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Helsinki 2028: Bei einem Staatsempfang wird die finnische Ministerpräsidentin von einem Scharfschützen aus dem Hinterhalt erschossen. Die politische Lage im Land hatte sich schon zuvor zugespitzt, als die Regierung Flüchtlinge auf einer stillgelegten Kreuzfahrtfähre interniert hatte. In dieser dramatischen Lage kehrt Leo Koski, der Ex-Ministerpräsident, nach Helsinki zurück, zunächst nur als Spielball mächtiger Männer. Doch bald erkennt er, dass ein Staatsstreich geplant ist. Und den muss er mit allen Mitteln verhindern!
Heute ist der Tag.
Sara Hegering korrigierte ihre Haltung auf dem unbequemen Plastikstuhl. Sie spürte, wie ihre Hände feucht wurden, obwohl die Temperatur in der riesigen Industriehalle kaum über dem Gefrierpunkt lag. Zwei Jahre lang hatte sie auf diesen Tag gewartet, hatte sich Menschenunmögliches abverlangt, ihre wahre Identität ausgeblendet.
Heute ist der Tag, für den ich mich in ein Monster verwandelt habe.
Sara betrachtete die sieben Männer, die hier mit ihr auf den Stühlen saßen, die an einer Seite der matt erleuchteten Halle in einer Reihe aufgestellt waren. Äußerlich verkörperten sie eine bunte Truppe. Einige von ihnen wären in einer anderen Umgebung glatt als Buchhalter durchgegangen. Andere sahen aus wie Kneipenschläger. Gemeinsam war ihnen nur der Blick, der vor Stolz und Verbundenheit strotzte.
Für Sara war es nicht leicht gewesen, in dieser Männertruppe ernst genommen zu werden. Sie war erst sechsundzwanzig Jahre alt und nur ein Meter sechzig groß, vom Körperbau eher zart und viel zu nett. Ihr Elternhaus, ihr Vater Wissenschaftler und ihre Mutter Lehrerin, hatten Sara dazu erzogen, sich präzise auszudrücken, und es war ihr alles andere als leichtgefallen, ihren Wortschatz zu reduzieren und mit Kraftausdrücken anzureichern. Ihr drehte sich der Magen um, wenn sie an die schlimmen Worte dachte, die sie in den Mund genommen hatte, damit die Männer hier sie als eine der ihren akzeptierten.
Ihr Herz schlug zum Zerspringen. Sie zog den Ärmel über ihr Handgelenk. Die tragbaren Spionagekameras hatten bei Amazon hundertneunzehn Euro das Stück gekostet. Sie hatte zwei davon gekauft und beide mitgenommen. Sie sahen aus wie jede beliebige Smartwatch, doch hinter dem dunklen Glas verbarg sich anstelle einer Uhr eine Kamera. Damit konnte sie zweieinhalb Stunden lang in einer Auflösung von 1080p filmen und das Video auf einer Micro-SD-Karte speichern. Mit zwei Kameras konnte sie also fünf Stunden lang filmen.
Sie wandte sich an den narbengesichtigen Mann neben ihr, mit dem sie schon bei früheren Treffen hin und wieder ein Wort gewechselt hatte. »Was meinst du? Was wird unsere Aufgabe sein?«
Er zuckte mit den Schultern und nahm einen militärisch steifen Ausdruck an.
»Das wird man uns mitteilen, wenn es so weit ist.«
Sara nickte, als würden seine Worte eine tiefere Weisheit enthalten. »Need-to-know«, pflichtete sie ihm bei und erntete ein bestätigendes Grunzen.
Die knapp gehaltene Einladung war vor zwei Tagen in der privaten Chatgruppe verschickt worden. Darin hatte ihr Anführer Kristian Kahilainen alle Freiwilligen aufgefordert, sich zu melden, die bereit wären »bei einer wichtigen Operation für die Sache des Vaterlands« mitzumachen. Eine Bedingung allerdings gab es: Sie mussten einen Lkw-Führerschein besitzen.
Sara besaß keinen Lkw-Führerschein.
Trotzdem saß sie jetzt hier. Es ging nicht anders. Nur indem sie an der Operation heute teilnahm, konnte sie beweisen, dass sie richtiglag. Endlich kann ich klarstellen, was das für Schweine sind.
Nachdem sie sich freiwillig gemeldet hatte, wurden ihr Zeit und Koordinaten des Treffens in der Antwortnachricht mitgeteilt. Als Zeitpunkt wurde 0700 angegeben. Die Koordinaten, in eine mobile Karten-App eingespeist, führten zu einem ehemaligen Industriegebiet im Espooer Stadtteil Kera, das teilweise schon für neue Wohngebiete abgerissen worden war.
Die militärische Art, Zeit und Ort mitzuteilen, war nur ein Beispiel für das lächerliche Getue, das Sara wohl oder übel hatte lernen müssen, um voll anerkanntes Mitglied der Truppe zu werden. Sie hatte ihr Äußeres verändert, um ihrer neuen Identität zu entsprechen, trug die dunklen Haare zu einem strengen Pferdeschwanz gebunden und hatte ihre hochwertigen Baumwollkleider gegen Jeans aus dem Discounter getauscht.
Sie hatte ihre alten Freunde nur noch selten getroffen und zur Sicherheit auch nur außerhalb der Hauptstadtregion. Trotzdem hatte sie immer wieder auch heftige Unsicherheit geplagt.
Nur keine Panik, befahl sie sich. Die glauben, du bist eine von ihnen.
Die Angst war ein geringer Preis für das, worum es ging. Als sie am Treffpunkt eintraf, fand sie ein verlassenes und in Teilen abgerissenes Verteilzentrum vor, an dessen Laderampe mehrere Zugmaschinen mit Sattelaufliegern standen. Acht hatte sie gezählt. Genauso viele wie jetzt Freiwillige auf den Stühlen saßen. In Kürze würde sie den Befehl erhalten, einen davon zu fahren. Helfen würden ihr dabei nur die Tipps, die sie von ihrem Kumpel Mikko übers Telefon erhalten hatte.
Fieberhaft überlegte sie, wie sie aus der Sache noch herauskommen sollte, wie sie es vermeiden konnte, sich wirklich hinter das Steuer setzen zu müssen. Vielleicht unter einem Vorwand, der ihr erlaubte, im letzten Augenblick auszusteigen? Doch zuerst musste sie in Erfahrung bringen, um was für einen Auftrag es eigentlich ging.
Bisher hatte man sie noch nicht darüber informiert, woraus die Fracht bestand, geschweige denn wohin sie geliefert werden sollte. Man hatte sie lediglich gebeten, sich den ganzen Tag freizunehmen. Das war alles.
Die schwere Metalltür der Halle öffnete sich. Sara blickte über die Schulter und sah, wie Kristian Kahilainen den Raum betrat. Er legte sein Handy in eine Kiste neben der Tür zu denen der anderen, klappte den Deckel herunter und ließ seinen Blick durch die halbdunkle Halle schweifen wie der Maestro vor einem Konzert.
Sein blondes Haar war noch stärker nach hinten gegelt als sonst - wohl zur Feier des Tages. Anstelle seiner Lederjacke trug er heute einen Trenchcoat. Seine hervortretenden Backenknochen fingen das spärliche Licht ab, sodass seine untere Gesichtshälfte im Dunkeln lag. Die tiefliegenden stahlblauen Augen fixierten die acht Freiwilligen auf den Plastikstühlen.
»Freunde des Vaterlandes! Es ist mir eine Ehre, mit euch heute hier zu sein«, verkündete er und ging auf Sara und die Männer zu. »Das wird heute zum wichtigsten Tag in der Geschichte unserer Organisation.«
Sara zog unauffällig den Ärmel hoch und drehte ihr Handgelenk so, dass die kleine Kameralinse hinter dem Glas auf Kahilainen gerichtet war.
Am anderen Ende der Reihe räusperte sich einer der Männer und fragte: »Kannst du uns sagen, was unsere Aufgabe ist?«
»Bald«, antwortete Kahilainen streng. »Ihr habt sicher schon gesehen, dass es sich um einen Transportauftrag handelt. Jeder bekommt seinen eigenen Sattelzug. Das Ziel wird später bekanntgegeben, sobald die Autos beladen sind und es Zeit ist loszufahren. Eins solltet ihr jedoch wissen, diese Aufgabe fordert mehr von euch als irgendetwas, was ihr bisher getan habt. Die Operation zur Rettung des finnischen Volkes hat eine völlig andere Tragweite als alles, was wir bis zum heutigen Tag unternommen haben. Wenn jemand nicht dabei sein möchte, dann melde er sich jetzt.«
Keine Hand hob sich. Kahilainens Blick wanderte abschätzend die Reihe entlang, als suche er nach dem schwächsten Glied in der Kette. Seine furchteinflößende Erscheinung wurde verstärkt durch Tätowierungen, die ihm aus Kragen und Manschetten quollen. Soweit Sara das beurteilen konnte, handelte es sich um mythische Darstellungen aus den Geschichten der nordischen Völker. Künstlerisch gesehen war das Ganze eher stümperhaft. Alles floss in der Zahlenkombination 88 zusammen - dem Code der Neonazis für die Grußformel Heil Hitler. Allerdings waren die Bögen recht formlos geraten und an den Rändern verschwommen.
Sara zog beiläufig den Reißverschluss ihres Anoraks so weit herunter, dass der freizügige Ausschnitt ihres Pullis sichtbar wurde, unter dem sich ihr eigenes Tattoo befand, das sie abgrundtief hasste. Es zeigte eine schwarze Sonne, eines jener Symbole der germanischen Mythologie, das die radikale Rechte sich zu eigen gemacht hatte. Es war eine Art psychologische Unterstützung für sie - quasi ein Mitgliedsausweis, den sie vorzeigen konnte, wenn sie wieder einmal Mut brauchte, sich der Gruppe anzuschließen.
»Während wir warten, bis die Lastwagen beladen sind, möchte ich ein paar Worte an euch richten«, fuhr Kahilainen fort.
Er machte eine dramatische Pause und schaute großtuerisch auf die Reihe der Freiwilligen. Sara verabscheute die Melodramatik dieser Leute - all diese aufgeblasenen Gesten und Rituale, um ihren gemeinsamen Glauben an die Rechtschaffenheit der Stärke zu festigen. In deren autoritärem Weltbild war das Charisma König, und selbst ein ekelerregendes Fake-Charisma war besser als gar keins.
Als Kahilainen zu sprechen anfing, verlieh er seiner Stimme einen staatstragenden Tonfall.
»Seit die Garde gegründet wurde, war ihr größtes Anliegen die Sorge um Finnen wie dich und mich - die Sorge um unsere Familien und Freunde. Um unser Volk. Wir wissen, dass die Geschichte der Menschheit immer von Kampf geprägt war. Wenn eine Menschengruppe ausstirbt, erwacht sie nie wieder zum Leben.«
Kahilainen trat vor die Stuhlreihe wie ein General, der seine angetretene Armee musterte. Das Gerät um Saras Handgelenk folgte unauffällig seinen Bewegungen. Ihr wurde schmerzlich bewusst, dass sie sich zunehmend auffällig benahm. Ihre Handhaltung war unnatürlich, und das konnte jeden Augenblick jemandem auffallen. Außerdem waren alle Anwesenden unmissverständlich aufgefordert worden, sämtliche elektronischen Geräte in der Kiste am Eingang abzulegen. Angst erfasste sie, und sie zog den Ärmel über das Armband. Eine Audioaufnahme musste an dieser Stelle reichen.
»Wurden wir gegründet, um...
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