Schweitzer Fachinformationen
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Sonnenstrahlen trafen auf meine Lider und ich kniff verzweifelt die Augen zusammen. Ich wollte noch nicht aufstehen. Nicht zurück in die Realität. Am besten niemals. Auch wenn ich jetzt woanders war und mich danach nicht die gewohnte, mit Erinnerungen behaftete Umgebung erwartete, war doch eines immer noch gleich. Dieser eine Fleck an meinem Körper, von dem ein Schmerz ausging, der sich durch mein Inneres zog, immens langsam und doch mit steigender Intensität. Er hatte sich nicht verändert. Obwohl ich meine Familie, meine Freunde und mein geliebtes Phoenix verlassen hatte, fühlte es sich genauso an, als wäre ich noch dort. Warum hatte ich etwas anderes erwartet? Probleme und Erinnerungen lösten sich nun mal nicht in Luft auf, nur weil man den Ort verließ, an dem sie entstanden waren. Ich stöhnte laut auf, öffnete langsam die Augen und sah mich um. Mein Blick fiel auf den braunen Kleiderschrank, der an der gegenüberliegenden Wand stand, den Schreibtisch inklusive Laptop rechts neben mir und auf das Fenster, das dringend Jalousien benötigte. Alles war so fremd. Nur meine Klamotten und Bücher, die aus den offenen Koffern hinausragten, waren mir vertraut. Das war alles, was übrig war. Ich allein mit einer Handvoll Sachen über 2000 Meilen von meiner Heimat entfernt. Für einen Moment überlegte ich, einen Flug zu buchen und nach Hause zu fliegen. Wer hatte nur diese blöde Idee gehabt, die gewohnte Umgebung mit Familie und Freunden hinter sich zu lassen? Ein kurzer Stich erinnerte mich wieder daran, warum ich mich dafür entschieden hatte.
Mühsam rappelte ich mich auf und ging ins Badezimmer. Beim Blick in den Spiegel schreckte ich zurück. Mein blonder Bob stand in alle Richtungen ab und unter meinen blaugrauen Augen standen tiefe Ringe. Sie schimmerten so dunkel, dass sie meinem schwarzen Shirt Konkurrenz machten. Aber das war es nicht, was mich in Panik versetzte. Es war dieser große blaue Fleck an meiner Wange. Wo kam der auf einmal her? Alle Wunden waren schon eine Weile verheilt und ich hatte mich auch nicht gestoßen. Ich trat näher ans Waschbecken und sah genauer hin. Doch plötzlich war er weg. Ich strich über meine Haut. Nichts. Nur eine Einbildung. Eine täuschend echte. Mal wieder. Ich atmete tief durch und drängte die Erinnerungen zurück, die sich nach oben kämpfen wollten. Sie durften einfach keinen Platz mehr in meinem neuen Leben einnehmen. Ich setzte eine entschlossene Miene auf und konzentrierte mich auf mein Ziel. Einen Neuanfang, weit weg von meinem Zuhause, dem Ort, der alles verändert hatte. An einer Uni, die mich meinem Traumberuf näher bringen würde. Psychologin. Damit ich Menschen wie Frankie retten konnte. Ich würde es schaffen, alles hinter mir lassen und dafür sorgen, dass so etwas nicht noch einmal geschah. Ich nickte und Zuversicht strömte durch mich hindurch. Wie ein Roboter erledigte ich meine Morgenroutine und machte mich auf den Weg zur Uni. Und hoffentlich auch in ein neues, besseres Leben.
Mein erster Kurs war Einführung in die Psychologie bei Dr. Peters und begann erst in 30 Minuten. Somit war ich verdammt früh dran, als ich in den Raum trat. Aber so hatte ich wenigstens freie Platzwahl. Ich stolperte ungern als Letzte in die Klasse, um mich dann wahrscheinlich ganz nach vorne setzen zu müssen. Nein, danke. Ich wollte zwar etwas lernen, aber nicht auf dem Schoß des Professors sitzen oder die anderen Studenten im Rücken haben. Es war immer besser, alles überblicken zu können. Deswegen wählte ich einen Tisch in einer der hinteren Reihen und packte Stift und Block aus. Doch schon im nächsten Moment erfüllte eine elende Stille den Raum und ich ärgerte mich, dass ich so überpünktlich war. Es war noch lange hin, bis die anderen kamen, und das hieß, ich hatte zu viel Zeit zum Nachdenken. Verdammt schlechter Plan. Aber irgendwelche Nachteile gab es doch immer. Dann musste ich mich halt irgendwie beschäftigen. Ich ließ den Blick durch den Raum wandern, aber die weißen kahlen Wände mit den großen Fenstern waren nicht gerade die beste Ablenkung. Ganz im Gegenteil, sie ließen mich frösteln. Wie konnte man einen Raum, in dem Studenten etwas lernen wollten, nur so kahl und trostlos gestalten? Und das bei diesem Kurs! Kopfschüttelnd über den Widerspruch schlug ich meinen Block auf und begann darin herumzukritzeln. Ich hatte kein Talent, was das Malen von Bildern betraf, aber Wörter bekam ich hin. Diejenigen, die mir im Kopf umherschwirrten, fanden so ihren Weg auf das Papier. Schon seit der Schulzeit zeichnete ich sie in verschiedenen Formen und Schriftarten an die Ränder meiner Notizen. Und so wie damals half es auch heute und entspannte mich, zumindest bis es plötzlich neben mir krachte. Ich fuhr zur Seite und blickte in große braune Augen.
»Sorry, ich wollte dich nicht erschrecken, aber diese blöde Tasche ist gerade gerissen.« Ich starrte die braunhaarige Frau an, dann ihre Tasche, und weil ich wohl nicht schnell genug antwortete, sprach sie weiter. »Ich bin Jess. Tut mir echt leid. Ist es okay, wenn ich mich hier hinsetze?«, fragte sie und zeigte auf den Platz neben mir.
Mein Herzschlag war immer noch auf Hochtouren, aber ein Nicken bekam ich zustande. Das war schließlich ein freies Land und irgendwer würde letztendlich sowieso neben mir sitzen. Jess schien mir eine gute Wahl. Sie hatte ein echtes Lächeln auf den Lippen, als sie sich setzte, war groß, hatte eine sportliche Figur und lange glatte Haare. Außerdem besaß sie eine Ausstrahlung, die natürlich und positiv wirkte und der jeder wohl früher oder später verfallen würde.
»Ich bin Kate«, sagte ich, nachdem ich den Schreck verdaut hatte.
»Freut mich, Kate.« Jess sah sich um. »Ich bin viel zu früh dran.« Dann blickte sie wieder zu mir. »Aber egal, ich bin ja nicht allein.« Ein breites Grinsen zierte ihr Gesicht und ich musste es automatisch erwidern.
Da war sie, meine perfekte Ablenkung. Auch wenn Jess gerne redete und mir sofort ihre halbe Lebensgeschichte erzählte - sie war 18, also genauso alt wie ich, Waise und wurde bisher von Pflegefamilie zu Pflegefamilie gereicht -, hatte ich etwas, auf das ich mich zwischen den Vorlesungen konzentrieren konnte. Denn Jess hatte bereits beschlossen, dass wir Freundinnen werden würden, da hatte ich noch nicht einmal Luft geholt. Doch das war nicht schlimm, denn ich mochte sie. Obwohl sie keine rosige Vergangenheit hatte, war sie so voller positiver Energie, und das war genau das, was ich gerade brauchte. Ich vermisste meine Freunde in Phoenix, aber Jess schaffte es in kurzer Zeit, meine Sehnsucht zu verringern.
»Hey, neue Freundin«, fing mich Jess am Freitag nach der letzten Vorlesung ab und hakte sich bei mir ein. »Wir gehen heute Abend zu dieser Party.« Sie hielt mir einen Flyer vor die Nase.
Ich verzog das Gesicht. Ich wollte auf keine Party, schon allein bei dem Gedanken an alkoholisierte Männer wurde mir übel. Und nicht nur auf die konnte ich verzichten, sondern auf jedes männliche Wesen auf diesem Planeten.
»Verzieh nicht so das Gesicht, das gibt Falten«, sagte Jess grinsend und stieß gegen meine Schulter. »Komm schon, wir sind auf dem College und haben unsere erste Woche überstanden. Das sollten wir feiern.« Sie wedelte mit dem Flyer. »Außerdem kenne ich nur dich, bitte, Kate.«
Ich verdrehte die Augen und sie öffnete erneut den Mund. Wenn sie mir jetzt sagte, dass meine Augen stehen bleiben würden, wenn ich das tat, würde ich den Flyer hier und jetzt zerreißen. Doch sie schloss ihren Mund wieder und sah mich erwartungsvoll an. Fast wie ein Hund, der unbedingt den Ball haben wollte. Wie gemein.
Ich atmete hörbar aus. »Aber wenn es mir nicht gefällt, gehe ich wieder.«
Jess jubelte. »Selbstverständlich, doch ich bin mir sicher, dass wir uns großartig amüsieren werden.«
Warum nur konnte ich das nicht glauben?
Und wer hatte mit seiner Vermutung recht gehabt? Ich natürlich. Das Gute war: Es gab keine betrunkenen Typen und keine laute Musik. Dafür aber gähnende Langeweile. Party? Fehlanzeige. Ich sollte mich darüber freuen, doch ich wusste nicht, ob das hier wirklich besser war. Auf der Couch saßen ein paar schüchterne Nerds, die an ihrer Cola nippten, während am Fenster vier Mädels standen. Sie tuschelten und schauten immer wieder zu den Jungs. Ich kam mir vor wie in der achten Klasse. Was für einen Flyer hatte Jess da nur erwischt? Und wo war sie überhaupt? Während ich mich in den freien Sessel gesetzt hatte, wollte sie uns etwas zu trinken besorgen. Das war allerdings schon gefühlt eine halbe Stunde her. Ob sie unterwegs eingeschlafen war? Es würde mich nicht überraschen.
Ich überlegte bestimmt geschlagene zehn Minuten, ob ich aufstehen und sie suchen oder einfach die Ruhe genießen sollte. Die erste Woche hatte mich ganz schön geschlaucht und es war mir vorhin extrem schwergefallen, mich überhaupt zu dieser »Party« aufzuraffen. Außerdem war der Sessel so bequem, dass ich am liebsten die Augen zugemacht hätte. Aber da ich eher nach Hause wollte, als den Clowns hier weiter bei ihren unsicheren Flirtversuchen zuzusehen, hievte ich mich irgendwann hoch und machte mich auf die Suche nach der Küche. Außerdem hatte ich Durst. Schon von Weitem...
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