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Was tun, wenn eine liebreizende Elefantendame namens Emilia in Finnland das Licht der Welt erblickt und kein Zuhause hat? Im Zirkus kann sie nicht bleiben, wilde Tiere dürfen nicht mehr zum Gelderwerb gehalten werden. Glücklicherweise nimmt sich Lucia Lucanda des jungen Dickhäuters an und beide begeben sich auf eine ereignisreiche Odyssee. Elefantendame Emilia muss dabei mit allerhand Widrigkeiten kämpfen: dem finnischem Lebensstil, der EU-Gesetzgebung und militanten Tierschützern. Aber über allem lässt Arto Paasilinna die barmherzige Sonne des Humors scheinen...
Ein Elefant wird mit dem Rüssel voran geboren. Genau so gelangte auch das kleine Elefantenmädchen Emilia im Februar 1986 gesund und munter auf die Welt. Es geschah um Mitternacht, im warmen Elefantenstall des Suomi-Zirkus in Kerava. Tierpflegerin Lucia Lucander, alias Sanna Tarkiainen, hatte sich seit dem Abend bereitgehalten, um bei der Geburt zu helfen. Lucia war erst zwanzig, eine sportliche junge Frau, die aus Lemi in Süd-Karjala stammte. Schon als Schulmädchen war sie über einen Ferienjob zum Suomi-Zirkus gekommen und einige Jahre später als feste Mitarbeiterin verpflichtet worden. Sie träumte davon, einmal Zirkusprimadonna zu werden, obwohl sie auch die Tiere wirklich gern hatte.
Lucia hatte warme Decken besorgt, und der Wasserschlauch lag in Reichweite. Die gewaltige Elefantendame Pepita hatte ihr Kleines zweiundzwanzig Monate lang getragen, mehr als doppelt so lange, wie es eine Menschenmutter tut. Pepita hatte in der Zeit mehrere hundert Kilo zugenommen, und ihre Zitzen waren während der beiden letzten Monate vielversprechend angeschwollen. Alles stand zum Besten, und als es auf Mitternacht zuging, begannen die Wehen.
Der Geburtsvorgang dauerte drei Stunden, und im Ergebnis plumpste ein kleiner Elefant aus dem Mutterleib. Eigentlich war er nicht wirklich klein, hatte vielmehr die Größe eines kräftigen Mannes und wog hundert Kilo, aber als Elefant war er eben noch ein Baby. Das Tier war mit flaumigem, rotbraunem Fell bedeckt, der Körper war zart und schmächtig, die Ohren durchscheinend dünn und geädert wie Kohlblätter. Lucia spülte das Elefantenbaby mit warmem Wasser ab, wusch es und trocknete es in den Decken. Keine fünf Minuten später stellte sich das Kleine schon auf die Beine. Zuerst stand es wankend da, aber bald machte es ein paar zielstrebige Schritte. Die Mutter schnaufte und besah sich ihren Nachwuchs, dabei glänzten ihre Augen im schwachen Licht des Stalles. Pepita absolvierte den Vorgang zum ersten Mal. Sie war sehr müde, aber sonst schien alles in Ordnung zu sein. Nach einer knappen Stunde suchte das kleine Elefantenbaby nach den Zitzen der Mutter. Es musste den Rüssel nach oben und dann zur Seite legen, um saugen zu können. Der dreieckige, haarige, hellrote Mund des Kleinen umschloss fest die Zitze. Pepita legte ihren Rüssel auf den Rücken des Babys und zeigte so, dass sie es angenommen hatte.
Pflegerin Lucia Lucander saß auf einem Strohhaufen und beobachtete, wie sich Mutter und Kind schnaubend miteinander vertraut machten. Sie überlegte, welchen Namen sie dem Neugeborenen geben sollte. Da es ein Weibchen war, könnte sie es Emilia nennen, so hieß die Frau des Zirkusdirektors, allerdings wurde sie Emmi genannt.
Direktor Werneri Waistola erhob sich von seiner Lagerstatt neben Emmi und kam in den Stall, um den Neuankömmling zu begrüßen, unter dem Arm trug er eine Champagnerflasche. Werneri zog aus den Taschen seiner Pyjamajacke zwei Gläser, und dann stieß er mit Lucia zünftig auf das Wohl des Elefantenbabys an.
Emilia saugte in einstündigem Abstand begierig Pepitas Milch in sich hinein und begann zu wachsen, sie nahm ein Kilo pro Tag zu. Nach zwei Wochen klaubte sie zum ersten Mal mit ihrem Mund Körner und Kotfladen ihrer Mutter vom Boden. Pfui, aber der unverdaute Dung enthielt wertvolle Mineralien. Im Alter von vier Monaten nahm sie bereits täglich feste Nahrung zu sich, hauptsächlich Halme und gekochte Kartoffeln, und im Sommer bekam sie frisches Heu. Als sie ein halbes Jahr alt war, fraß sie dasselbe wie die erwachsenen Elefanten. Lucia begann, ihr die ersten Kunststücke beizubringen. Emilia musste still dastehen und mit dem Rüssel einen langen Stab halten, an dessen Ende die finnische Fahne befestigt war. Wenn sie dann den Kopf schwenkte, begann die Fahne zu wehen, und die Zuschauer riefen hurra und applaudierten der angehenden Künstlerin.
Emilia hatte als kleines Elefantenkind Schwierigkeiten. Sie konnte nicht mit dem Rüssel trinken, sondern musste sich vor dem Wassereimer auf die Knie niederlassen und das Wasser mit dem Mund herausschlürfen. Eine schwierige Angelegenheit, aber nach vielen Versuchen begriff sie schließlich, dass das Trinken mit dem Rüssel bequemer war. Sie saugte ihn voll Wasser, hob ihn dann hoch und ließ das Wasser in den Mund rinnen. Es war letztlich ganz einfach.
Emilia lernte, den Rüssel auch für andere Dinge zu benutzen, er war wie der Arm eines geschickten Menschen. Mit dem Rüssel konnte man schwere Gegenstände transportieren, aber er war auch sensibel genug, dass man damit winzige Heuhalme auflesen oder eine Spinne aus ihrem Netz saugen konnte.
Als Emilia sieben Monate alt war, trat in Finnland ein neues Gesetz in Kraft. Ach, welch ein Elend! Am 12. September 1986 geschah es. Wilde Tiere durften nicht mehr zur Schau gestellt werden, nicht einmal im Zirkus. Man durfte keinen Nutzen aus ihnen ziehen, nicht an ihnen verdienen. Das bedeutete die Vertreibung der Elefanten aus diesem nordischen Land. Viele altersschwache Dickhäuter wurden geschlachtet, der Rest wurde an Länder verkauft, in denen kein entsprechendes Verbot galt, sodass sie in ihren letzten Lebensjahren dort noch auftreten konnten. Es war dasselbe, wie wenn man alte Schauspieler aus menschenfreundlichen Gründen in Rente geschickt hätte. Bei den Elefanten nannte sich das Tierschutz, denn sie sind ja keine Menschen, wenngleich in jeder Hinsicht Charakterdarsteller.
Nun lebte aber in diesem nordischen tierfreundlichen Land die muntere Emilia, deren Pflegerin es nicht übers Herz brachte, ihren Zögling ins Ungewisse zu schicken. Ein einsames Tierkind kann weder im Dschungel noch im Tierpark ohne Mutter überleben. Lucia Lucander alias Sanna Tarkiainen beschloss, ihren willigen Zögling, jetzt bereits tausendzweihundert Kilo schwer, anständig zu erziehen, was ihr auch gelang. Sie kündigte ihren Job als Tierpflegerin beim Suomi-Zirkus und führte ihren Schützling mit sanfter Hand durch die Stürme des Lebens, die die Tierfreunde, an sich mit guter Absicht, verursacht hatten. Besser ein toter Elefant als ein leidender Dickhäuter, das war der Geist der Zeit.
Lucia beantragte beim Ministerium für Land- und Forstwirtschaft eine Sondergenehmigung, die es ihr erlauben sollte, Emilias Künste hin und wieder vor Publikum zu zeigen, doch ihr Antrag wurde abgelehnt. Im Gegenteil, einige Zeitungen nahmen das Thema auf und kritisierten, dass Lucia Lucander, ein ehemaliger Star des Suomi-Zirkus, die Stirn hatte, sich weiterhin als Dompteuse zu betätigen, obwohl es gesetzlich verboten war, Tiere zum Zwecke der Unterhaltung einzusetzen. Zur gleichen Zeit wurde Emilias Mutter Pepita nach Ostdeutschland, an die damalige DDR, verkauft, wo es noch kein Auftrittsverbot für Zirkustiere gab. Lucia bot auch Emilia zum Kauf mit an, aber die wollte man in Ostdeutschland nicht haben. Warum nicht? Als ein Vertreter des staatlichen Zirkus der DDR erschien, um sich Pepita und Emilia anzusehen, verärgerte er Letztere damit, dass er sie mit lauter Stimme auf ihr Strohbett zwang und mit sachkundigen Griffen ihre Geschlechtsorgane und ihr Bauchfell abtastete, um sich über ihren Gesundheitszustand zu informieren. Sowie Emilia wieder auf den Beinen war, drückte sie sich in die Ecke ihres Verschlages und zeigte in jeder Weise, dass sie beleidigt war, unter anderem pinkelte sie den Deutschen an und trompetete einen schrillen Hilferuf in sein Ohr.
Pepita, ein altes erfahrenes Zirkustier, ließ sich hingegen bestens verkaufen. Für Emilia bedeutete das die Trennung von ihrer Mutter; zwar erkannte sie die Tragweite des Ereignisses nicht, dennoch war ihr restliches Leben besiegelt: Sie war jetzt eine Elefantenwaise und hatte, wie es schien, nur eine einzige wirkliche Freundin: Lucia Lucander.
Direktor Werneri Waistola bedauerte das Geschehene. Er konnte Emilia nicht mehr auf die Tourneen mitnehmen, da man sie, dem Gesetz zufolge, nicht länger zum Zwecke des Gelderwerbs vor Publikum vorführen durfte. Als Haustier war sie für einen wandernden Zirkus zu groß, und schließlich erwähnte Werneri noch, dass man dasselbe eigentlich von seiner Frau sagen konnte. Emmi beherrschte so gut wie keine Kunststücke, sie lag nur den lieben langen Tag im Wohnwagen auf dem Sofa und las Klatschblätter, und abends war sie vom Genuss süßen Likörs bereits so betrunken, dass nicht daran zu denken war, sie in die Manege zu lassen, jedenfalls nicht allein. Werneri ließ unerwähnt, dass er, wenn es hart auf hart käme, lieber den Elefanten als seine Frau mit auf Tournee nähme.
Lucia Lucander wandte sich in ihrer Not an Zirkusunternehmen in ganz Europa, aber da es in der Region ein Überangebot an ausgemusterten Elefanten gab, war niemand an der jungen Emilia interessiert. Schließlich kam sie auf die Idee, an den Großen Moskauer Zirkus zu schreiben und hatte sofort Erfolg. In der damaligen Sowjetunion herrschte immer noch ein politischer und moralischer Stillstand, auch wenn so mancher Zeitgenosse bereits große Veränderungen prophezeite.
Kurz und gut, Lucia und Emilia reisten im Zug nach Moskau, wo sie Lohn und Brot im weltberühmten Zirkus dieser Stadt fanden. Große Stars wurden die beiden allerdings nicht: Emilia war zu jung und unerfahren und beherrschte die Gebärdensprache der Elefanten nicht in dem Maße, wie man es erwartete. Und Lucia durfte, entgegen ihren Wünschen, nicht aufs Trapez klettern. Sie hatte nicht die entsprechende Ausbildung, und ohne die war in dem berühmten Zirkus keine Karriere zu machen. Lucia war eine schöne und attraktive Frau, aber ihr Äußeres erregte eher Neid bei den Kolleginnen, und so musste sie sich damit begnügen, zwei Mal pro Abend Emilia zusammen mit den anderen Elefanten...
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