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Kapitel 1
IN DIESEM KAPITEL
Wenn es heißt, jemand steht unter Betreuung oder hat einen Betreuer, wissen die wenigsten Menschen, was das bedeutet. Viele stellen eine rechtliche Betreuung gleich mit einer Entmündigung. Diese Vorstellung geht aus der Vergangenheit und dem früheren Vormundschaftsrecht hervor. Das Wesen der heutigen rechtlichen Betreuung besteht darin, den hilfsbedürftigen Menschen zu unterstützen und dabei das Selbstbestimmungsrecht des Betroffenen zu bewahren. Im Vordergrund stehen Mitbestimmung und Selbstlenkung durch den Betroffenen. Das Verfahren zur Betreuerbestellung ist reglementiert und während der Betreuungsführung finden regelmäßige Kontrollen und Überprüfungen statt.
Wenn ein volljähriger Mensch nicht in der Lage ist, seine Angelegenheiten selbst zu regeln, muss das ein anderer für ihn tun - eine gesetzliche Vertretung. Das bedeutet, eine rechtliche beziehungsweise gesetzliche Betreuung wird für denjenigen eingerichtet, der nicht mehr selbst für sich entscheiden kann. Zu den Aufgaben einer gesetzlichen Vertretung gehören zum Beispiel:
Das Schutzgebot als staatliche Rechtsfürsorge soll für Menschen, die aufgrund einer Krankheit oder ihrer Folgen so stark beeinträchtigt sind, dass sie ihren Alltag nicht mehr sinnvoll bewältigen, gewährleisten, dass sie weiterhin am Rechtsleben teilnehmen können. So sieht es das Betreuungsgesetz vor und so kommt der Staat seiner Fürsorgepflicht nach.
Wie schnell eine Betreuung erforderlich werden kann, zeigt Ihnen folgendes Beispiel: Herr Renner, ein alleinstehender, kinderloser und begeisterter Sportler, ist 51 Jahre alt. Er bricht beim Köln-Marathon, nur wenige Meter vor dem Ziel, zusammen. Der Notarzt stellt fest, Herr Renner hatte einen Schlaganfall. Herr Renner wird im Krankenhaus behandelt und zunächst für mehrere Tage in ein künstliches Koma versetzt. Als Folge des Schlaganfalls diagnostizieren die Ärzte bei Herrn Renner, dass sein Sprachzentrum beschädigt ist. Sowohl das Sprechen als auch das Verstehen sind stark beeinträchtigt. Er hat Schluckbeschwerden und die Nahrungsaufnahme ist für ihn lebensbedrohlich. Herr Renner nimmt sein Umfeld nur noch eingeschränkt wahr, weil auch sein Sehzentrum betroffen ist. Er hat Aufmerksamkeitsstörungen und sein Denkvermögen ist vermindert. Deswegen kann er Sinneseindrücke weder verarbeiten noch filtern, um daraus einen Plan für sein Handeln abzuleiten. Nach einigen Wochen wird Herr Renner aus dem Krankenhaus entlassen.
Die Bewältigung alltäglicher Aufgaben ist ihm unmöglich geworden. Ein Schreiben seiner Krankenkasse, die eine Rehabilitationsmaßnahme bewilligt hat, kann er nicht lesen, weil er keine Brille hat. Arzttermine lässt Herr Renner verstreichen. In seiner Wohnung brennt Tag und Nacht das Licht. Unterstützung erhält Herr Renner durch einen Pflegedienst, der ihn mit Medikamenten versorgt und wäscht.
Die Persönlichkeit von Herrn Renner verändert sich, er reagiert leicht aggressiv, leidet immer häufiger an Unruhe und hat Stimmungsschwankungen. Der Briefkasten quillt über, Rechnungen werden nicht bezahlt, das Konto von Herrn Renner ist nicht gedeckt. Dass er über eine private Unfallversicherung verfügt, die seine bestehende Versorgungslücke ausgleichen und ihm die Situation erleichtern könnte, hat er längst vergessen.
Der Staat ist verpflichtet, das Selbstbestimmungsrecht eines jeden Menschen zu achten und zu schützen, denn es ist wesentlicher Bestandteil der durch das Grundgesetz (GG) geschützten Menschenwürde und Handlungsfreiheit. Das Schutzgebot schließt die Selbstbestimmtheit des Betroffenen bei der Rechtsfürsorge ein und eine Fremdbestimmtheit durch andere weitgehend aus.
Im Gegensatz zum früheren Vormundschaftsrecht von 1992 ist das heutige Betreuungsrecht darauf ausgerichtet, dem betreuten Menschen ein selbstbestimmtes Leben unter Achtung seiner Rechte zu ermöglichen und zu fördern. Wünsche des Betroffenen haben grundsätzlich Vorrang vor objektiven Interessen, solange sie nicht dem Wohl des Betroffenen entgegenstehen.
Das Betreuungsrecht ist gesetzlich geregelt, jedoch nicht in einem einzigen Gesetzbuch, sondern auf viele Gesetze und Gesetzbücher verteilt. Die Bezeichnungen der einzelnen Gesetzbücher lassen nicht unbedingt erkennen, dass es darin um Betreuungsrecht geht. Dass es beim Vormünder- und Betreuervergütungsgesetz (VBVG) um das Thema Betreuung geht, ist klar. Beim Rechtspflegergesetz (RPflG) hingegen deutet nichts darauf hin, dass es in diesem Gesetz um Betreuungsrecht geht.
Eines der wichtigsten Gesetze und Ausgangspunkt für die Einrichtung einer Betreuung ist das Bürgerliche Gesetzbuch (BGB). Sollten Sie es nicht längst getan haben, schaffen Sie sich ein BGB und eventuell auch andere Gesetzessammlungen an. Zwar finden Sie die meisten Gesetzestexte im Internet, doch erfahrungsgemäß ist es sinnvoll, eine aktuelle Ausgabe (die nicht älter als zwei oder drei Jahre ist) in gedruckter Form zu haben. Nun lesen Sie sich die ersten §§ 1896 fortfolgende BGB durch. Diese Vorschriften sind äußerst wichtig für die Einrichtung einer Betreuung. Vor jeder Einrichtung einer Betreuung prüft das Gericht, ob die gesetzlichen Voraussetzungen dafür erfüllt sind.
Gemäß § 1896 BGB muss bei dem oder der Betroffenen eine Hilfsbedürftigkeit festgestellt werden, die auf einer dort genannten Krankheit oder Behinderung beruht. Voraussetzungen sind:
Nur wenn alle Voraussetzungen gegeben sind, wird eine Betreuung eingerichtet. Die weiteren Voraussetzungen des § 1896 BGB sind:
Ein Betreuer wird nicht bestellt, wenn der oder die Betroffene Dinge des täglichen Lebens nicht mehr selbstständig erledigen kann, zum Beispiel sich nicht mehr ankleiden oder den Haushalt verrichten kann. In solchen Fällen reicht die praktische Unterstützung durch einen Pflegedienst oder eine hauswirtschaftliche Hilfe aus. Bei der Betreuerbestellung geht es darum, dass für den Betroffenen auf Dauer eine rechtsgeschäftliche Vertretung erforderlich ist. In § 1902 BGB heißt es, dass der Betreuer den Betreuten in seinem Aufgabenbereich gerichtlich und außergerichtlich vertritt.
Selbst wenn der Pflegedienst so freundlich ist und den Betroffenen bei der Beantragung von Pflegeleistungen unterstützt oder ein Telefonat mit dem Sozialamt führt, so reicht diese Hilfe nur vordergründig aus, gilt aber keinesfalls weiter. Die Hilfe durch einen Pflegedienst reicht nicht für eine rechtsgeschäftliche Vertretung des Betroffenen im Sinne von § 1902 BGB aus. Also nicht, wenn der Betroffene
Diese Angelegenheiten kann kein Pflegedienst oder eine freundliche Nachbarin entscheiden, sondern hierfür ist eine rechtliche Vertretung notwendig. Möglich ist auch, dass eine Vertrauensperson des Betroffenen eine Entscheidung trifft. Das bedarf jedoch einer Vorsorgevollmacht, die der Betroffene zuvor, in »gesunden Tagen« ausgestellt hat.
Die Betreuungsanordnung erfolgt in einem gerichtlichen Verfahren und nicht willkürlich oder einfach so, beliebig. Aus dem Inhalt der Aussage des § 1896 Absatz 1a BGB ergibt sich dazu Folgendes:
Der Betroffene ist zu jedem Zeitpunkt verfahrensfähig und kann sich gegen...
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