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»Wo bleibt Ramos? Wenn sich die Hertha noch auf den Relegationsplatz retten will, muss er jetzt ein Tor machen!« Die Stimme des Fernsehkommentators klang angespannt, so als sei er doch ein verkappter Fan und nicht der neutrale Beobachter. Aber vielleicht war es auch nur Mitleid mit dem Außenseiter in dieser Partie. »Die Statistik der letzten fünfzehn Spiele zeigt, dass die Hertha nur gewinnt, wenn Ramos trifft. Doch der Kolumbianer scheint am Spielgeschehen kaum teilzunehmen, hatte bisher fast keinen Ballkontakt.«
Jaap Klausen fuhr sich nervös durch sein kurzes, schwarzes Haar. Und auch sonst waren die Gesichter in der überfüllten Kneipe in Prenzlauer Berg bleich und bedrückt. Niemand sprach, während die Uhr die letzten Minuten des Spiels heruntertickte. Dabei hatte es zu Beginn der Partie noch so gut ausgesehen: Mit ein paar druckvollen Kombinationen, die ihnen selbst die eigenen Fans nicht zugetraut hätten, hatten die Berliner den Gast aus Dortmund überrascht. Und dann hatte Baumjohann das Ding in der 22. Minute aus dreißig Metern unter die Latte gesetzt. Die Kneipe hatte gekocht, während Jaap seinen alten Freund Daniel Lütten umarmt und ihm spontan ein Bier ausgegeben hatte.
Doch die Dortmunder waren viel zu abgebrüht, um sich durch den frühen Rückstand aus dem Konzept bringen zu lassen, und sie waren nicht nur nominell die klar bessere Mannschaft. Kurz vor der Halbzeit hatten sie den Ausgleich geschafft. In der zweiten Hälfte war das Spiel dann endgültig gekippt und hatte fast ausschließlich in der Berliner Hälfte stattgefunden. Obwohl die Abwehr ihr Bestes gab und Torwart Kraft zwei Glanzparaden zeigte, konnte sie dem Druck nicht standhalten und kassierte in der 68. Minute den zweiten Gegentreffer. Seitdem schien der Siegeswille der Heimmannschaft erloschen. Sofern die Spieler in Blau-Weiß überhaupt an den Ball kamen, droschen sie ihn meist unkontrolliert in Richtung des Dortmunder Tors, von wo ihn die Verteidiger sofort wieder zurück in die Hertha-Hälfte beförderten. Es war zum Verzweifeln!
»Wirklich, wo bleibt Ramos?«, stöhnte Daniel.
»Maul halten!«, motzte ein breitschultriger Typ mit tätowiertem Hals neben ihm.
Daniel wollte etwas entgegnen, doch Jaap legte ihm die Hand auf den Arm. In der angespannten Stimmung konnte jede kleine Meinungsverschiedenheit leicht außer Kontrolle geraten.
»Die Dortmunder erhöhen noch einmal den Druck«, erklang es von der Leinwand. »Sie scheinen entschlossen, kurz vor dem Abpfiff Nägel mit Köpfen machen zu wollen. Großkreutz zu Sahin . Lewandowski . Lewandowski!! Doch da geht van den Bergh noch mal dazwischen . nimmt sich den Ball . ein langer Pass nach rechts außen, wo Ramos fast allein steht .«
Jaap spürte, wie die Angst und Frustration der Umstehenden noch einmal in Hoffnung umschlug. Noch war es nicht zu spät! Noch war der Ausgleich möglich, um den einen, rettenden Punkt zu holen! Atemlos beobachtete er, wie der Stürmer den Ball annahm und auf das gegnerische Tor zurannte. Zwei Verteidiger stürzten ihm entgegen. Doch irgendwie gelang es dem Kolumbianer, zwischen den beiden hindurchzudribbeln. Ein Raunen ging durch die Kneipe. Jetzt stand nur noch der Dortmunder Keeper zwischen Ramos und dem Relegationsspiel. Jaap ballte die Fäuste.
»Ramos!«, rief der Kommentator, der seine Sympathie nicht mehr verbergen konnte. »Nur noch wenige Meter vor dem Tor . Perfekte Schussposition .«
Das Fernsehbild wurde schwarz.
Ungläubig starrte Jaap auf die Leinwand, während sich ringsum Stimmengewirr erhob, das rasch zu einem wütenden Gebrüll anschwoll.
»Ey, was soll das?«
»So eine Scheiße!«
Erst nach einem Moment fiel Jaap auf, dass auch die Deckenbeleuchtung ausgefallen war und nur noch durch die Fenster Licht hereindrang. Offensichtlich war eine Sicherung rausgesprungen. Ausgerechnet jetzt!
»Mach den scheiß Fernseher wieder an!«, brüllte jemand. Andere schlossen sich lautstark an.
»Ich hab kein Netz!«, rief Daniel, der offensichtlich anders herauszufinden versuchte, ob Ramos getroffen hatte oder nicht.
Jaap checkte sein Smartphone. Tatsächlich: Weder WLAN noch Mobilfunkverbindung waren verfügbar. Inzwischen heizte sich die Stimmung weiter auf. Ein Pulk wütender Männer hatte sich um den Tresen gruppiert, hinter dem ein geschockter Wirt versuchte, seine Gäste zu beschwichtigen.
»Mach sofort das Ding wieder an, sonst .«
»So ein Scheißladen!«
»Ich will mein Geld zurück!«
»Hört doch mal zu!«, rief der Wirt, ein junger Mann mit südländischem Aussehen, jedoch ohne Akzent. »Ich kann doch nichts dafür! Der Strom ist ausgefallen!«
»Dann dreh die Sicherung wieder rein, du Spacko!«
»Bei drei ist die Kiste wieder an, oder ich hau hier alles kurz und klein!«
»Beruhigt euch mal!«, schaltete sich Jaap ein und hielt sein Smartphone hoch. »Die Netzverbindung ist auch weg! Offensichtlich ist im ganzen Viertel der Strom ausgefallen. Da kann man nichts machen!«
Einige Männer zogen ihre Handys hervor. Doch der stämmige Typ mit den Hals-Tattoos wandte sich zu ihm um und blickte ihn finster an. »Was mischst du dich hier überhaupt ein, du Wurm?«, sagte er mit schleppender, aber nichtsdestotrotz aggressiver Stimme.
Jaap unterdrückte seinen aufkeimenden Zorn, hob die Hände und rang sich ein Lächeln ab. »Schon gut! Ramos hat bestimmt getroffen. Aus der Entfernung kann er ja kaum .«
Doch die Miene des Mannes verfinsterte sich weiter. Seine Augen waren blutunterlaufen, und Jaap konnte riechen, dass er deutlich mehr intus hatte als nur ein paar Bier. »Sag mal, biste 'n verfickter Hellseher oder was?«
»Okay, okay. Jetzt beruhigen wir uns alle mal wieder. Es ist bloß ein Stromausfall!«
»Tickste nicht richtig? Nur 'n Stromausfall? Genau im Moment, wo Ramos schießt? Willste etwa behaupten, das ist Zufall?«
Jaap wusste nicht, was er darauf antworten sollte.
»Ich sag dir, was das ist«, fuhr der Typ fort. »Das ist Beschiss! Die wollen nicht, dass wir sehen, wie Ramos im letzten Moment gefoult wird! Und der verkackte Schiedsrichter nicht pfeift! Ist doch ein abgekartetes Spiel! Erst bestechen sie Ramos, dass er nicht trifft, und dann foulen sie ihn! Die wollen uns bloß fertigmachen!«
Das Gestammel des Typen war an Unlogik kaum zu überbieten, aber das schien die Umstehenden wenig zu kümmern.
»Echt? Ramos gefoult?«, rief jemand.
»So eine Sauerei!«
»Und kein Elfer!«
»Beschiss!«
Jaap hob verzweifelt die Arme. »Das ist doch Unsinn!«, rief er. »Niemand hat Ramos gefoult!«
»Ey, woher willst 'n du das wissen?«, rief ein Typ mit Glatze.
»Ja, genau, woher weißt du das?«, stimmte ein anderer zu.
»Ich weiß es nicht!«, rief Jaap. »Niemand hier weiß, wie das Spiel ausgegangen ist! Weil nämlich der Strom ausgefallen ist und keiner Handyempfang hat.«
»Wenn du's nicht weißt, warum mischst du dich dann ein?«
»Genau!«, rief der Tätowierte. »Willst doch bloß, dass keiner mitkriegt, was hier gespielt wird! Bist wohl einer von denen! Miese Dortmund-Zecke!«
»Hör mal, ich bin genauso Berliner wie du, und .«
Doch der Typ war Argumenten gegenüber offensichtlich nicht mehr zugänglich. Er packte Jaap mit der Linken am Kragen seiner Jacke und holte mit der rechten Faust aus.
»Du kriegst jetzt .«
Jaap machte eine blitzschnelle Drehung und nutzte den Schwung des Angreifers, um dessen Schlagarm zu packen und ihm auf den Rücken zu drehen, so dass der Tätowierte vornübergebeugt vor Schmerz schrie. Umstehende sprangen erschrocken zur Seite, Biergläser zerschellten am Boden.
»Schluss jetzt!«, rief Jaap. »Ich bin Kriminalkommissar Jaap Klausen. Wenn du noch einen Mucks machst, verhafte ich dich wegen Erregung öffentlichen Ärgernisses und Widerstands gegen einen Polizeibeamten. Kapiert?«
»Ja, ja, schon gut«, stöhnte der Mann. »Wusste ja nicht, dass du 'n . ich meine, dass Sie von der Polizei sind.«
Jaap ließ seinen Arm los. »Ihr geht jetzt alle nach Hause und schaut im Internet, wie das Spiel ausgegangen ist! Jeder, der weiter hier rumpöbelt, kriegt es mit mir zu tun, kapiert? Aber vorher bezahlt ihr noch eure Rechnungen!«
Einige murrten, doch die meisten folgten Jaaps Ansage. Sogar der Tätowierte zog sein Portemonnaie hervor und legte einen Zwanziger auf den Tresen. Allmählich leerte sich der Laden.
Als Jaap mit dem Bezahlen an der Reihe war, hob der Wirt abwehrend die Hand. »Dein Bier geht aufs Haus! Wenn du nicht gewesen wärst .«
»Okay, danke.«
»Ich hab zu danken! Das war knapp!«
»Ist aber auch echt Mist, dass ausgerechnet in diesem Moment der Strom ausfallen musste!«, kommentierte Daniel. »Gerade wo's am spannendsten war. Man könnte wirklich glauben, das war Absicht!«
»Jetzt fang du nicht auch noch an!«, erwiderte Jaap. »Lass uns lieber zusehen, dass wir rauskriegen, wie es ausgegangen ist.«
Vor der Kneipe herrschte Chaos. Die Straße war verstopft, Autos hupten; offenbar war es in der Nähe zu einem Unfall gekommen, als die Ampeln ausfielen. Leute standen diskutierend auf den Bürgersteigen. Jaap sprach einen Mann an, der gerade aus einem Haus kam.
»Entschuldigen Sie, wissen Sie, wie das Spiel ausgegangen ist?«
»Welches Spiel?«
Sie fragten weiter, doch niemand...
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