Schweitzer Fachinformationen
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Im Kampfgelände beiderseits der Maas war auch gestern die Gefechtstätigkeit sehr lebhaft. Gegenangriffe gegen die von uns genommenen französischen Stellungen südlich des Forgesbaches zwischen Haucourt und Béthincourt brachen verlustreich für den Gegner zusammen. Die Zahl der unverwundeten Gefangenen ist hier um 22 Offiziere, 549 Mann auf 36 Offiziere, 1231 Mann, die Beute auf 2 Geschütze, 22 Maschinengewehre gestiegen.
Deutscher Heeresbericht vom 11. April 1916
Sie näherten sich dem Kampfgebiet. Die Dörfer und Städte, durch die die Bahnstrecke führte, waren vielfach zerstört. Von Pionieren waren nahezu alle Kirchtürme gesprengt worden, da sie vielfach der feindlichen Artillerie als Zielpunkte gedient hatten. Den Rest hatten französische und deutsche Artillerieschläge weitgehend vernichtet, manche Dörfer waren dem Erdboden gleichgemacht worden.
Es war bereits Abend und es dunkelte schon, als der Zug endlich das Ziel erreichte. Auf der Strecke hatte es Schwierigkeiten gegeben. Mehrfach war das Gleisbett über Kilometer hinweg durch Bäche oder Regen unterspült worden und abgesackt. Mehr als zwei Stunden dauerten die Reparaturen. Und auch danach konnte der jeweilige Abschnitt nur in Schritttempo passiert werden. Sie verließen den Zug. Vom Westen her war wieder das Grollen der Geschütze zu hören, Brandgeruch lag in der Luft. Einen Bahnhof gab es nicht mehr, um sie herum war nur ein riesiges Trümmerfeld.
Die Stadt Étain war seit der Schlacht bei Longwy im August 1914 von deutschen Truppen besetzt. Da der Ort weitgehend durch Beschuss zerstört worden war, selbst der Friedhof war von Granaten durchwühlt, hatten sich die verschiedenen Verbände in den angrenzenden Wäldern eingerichtet. Feldlager entstanden und die umliegenden Bauernhöfe wurden zu Stützpunkten ausgebaut. Diese und die Lager verband ein umfangreiches Feldbahnnetz. Der Lagerbereich selbst erstreckte sich über ein breites Waldgebiet. Eine Anhäufung von Gebäuden, die feindlichen Ballon- oder Flugzeugbeobachtern aufgefallen wäre, konnte so vermieden werden. Die Baumgipfel schirmten die Sicht nach oben ab.
Nach den schweren Kämpfen der letzten Wochen war es schwierig, sich ein Bild von der realen Truppenverteilung in der Region zu machen. Den Angriff gegen Verdun, die »Operation Gericht«, hatte die 5. Armee mit insgesamt 50 Divisionen und rund einer halben Million Soldaten begonnen. Seit jenem folgenschweren Tag im Februar hatte sich die Zusammensetzung der Truppen allerdings sehr verändert. Verbände hatten sich aufgrund der hohen Verluste nahezu aufgelöst oder waren umgruppiert und verlegt worden. Man hatte andere hinzugezogen und als Nachschub herangeführt. In Étain beziehungsweise in den Ruinen, die noch von der Stadt übrig waren, traf Wedigo auf das 7. Westpreußische Infanterie-Regiment Nr. 155 unter der Führung Major Preuskers. Er meldete sich bei dem Stellvertreter, Hauptmann Steulmann, der ihn kameradschaftlich begrüßte und seinen Regimentsfeldwebel beauftragte, für Wedigo, Paulsen und Schneidmann eine Unterkunft zu beschaffen. Eine kurze Anweisung genügte und zehn Minuten später waren sie in ihrem Waldquartier. Der Hauptmann richtete sich mithilfe seines Burschen rasch ein und begab sich dann zum »Notkasino« des Regiments, einer einfachen Baracke, wohin ihn Steulmann auf einen Begrüßungstrunk eingeladen hatte. Der hoch gewachsene Offizier war ihm auf den ersten Blick sympathisch. Er hatte seine Leute gut im Griff, ohne herrschsüchtig oder herablassend zu sein. Zudem schien Steulmann ein offenes Wort zu schätzen und keine Scheu vor Fragen zu haben. Das Notkasino war für die Frontverhältnisse gut ausgestattet. Es gab mehrere Sofas und Sessel, gepolsterte Stühle und Tische. Eine breite, auf Holzböcke gelegte Tafel diente als Bar. Die beiden Offiziere setzten sich an einen der Tische. Eine Ordonnanz brachte das Abendessen, dazu eine Flasche Wein und Gläser.
»Was führt Sie an die Front, Kamerad von Wedel?«, wandte sich Steulmann an Wedigo, wobei er ein Glas füllte und ihm reichte. »Trinken Sie nur, ein roter Bordeaux, erbeutet aus dem hiesigen Pfarrhaus wie die übrige Einrichtung auch.« Er machte eine umfassende Geste. »Sozusagen neben den Weibern das Beste, was der Franzmann zu bieten hat. Ansonsten entspricht das Essen hier wohl weniger Ihren Vorstellungen. Kartoffeln, Steckrüben und ab und zu ein wenig Schweinebraten. Und ich fürchte, es wird noch schlimmer.«
Wedigo betrachtete den Teller. Was dort lag, sah wirklich nicht besonders ansprechend aus.
»Der direkte Truppeneinsatz wird es wohl nicht sein«, nahm Steulmann seine Frage wieder auf. »Sie wirken mehr wie ein Inspizient. Sollen Sie etwa den hohen Herren im Hauptquartier Bericht erstatten?«
»Ich werde sicher mit einigen höheren Dienstgraden zu tun haben«, antwortete Wedigo ausweichend. »Vorerst suche ich allerdings nach Hinweisen auf Hauptmann von Jacobi. Er stand in direktem Kontakt mit Berlin, wo man seit dem 29. März nichts mehr von ihm gehört hat.«
»Hauptmann von Jacobi«, wiederholte der Westpreuße. »Ein mutiger Mann, stets in vorderer Stellung und immer sehr neugierig.«
»Das musste er auch sein, denn Hauptmann von Jacobi sollte gewisse Probleme aufklären«, erwiderte Wedigo. Er ging davon aus, dass Steulmann der Sachverhalt längst bekannt war.
»Sie meinen die Sabotageserie«, stellte dieser fest, schob seinen Teller zur Seite und nahm einen Schluck aus seinem Glas. »Eine ziemlich üble Geschichte. Erstens das Geschehen als solches. Und dann, dass man nicht weiß, wer dahinter steckt und die eigenen Kameraden verrät.«
»Könnten es nicht die Franzosen oder Engländer sein? Oder hier verbliebene Einwohner?«
»Wir hatten zu Beginn des Krieges einige Probleme mit der hiesigen Bevölkerung. Mehrfach wurden von Étain aus den französischen Linien Lichtzeichen und Signale gegeben, die das Granatfeuer aus Verdun auf die Stadt lenkten. Nachdem wir einige Männer auf frischer Tat ertappten, an die Wand stellten und standrechtlich erschossen, endete der Widerstand. Nein, ich glaube nicht, dass von den Einwohnern jemand so etwas noch wagt. Die Mehrzahl dieser heimtückischen Akte wurde auch direkt an der vordersten Front begangen. Dort kommt kein Zivilist hin.«
»Und feindliche Späh- oder Stoßtrupps?«
»Auf der gesamten Frontlinie und im Hinterland? Das ist in dieser Breite unmöglich. Die Sabotage muss aus den eigenen Reihen kommen!«
»Hatte Hauptmann von Jacobi einen konkreten Verdacht?«, forschte Wedigo.
»Da müssten Sie ihn schon selbst fragen«, sagte Steulmann und erhob sich. »Für meine eigenen Leute wenigstens lege ich die Hand ins Feuer. Jetzt entschuldigen Sie mich, ich muss mich um die Fourage kümmern.«
Eine durchsichtige Ausrede, Steulmann wurde der Inhalt ihres Gespräches einfach unangenehm. Auch andere würden versuchen, seinen Fragen auszuweichen. Doch damit musste sich ein »Inquisitor« abfinden, dachte Wedigo. Vielleicht war er aber auch so etwas wie ein Kriminalist - ähnlich seinem alten Bekannten Kommissar Gennat. Nun, so ganz passte der Vergleich wohl nicht. Aber Gennats Methode der Deduktion konnte ihm unter Umständen nützlich sein. Sie stützte sich allerdings auf eine gewisse Materialfülle; bevor man Schlüsse zog, mussten Fakten eruiert und gesammelt werden. Wedigo leerte sein Glas und erhob sich. Am besten, er machte sich erst einmal mit der Umgebung vertraut. Schneidmann konnte parallel mit der Nachforschung nach Jacobi beginnen. Und er selbst würde sich bei der ersten Gelegenheit an die vorderste Front begeben, dorthin, wo der Vermisste am häufigsten gewesen war.
Der Offizier kehrte in sein Quartier zurück. Vor dem Eingang erwartete ihn bereits der Feldwebelleutnant. Neben ihm stand ein Mann, in dem Wedigo Feldwebel Wierczoch, den früheren Bataillons-Tambour des I. Bataillons seines alten Garderegiments, erkannte. Der Unteroffizier strahlte, als er ihn sah. »Sie sind es wahrhaftig, Herr Hauptmann. Dass Sie am Leben sind, ein wahres Wunder!«
Wedigo brachte es nicht übers Herz, dem Mann seine neue Identität als Vetter Hermann zu verkaufen, zumal dieser ihn erkannt hatte. Wierczoch war bereits in Friedenszeiten stets ein guter Unteroffizier gewesen. In den ersten Gefechten dann hatte er sich als aufrechter, tapferer Soldat gezeigt, der loyal zu seinen Vorgesetzten stand. Auch war es sicher nützlich, einen Verbündeten zu haben, jemanden, der sich mit den hiesigen Verhältnissen gut auskannte. Wedigo sah sich um, niemand war in der Nähe, der ihr Gespräch hören konnte. »Hören Sie, Feldwebel«, sagte er mit gedämpfter Stimme. »Mein Tod ist eine >Tatsache<, aus bestimmten Gründen bleiben wir dabei. Ich bin Hermann von Wedel vom Leib-Grenadier-Regiment Nr. 8 in Frankfurt/Oder. Das werden Sie gegenüber jedem, der Sie fragt, bestätigen. Im Übrigen freue ich mich, Sie zu sehen, und gratuliere zur Ihrer Beförderung zum Feldwebel!«
»Danke, Herr Hauptmann. Herr Hauptmann sind jetzt Grenadier, ich habe verstanden. Sicher geht es um eine geheime Angelegenheit, Herr Hauptmann waren ja schon früher mit derartigen Dingen beschäftigt, so wurde jedenfalls im Regiment gemunkelt. Wenn ich Herrn Hauptmann helfen dürfte, das wäre famos. Ich habe nahezu alle Hefte >Aus den Geheimakten des Welt-Detektivs< gelesen. >Mord im Harem< oder >In der Anarchistenloge< zum Beispiel.«
»Um einen Harem wird es schwerlich gehen«, antwortete Wedigo lachend. »Mit den Anarchisten könnten Sie eher ins Schwarze getroffen haben, Wierczoch.« Dann wandte er sich, wieder ernst geworden,...
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