Schweitzer Fachinformationen
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Silvia Olina
Sommer 2002, Die Insel Maui, Hawaii
Entlang des über hundert Meter hohen Wasserfalls schweifte mein Blick langsam bis zum Himmel. Die Lavasteilwand hier am Ende des Tals war beeindruckend. Rauschend stürzte das Wasser in freiem Fall vor mir herunter, und im selben Moment spürte ich, wie plötzlich der Blick des Schöpfers auf mich herunterfiel. Direkt und unmittelbar aus dem Himmel traf sein Blick mich und ruhte auf mir - so wie der Sprühregen des Wasserfalls mich benetzte und sich kühl und wohltuend auf meiner Haut absetzte. Da war er, ein Hauch von Eden! Und der bis dahin eindrucksvollste Glücksmoment meines Lebens.
Ich atmete tief ein und langsam wieder aus. Nach der anstrengenden Wanderung hier hinauf brauchte mein Puls einen Moment, um sich wieder zu beruhigen. Gleichzeitig schlug ein anderer Puls in mir lauter und schneller denn je. Was machte die Atmosphäre unter diesem Wasserfall so besonders? Warum hatte ich das Gefühl, dass ein Blick von oben mich traf, während ich gegen die Sonne die Steilwand hinauf blinzelte? Es war fast magisch, ein stiller, ewiger Moment in der Gegenwart. Der Schöpfer des Himmels und der Erde war hier, und ich konnte seine Anwesenheit genauso deutlich spüren wie den Felsen unter meinen Füßen, auf dem ich barfuß stand. Eine Stimme ertönte in meinem aufgewühlten siebzehnjährigen Inneren: "Sieh mich an! Du bist von mir geschaffen, und ich freue mich an dir. Ich sehe dich. Mein Blick ruht voller Liebe auf dir."
Ich war nie glücklicher als in diesem Moment.
Damals legte sich etwas in meine Seele und meinen Geist, das bis auf den heutigen Tag nicht gewichen ist. Es ist nie verschwunden. Manchmal war es verschüttet, manchmal musste ich diese Erinnerung ausgraben, aber immer wieder kam die Wucht der Bedeutung zurück: Der Blick des Schöpfers ruht auf mir. Er lädt mich ein, ihn anzuschauen. Er hat große Freude an mir.
Im Sommer 2002, als ich für ein Volunteer-Programm das erste Mal nach Hawaii reiste, wusste ich noch nicht, wer ich war und wohin ich gehörte. Mit dem Wunsch, rauszukommen und in eine andere Welt abtauchen zu können, war ich von Deutschland aus allein zu der 30-stündigen Reise aufgebrochen, um einige Wochen auf den Inseln zu verbringen, die auf unserem Erdball am weitesten entfernt von jeder Art von Festland liegen. Hawaii ist ohne Zweifel ein ganz besonderer Ort!
Auf der Insel Maui hatte ich mich mit zwei Freunden an diesem Morgen zu einer Wanderung entlang des Pipiwai Streams oberhalb der Seven Sacred Pools aufgemacht. Wir nahmen nichts mit: keine Schuhe, keine Kamera, keine Wertsachen. Es würde nur die Natur und uns geben. Obwohl ich keine Fotos oder Videos von diesem Tag habe, wurden die Erlebnisse zu den Momenten, die sich bis heute glasklar in meiner Erinnerung abzeichnen. Für immer eingefangen mit dem Herzen und mit allen Sinnen. Die Wanderung im Regenwald führte uns entlang der vielen natürlich entstandenen Pools vorbei an uralten Banyan-Bäumen (Feigenbäumen) und Bambuswäldern bis hinauf in den hinteren Teil des Tals. Das exotische Singen der Vögel erfüllte die Luft. Barfuß stiegen wir höher und höher, bis uns schließlich die beeindruckende Felswand aus Lavagestein erwartete, und der gigantische Waimoku-Wasserfall sich in all seiner Schönheit vor uns auftat.
Meine Freunde waren schon ein Stück weitergelaufen, und für einen Moment blendete mein Bewusstsein alles aus. Als wäre niemand anders auf der gesamten Insel, als gäbe es kein einziges Geräusch um mich herum, wie herausgezoomt sah ich mich selbst aus der Vogelperspektive im dichten Grün vor dem Wasserfall. Auf dieser Insel mitten im Pazifik war ich in diesem Augenblick allein mit meinem Schöpfer. Gottes Blick traf meinen Blick, und keine Kamera hätte einfangen können, was diesen Moment ausmachte. Dass ich keine Schuhe trug, schien den Augenblick noch ein bisschen mehr in etwas Heiliges zu verwandeln.
Wann immer ich mich an diesen Morgen zurückerinnere, weiß ich: Mein Glück finde ich im wahren Eden, und dieses Eden ist nicht die Insel im Pazifik. Doch die Insel ist im besonderen Maße dazu fähig, mich dem Hauch von Eden wieder näherzubringen. In den letzten beiden Jahrzehnten bin ich immer wieder nach Hawaii zurückgekehrt und nehme mittlerweile auch ganze Gruppen von Frauen auf Auszeitreisen dorthin mit. Hawaii ist und bleibt mein place to be. Ich finde dort auf besondere Weise in meinen inneren Garten Eden. Den Ort, an dem der Blickkontakt zwischen Gott und mir pures Glück darstellt. Bis heute ist es so, dass ich den Blickkontakt immer wieder spüre - in ganz unterschiedlichen Momenten, an ganz unterschiedlichen Orten, unterwegs und zu Hause, mit anderen Menschen und allein. Dann weiß ich, wer ich bin und warum ich bin.
Zurück zu unserer Wanderung: Unser Plan für den Rückweg war abenteuerlich und auch der Grund, warum wir nichts mitgenommen hatten als das, was wir an unserem Körper trugen. Wir würden zurück zur Küste schwimmen! Einen Wasserfall nach dem anderen sprangen wir im Pipiwai Stream hinunter, schwammen immer weiter Richtung Ozean und ließen uns zwischendurch auch einfach mal von der Strömung treiben. Das war mein persönlicher Hauch von Eden!
Winter 2023, vor der Nordküste der Insel O'ahu, Hawaii
Über zwanzig Jahre waren seit meinem ersten Aufenthalt in Hawaii vergangen. An diesem Februarmorgen war ich mit einer Gruppe deutscher Frauen auf O'ahu unterwegs. Ein Traum war in Erfüllung gegangen, und wir waren mitten in unserem siebentägigen Retreat-Programm, das ich speziell für diese Reise konzipiert hatte. Nie hätte ich mir als Siebzehnjährige träumen lassen, dass ich dies mit siebenunddreißig Jahren einmal mit einigen meiner besten Freundinnen und Familienangehörigen tun würde. Und doch wusste ich damals schon, dass ich für immer mit diesem Ort in Verbindung bleiben würde.
Im kleinen Hafen des Surferstädchens Hale'iwa bestiegen wir gegen neun Uhr morgens das Boot von One Ocean Diving. Auf der Agenda für heute: Schnorcheln und Freediving mit Haien. Seit Ewigkeiten stand dies auf meiner persönlichen Bucketlist, und ich hätte nicht stolzer auf meine Mädels sein können, die sich bereiterklärt hatten, dieses verrückte Abenteuer mit mir gemeinsam zu erleben. Positive Nervosität machte sich unter uns breit, und eine enorme Spannung lag in der Luft, als das Boot auf offenem Meer volle Fahrt aufnahm und über die Wellen preschte. Plötzlich wurde mir bewusst, dass ich nicht daran gedacht hatte, eine Reisetablette gegen meine so oft einsetzende Übelkeit auf Booten einzunehmen. Das würde ich bitter bereuen.
Mit viel Kompetenz erklärte uns das Research Team von One Ocean Diving alles, was wir wissen mussten, um uns mit ihnen ins Wasser zu trauen - und uns dabei sicher zu fühlen. Haie sind faszinierende Tiere und sehr wichtig für unser Ökosystem. Sie haben ein weitaus schlechteres Image, als sie verdienen. Dennoch sind es Raubtiere, und wir würden uns ohne Käfig mit ihnen in ihrem Territorium befinden. Seit über fünfzehn Jahren fährt das Team täglich hier heraus und kennt sich wohl wie niemand anderes weltweit mit Haien aus.
Als das Boot weit draußen zum Halten kam und ein perfekter Regenbogen über dem Horizont erschien, schossen wir ein paar letzte Gruppenfotos und zogen schließlich unsere Flossen und Schnorchelmasken an. Show Time!
Auch wenn ich schon öfter in Küstennähe schnorcheln war und es sehr liebe, war ich nicht vorbereitet auf das, was mich in den nächsten Momenten erwartete. Hier, weit draußen im offenen Pazifik im Wasser zu sein, hatte einen Zauber inne, den ich mit Worten kaum beschreiben kann, aber ich will es gerne versuchen.
Wir hatten die Anweisung bekommen, uns aufmerksam und konstant nach allen Seiten umzusehen, sobald wir im Wasser waren. Haie und viele andere Meeresbewohner konnten sich uns jederzeit von allen Seiten nähern, und es war unumgänglich, mit den Raubtieren Blickkontakt zu halten, um ihnen Dominanz zu signalisieren.
Sobald ich mit meiner Schnorchelmaske unter der Wasseroberfläche war, wurde ich aber tatsächlich von etwas anderem völlig in den Bann gezogen. Die Morgenstrahlen der Sonne bahnten sich in solch einer Intensität einen Weg in die Tiefe des Ozeans, dass die endlose blaue Weite um mich und unter mir in einer Magie erstrahlte, die ich nie wieder vergessen werde. Der Pazifik tat sich unter mir auf und leuchtete wie eine gigantische blaue, von himmlischem Licht durchstrahlte Kathedrale. Als wären da große Tore, die in ein Allerheiligstes einluden. Die Sonnenstrahlen reflektierten in einem blauen Glanz, der mich in meinem tiefsten Inneren berührte. Was war das nur für eine Welt hier unten?
Obwohl ich nicht genug von diesem Anblick bekommen konnte, hob mein Kopf sich über die Wasseroberfläche - wie um zu prüfen, ob das hier alles nur ein Traum war. Nein, es war Realität. Und doch kam es mir vor, als würde der Regenbogen am Horizont meine Feststellung belächeln. Er schien so echt und "normal", im Gegensatz zu dem, was ich eben erlebt hatte.
Entgegengesetzt zu all dieser Schönheit meldete sich mein Magen, und spätestens das holte mich in die Realität zurück. Wie konnte mir Übelkeit gerade jetzt einen Strich durch die Rechnung machen? Ich trotzte ihr tapfer und war sicher, ich könnte sie in Schach halten. Doch der Wellengang war stark, und ich spürte, wie mein Gleichgewichtssinn langsam außer Gefecht gesetzt wurde.
Das Motorengeräusch des Bootes hatte bei unserer Ankunft viele Galapagos- und...
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