen tot: Der vereidigte Wachmann Fabio Trivella, 43 Jahre, die Kassiererin Elena Petusio, 47, und der Rentner Roberto Aldini, 76.«
»Der zählt nicht«, sagt Lea, »der ist an einem Herzinfarkt gestorben.«
»Ja«, sagt Patrizio, »aber da war noch dieser Träger …«
»Der Wachmann und die Kassiererin erliegen den Schußverletzungen, der Rentner einem Herzinfarkt. Minardi versucht zu fliehen, doch der 23jährige Träger Nevio Neghelli verstellt ihm den Weg. Auch auf ihn schießt Minardi, verletzt ihn allerdings nicht lebensgefährlich.«
»Jetzt stimmt’s«, stellt Patrizio fest.
»Minardi wird wenig später in einem Video-Spielsalon festgenommen. Zwei Monate darauf findet ein Live-Schnellverfahren statt, bei dem Minardi zunächst eine lebenslängliche Zuchthausstrafe erhält; doch dann wird in Anwendung des neuen Gesetzes vom 16. Oktober das Urteil in eine Hinrichtung auf dem elektrischen Stuhl umgewandelt.«
»So weit die Verbrechensakte«, erläutert der Sprecher, »und nun stelle ich Ihnen die Gäste unserer kleinen Diskussionsrunde vor, die während und nach der Prozedur stattfindet. Zunächst einmal begrüßen wir Pater Cipolla, Jesuit und Soziologe.«
»Guten Abend.«
»Dann den Fernsehmeinungsbilder Girolamo Schizzo.«
»Hey!« Patrizio zuckt zusammen, »das ist ja echt Schizzo!«
»Den mag ich nicht, der ist so vulgär«, sagt Lea.
»Dafür ist er einer von denen mit den meisten Fans«, wendet Mario ein.
»Außerdem haben wir hier Senator Carretti von der Opposition, der zahlreiche Änderungsanträge zu dem Gesetz eingebracht hat, und an seiner Seite Paolo Cappellini, er ist Regisseur von Horrorfilmen und verfaßt auch Drehbücher dazu, sowie die Schauspielerin Maria Vedovia...
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