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Wenn Träume Wirklichkeit werden
Brandenburger Land in den 50er Jahren: Luisa von Rochlitz hat einen Traum: Sie möchte das Strandbad am Wolzensee wieder aufbauen und damit endlich ihr Leben in die eigenen Hände nehmen. Doch nicht nur der neue Staatsapparat legt ihr Steine in den Weg, sondern auch ihre Familie, die es für Unsinn hält, dass eine junge Frau ein eigenes Unternehmen leitet. Allein der hilfsbereite Paul steht Luisa tatkräftig zur Seite und unterstützt sie bei der Verwirklichung ihres Traums. Werden sie es gemeinsam schaffen, sich gegen alle Widerstände durchzusetzen?
Ein Strandbad voller Geschichte und eine junge Frau, die gegen die Konventionen ihrer Zeit kämpft.
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April 1950
Der Wolzensee kannte keine Eile. Er lag eingebettet inmitten lichter Wälder, und seine gemächlichen Wellen glitzerten in der Sonne. Sie führten nirgendwohin und trugen doch Hoffnung an die von Schilf bewachsenen Ufer. Hoffnung war es, die Luisa von Rochlitz nie aufgegeben hatte während dieses schrecklichen Krieges, der nun seit fünf Jahren vorbei war.
Wie fast jeden Morgen stand sie mit den Füßen im Wasser und blickte auf den umlaufenden U-förmigen Betonsteg der ehemaligen Schwimmsportstätte. Er hatte schon als Begrenzung gedient, als hier einst den Regimentsmitgliedern der Zieten-Husaren das Schwimmen beigebracht worden war. Lange, bevor Luisas Vater, Julius Marquardt Senior, das Anwesen in den Zwanzigern gekauft hatte. Seitdem verbrachte ihre Familie die Sommerfrische am idyllischen Wolzensee in Rathenow, das man mit der Eisenbahn von Berlin aus in einer knappen Stunde erreichte.
Ein balzendes Haubentaucherpaar, das mit gespreizten Federhauben heftig die Köpfe schüttelte, riss Luisa aus ihren Gedanken. Durch rasches Paddeln mit den Füßen erhoben sich die Vögel fast senkrecht voreinander aus dem Wasser. Sie sehen aus wie Pinguine, dachte Luisa amüsiert und sah ihnen eine Weile zu.
Aber dann ballten sich am Himmel Wolkenberge zusammen, die es der Sonne schwer machten, hindurchzublinzeln. Luisa wandte sich um und ging zurück. Das zweistöckige Haus der Familie war eine stattliche Villa, und doch duckte es sich unter hohen Birken und Pappeln, als suche es Schutz. Plötzlich begann es wie aus Eimern zu schütten. Luisa rannte die ausladende steinerne Treppe hinauf, schlüpfte durch die Haustür und lief in die große Küche. Um diese frühe Uhrzeit war im Haus noch alles still, was ihr die Gelegenheit gab, sich die zurechtgelegten Worte ins Gedächtnis zu rufen. »So kann es nicht weitergehen«, sagte sie zu dem Herd. »Der Krieg ist seit fünf Jahren vorbei, und niemand von euch tut etwas. Wovon sollen wir in Zukunft leben? Die Gelegenheitsarbeiten werden auf die Dauer nicht reichen, um dieses Haus zu unterhalten und uns zu versorgen. Hajo ist immer noch nicht in der Lage, die Geschicke der Familie zu leiten.« Sie schluckte, als sie an ihren Mann dachte, kramte nach einem Kochlöffel und schwang ihn wie ein Zepter energisch durch die Luft. »Deshalb habe ich mir etwas einfallen lassen.« Sie wusste, wenn sie diese Rede halten würde, musste sie an der Stelle eine kleine Pause einlegen, damit sie sich der Aufmerksamkeit ihrer Angehörigen sicher sein konnte. »Warum nutzen wir nicht das, was wir haben, und bauen ein kleines Familienunternehmen darauf auf?«
Hinter ihrem Rücken erklang ein einsamer Applaus. »Bravo.«
Mit klopfendem Herzen wirbelte Luisa herum. Im Türrahmen stand ihre Schwiegermutter, Christiane von Rochlitz, und lächelte warmherzig. »Ich bin so froh, dass du die Initiative ergreifst. Auf meinen Sohn ...«, sie stockte und senkte für einen Moment den Blick, »deinen Mann können wir nicht hoffen.«
Sie blinzelte, und Luisa war sich nicht sicher, ob da eine Träne in ihrem Augenwinkel schimmerte.
»Du bist mir nicht böse?«, flüsterte Luisa mit angehaltenem Atem.
»Mein liebes Kind, nein. Wie könnte ich? Du bist es doch, die seit dem Krieg die Familie zusammenhält. Das ist mir nicht entgangen.« Christiane trat auf sie zu und strich mit dem Finger sanft über Luisas Wange. »Du hast also einen Plan. Sehe ich das richtig?«
Luisa drehte sich um, zog eine Pfanne aus dem Schrank und knallte sie heftiger als beabsichtigt auf den Herd. »Ja.«
»Erzähl.«
»Wir werden ein Strandbad eröffnen ... mit allem, was dazugehört.« Sie umklammerte den Pfannengriff und starrte gleichzeitig über die Schulter ihre Schwiegermutter an.
»Und das wäre?«, fragte diese knapp.
Luisa konnte sich täuschen, aber Christiane schien offenbar neugierig. »Einer Liegewiese, Bootsverleih, Schwimmsportveranstaltungen und einem Imbiss«, platzte es aus ihr heraus.
Christiane runzelte die Stirn und verzog dann den Mund zu einem Lächeln, das immer breiter wurde. »Ich helfe dir.« Mit diesen Worten schob sie sich an Luisa vorbei, gab etwas Margarine in die Pfanne und zündete die Gasflamme darunter an.
Luisa wurde in diesem Moment klar, dass ihre Schwiegermutter nicht das Frühstück meinte, und atmete erleichtert aus. Christianes Segen hatte sie also für ihr großes Ziel. Am Ende ihres verwegenen Traums stand ein florierendes Strandbad mit Restaurant und Kulturveranstaltungen. Doch das würde sie noch ein wenig für sich behalten.
»Luisa, gibt es heute kein Frühstück?«, erklang es ungehalten aus dem Esszimmer.
»Josepha«, flüsterten Luisa und ihre Schwiegermutter gleichzeitig und verdrehten die Augen. Normalerweise würde sie es nicht wagen, ihre Mutter beim Vornamen zu nennen, aber Christianes Beistand für ihr Vorhaben versetzte sie geradezu in Euphorie. »Kommt gleich«, rief sie zurück.
»Wie oft habe ich dir schon gesagt: Sprich in ganzen Sätzen, Luisa«, erklang es dumpf aus dem Nebenraum.
»Ja, Mutter. Heute gibt es Rühreier und Speck ... zur Feier des Tages.« Luisa warf Christiane einen Blick zu, und diese nickte aufmunternd.
»Wieso? Heute ist ein normaler Sonntag«, ließ sich ihre Mutter vernehmen.
Eben nicht.
»Warum müsst ihr euch so laut unterhalten, dass man euch im ganzen Haus hören kann? Ich verspüre die ersten Anzeichen einer Migräne.« Luisas Schwägerin Ellinor stand im Flur und presste mit Leidensmiene Daumen und Mittelfinger gegen die Nasenwurzel.
Während Christiane die Eier in der Pfanne verrührte, lud Luisa Butter, Salzstreuer, die selbst gemachte Brombeermarmelade vom letzten Jahr und das Besteck auf ein Tablett. Leider stand, wie meistens, nur Muckefuck zur Verfügung, aber mit etwas Milch verrührt schmeckte er gar nicht mal übel. Der Kaffee-Ersatz aus Getreide und Zichorien war viel preiswerter als richtiger Bohnenkaffee. Wenn sie ihre Mutter schon mit deren Lieblingsfrühstück aus der guten alten Zeit bestach, in das sie seit einer Englandreise vor fünfundzwanzig Jahren vernarrt war, mussten die Prioritäten anders verteilt werden. Nach dem Frühstück würde sie die Familie ins Bild setzen. Sie konnte ihr Vorhaben einfach nicht länger aufschieben und wollte es hinter sich bringen.
Das Gespräch wird bestimmt in einem Fiasko enden, ging es Luisa wenig später durch den Kopf. Sie verbarg ihre zitternden Hände unter dem Tisch. Wahrscheinlich fiel niemandem auf, dass sie als Einzige keinen Bissen hinunterbrachte. Weder ihrer Schwiegermutter noch ihrer Schwägerin Ellinor, die sich zum zweiten Mal knusprigen Speck aus der Pfanne nahm, ohne die anderen zu fragen, ob noch jemand etwas davon haben wollte. Oder Peter, dem achtjährigen Sohn ihres ältesten Bruders Julius und seiner Frau Ellinor, der den heißen Muckefuck durch ein Stück Zucker zwischen seinen Zähnen schlürfte, was Luisa eine Gänsehaut bereitete. Und schon gar nicht Hajo, der die Fürsorge seiner Mutter, die ihm den Brotkorb und die Marmelade zuschob, schlichtweg ignorierte und nur stumm auf seinen Teller starrte.
In Josephas Mundwinkel hing ein kleiner Rest Rührei, den sie nun mit der Serviette abtupfte. »Luisa, ich kann nur hoffen, dass du zu scherzen beliebst. Eine junge, verheiratete Frau wie du sollte sich liebevoll um ihren Mann kümmern.«
Luisa blickte rasch in Hajos Richtung, aber der sah nach wie vor auf seinen Teller, der fast ebenso unberührt war wie ihrer. »Ihm bei all seinen Aufgaben Unterstützung angedeihen lassen und ...« Ihre Mutter ließ den Satz in der Luft hängen.
Luisa konnte ihn indes mühelos im Stillen fortführen: Kinder in die Welt setzen. Doch genau das würde nicht passieren. Hajo hatte im Krieg nicht nur die Amputation seines linken Unterschenkels über sich ergehen lassen müssen. Sie hatte die Narben an seinem Unterleib gesehen. Zwar verlor er darüber kein Wort, aber es war sehr unwahrscheinlich, dass ihr Mann jemals würde Kinder zeugen können.
»Nun, wie auch immer«, holte Josepha sie aus ihren Gedanken. »Es ist unsinnig, dass du ein Unternehmen leiten willst, Luisa. Schlag dir das aus dem Kopf.« Achtlos warf sie die Serviette von sich, die auf der Butter landete.
»Pass doch bitte auf, Mutter!« Luisa hob die Serviette hoch und bemühte sich, den aufsteigenden Ärger hinunterzuschlucken.
»Ich muss schon sehr bitten«, mischte sich Ellinor ein. »Wie du in letzter Zeit mit deiner Mutter redest! Und übrigens nicht nur mit ihr ...«
Luisa presste ihre Lippen zusammen und ballte die Fäuste. Gerade noch rechtzeitig, so hoffte sie, schob sie sie wieder unter den Tisch.
Hajo bemerkte es dennoch und warf ihr einen raschen Blick zu, als wolle er sie ermahnen. Dann räusperte er sich in Ellinors Richtung, und Luisa versuchte, an seiner Miene abzulesen, ob er sie verteidigen würde. Es war jedoch nur ein müdes Lächeln, das er ihr zuwarf. Er war ein anderer Mann, seit er aus dem Krieg nach Hause...
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