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Athen, September 429 v. Chr.
Ein scharfer Geruch liegt bleiern im Raum. Es geht kein Wind, der für etwas Frische sorgen könnte. Die Vorhänge hängen unbewegt vor den Fenstern. Manch einer räuspert sich besorgt. Keiner möchte länger an diesem Ort bleiben als nötig. Doch sie müssen ihrem großen Politiker die letzte Ehre erweisen. Die Großen Athens stehen um sein Bett herum. Sie sind alle gekommen, allen voran Thukydides, der sich seit Monaten Aufzeichnungen zu diesen Tagen macht. Alle sehen sie, dass sich der Brustkorb nur noch selten hebt und senkt.
Plötzlich stößt er ein letztes Röcheln aus. Seine Augen öffnen sich noch einmal für den Augenblick einer Sekunde, sein Blick scheint irgendwo im Raum etwas zu fixieren. Er sieht ganz deutlich seine Söhne Xanthippos und Paralos vor sich. Sie deuten ihm mit einer Handbewegung, dass er zu ihnen kommen solle. Ja, er wird kommen! Es wird ihm alles so leicht, so leicht wie noch nie. Er ist glücklich, wieder bei seiner Familie zu sein .
* * *
»Tod des Perikles« von Alonzo Chappel, ca. Mitte des 19. Jahrhunderts.
Sybota-Inseln bei Korfu, September 433 v. Chr.
Unzählige Krieger waren schon ins Meer gestürzt. Die schweren Rüstungen zogen sie unbarmherzig hinab in das Dunkle. Schwere Rammsporne bohrten sich tief in ihre Schiffe und brachten sie zum Kentern. Wo die Erschütterung die an Deck stehenden griechischen Soldaten nicht von Bord warf, würde das sinkende Schiff bald ihr Schicksal besiegeln. Doch sie gaben nicht auf. Die Verteidiger Korfus kämpften mit dem Mut der Verzweiflung gegen die korinthische Übermacht. Korinth wollte die störrische Kolonie zur Räson bringen. Koste es, was es wolle.
Seit dem Jahr 436 v. Chr. tobte in der Stadt, die an der Landenge zwischen dem Peloponnes und dem griechischen Festland liegt, ein Kampf um die Vorherrschaft. In der Polis standen sich die Adelspartei und die demokratische Partei unbarmherzig gegenüber. Auf die Seite der Demokraten hatte sich unlängst Korkyra, das heutige Korfu, geschlagen, das sich dadurch Freiheit von Korinth versprach. Es ging jedoch auch um die Vorherrschaft im Ionischen Meer und manch ein Politiker und Krieger Korkyras träumte gar von der Kontrolle der ganzen Adria. Für die korinthischen Adligen war dies natürlich völlig inakzeptabel und so setzten sie alles daran, diesen Traum platzen zu lassen. Doch Korfu und die umliegenden Gewässer waren nur der Nebenschauplatz eines Konflikts, der ganz Griechenland erschüttern sollte und das Ende einer kurzen und überaus folgenreichen Blütezeit der großen Stadtstaaten einläutete.
Sie begann unmittelbar nach den Perserkriegen, als 478 / 477 v. Chr. der »Delisch-Attische Seebund« gegründet wurde. Dieser war ein freiwilliger Zusammenschluss vieler Poleis, um die Perser künftig von der Ägäis fernzuhalten. Ihr Ziel als Symmachie (altgriech. s?µµa??a, Kampfgemeinschaft) war damit definiert. Als Zentrum dieser Symmachie und damit Ort der Bundesversammlung fungierte 25 Jahre lang die Kykladeninsel Delos. Hier tagte diese einmal jährlich und im Apollon-Tempel wurde die Bundeskasse verwahrt. Es herrschte nominell Gleichberechtigung und strittige Fragen wurden gemeinschaftlich geklärt. Soweit die Theorie. In der Praxis aber wurde bald deutlich, dass Athen als der Sieger der Seeschlacht von Salamis 480 v. Chr. als Hegemon (altgriech. ??eµ???a, Oberbefehl) auftrat. Dies fand nicht bei allen Poleis Gefallen, sodass die Versuche der Städte zunahmen, sich vom »Delisch-Attischen Seebund« loszusagen. Athen begegnete all diesen Versuchen mit rigiden Strafmaßnahmen und richtete den Bund immer weiter auf sich aus. Dazu wurde unter anderem die Bundeskasse im Jahr 454 v. Chr. nach Athen gebracht. Damit wuchs die militärische Macht Athens weiter.
Aber auch kulturell war Athen im 5. Jahrhundert auf dem Höhepunkt, wie noch Jahrhunderte später der römische Schriftsteller Plutarch (ca. 45-ca. 125) neidlos anerkennen musste: »Was aber Athen am meisten zum Schmuck und zur Zierde gereichte, was den andern Völkern die größte Bewunderung abnötigte und heute allein noch dafür Zeugnis ablegt, daß Griechenlands einstiges Glück, daß der Ruhm seiner früheren Größe nicht leeres Gerede sei, das waren seine prachtvollen Tempel und öffentlichen Bauten.«
Zunächst war aber Athen eine einzige große Ruine. Die alte Akropolis war von den Persern 480 v. Chr. verwüstet worden, sodass sich ein Haufen Schutt auf der Oberstadt zwischen den Resten der alten Tempelanlagen auftürmte. Man begann zunächst, die Stadtmauer mithilfe jenes »Perserschutts« wieder aufzubauen. Auch der Parthenon sollte bald unter der Aufsicht des Bildhauers Phidias (ca. 500 v. Chr.-ca. 425 v. Chr.) auf der Akropolis wieder auferstehen. Im Jahre 438 v. Chr. wurde das Wahrzeichen Athens fertiggestellt, das heute noch eindrucksvoll den einstigen Glanz erahnen lässt. Das Geld für ein solches Werk wurde aus der Bundeskasse genommen, was natürlich für jeden ein unzweifelhaftes Zeichen dafür war, wer das Sagen im Seebund hatte. Wenigstens bezog man ionische Bauelemente mit ein, um die Zugehörigkeit zu den Griechen an der kleinasiatischen Küste zu symbolisieren - ein letzter Hauch vom ursprünglichen Geist des Bundes. Wirkmächtig für die Baukunst der Nachwelt wurden auch die Propyläen. Der Torbau, durch den man den heiligen Bezirk der Akropolis betrat, wurde zwar nicht fertiggestellt, gibt jedoch den ersten Eindruck von der Verbindung verschiedener Gebäudetypen wieder. Während der Bauarbeiten stand der bis dahin unbekannte Baumeister Mnesikles samt seinen Mitarbeitern unter besonderem Unfallschutz, als er innerhalb von fünf Jahren den Bau errichtete. Denn während »des Baues ereignete sich ein Wunder, welches deutlich erkennen ließ, daß die Göttin Athene dem Werke nicht fernstand, sondern mit Hand anlegte und es vollenden half. Der tüchtigste und fleißigste unter den Künstlern tat nämlich einen Fehltritt und stürzte aus großer Höhe in die Tiefe. Dabei verletzte er sich so schwer, daß er von den Ärzten aufgegeben wurde. Perikles war sehr niedergeschlagen, da erschien ihm die Göttin im Traum und zeigte ihm, wie er den Verunglückten heilen könne. Er tat, wie ihm geheißen, und machte den Mann leicht und schnell wieder gesund«.
Wunderheilungen gab es in der Antike reichlich und die Absicht ihrer Erzählung war offensichtlich. Wer den Tod oder eine schwere Krankheit besiegen konnte, handelte im göttlichen Auftrag. Deshalb schadete es im athenischen Sinne nicht, wenn die Stadtgöttin beim Bau des Parthenon durch die Person des Perikles (ca. 490-429 v. Chr.) eben auch ein Wunder bewirkte. Aber wer war denn dieser Mann, der Athene Hygieia auf seiner Seite wusste?
»Perikles stammte aus der Phyle Akamantis, aus dem Demos Cholargos, und Vater wie Mutter kamen aus vornehmstem Haus und Geschlecht. Denn Xanthippos, der bei Mykale die Feldherren des Perserkönigs geschlagen, hatte sich mit Agariste, einer Nichte des Kleisthenes, vermählt«, schrieb Plutarch. Perikles war also durch seine familiäre Abstammung vom berühmten Staatsmann Kleisthenes (ca. 570-ca. 507 v. Chr.) die Politik in die Wiege gelegt worden. Ab 443 v. Chr. hatte er für fünfzehn Jahre ununterbrochen das Amt des Strategen inne, was insofern erstaunlich war, da dieses Amt jährlich gewählt wurde. Er musste also an Reputation allen anderen überlegen gewesen sein. Charisma und eine hervorragende Ausbildung taten ihr übriges. Diese beinhaltete neben der Redekunst, der Philosophie auch das Beherrschen des Gesangs und verschiedener Musikinstrumente. Deswegen soll man ihn ehrfurchtsvoll »der Olympier« genannt haben.« Man könnte meinen, damit habe er für den Ruhm Athens genug getan. Doch Perikles setzte sich auch auf dem Schlachtfeld und der knallharten Wirtschaftspolitik ein.
Seit der Schlacht bei Salamis 480 v. Chr. war Athen die unbestrittene Seemacht Griechenlands, wenn nicht im ganzen Mittelmeer. Argwöhnisch betrachteten deswegen die Athener jeden, der sich im Schiffbau an ihnen messen wollte. Allein das Auftauchen der athenischen Trieren vor Korfu hatte die Korinther 433 v. Chr. dazu veranlasst, von der vollständigen Vernichtung der Flotte Korfus abzusehen und sich zurückzuziehen. Letztlich ging die eingangs erwähnte Schlacht bei den Sybota-Inseln im September 433 v. Chr. unentschieden aus. Doch viel Zeit zum Verschnaufen blieb nicht, weil bereits im folgenden Jahr zwischen Korinth und Athen auf der Halbinsel Chalkidiki ein weiterer Konflikt aufbrach. Die an strategisch wichtiger Stelle gelegene Stadt Poteidaia war zwar eine Kolonie Korinths, jedoch auch Mitglied im »Delisch-Attischen Seebund«. Gerade nach der Schlacht bei den Sybota-Inseln bestand Athen darauf, dass alle Korinther die Stadt zu verlassen hätten. Ferner sollte die Stadt ihre Mauern schleifen und Geiseln stellen. So wollte Athen seine Vormachtstellung in der Nordägäis sichern. Doch die Einwohner Poteidaias weigerten sich.
Im Frühjahr 432 verlegte Athen 30 Trieren und 1000 Hopliten, also schwer bewaffnete Fußsoldaten, vor die Stadt und belagerten diese, während Korinth Poteidaia mit 1600 Hopliten unterstützte. Letztlich folgten weitere Kräfte aus Athen, sodass kurz vor Ausbruch des Peloponnesischen Krieges 4600 Hopliten und 70 Trieren vor Poteidaia gebunden waren, die schließlich in Athen fehlen sollten. In...
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