Schweitzer Fachinformationen
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Ich wollte dem Kerl, der sich da monsterartig vor mir aufgebaut hatte, überhaupt nicht wehtun. Aber ich musste unbedingt verhindern, dass seine Hand, die wie eine scharfe Klinge über mir drohte, im nächsten Augenblick auf meiner Schläfe landete. Und es ging auch darum, meine sensibelsten Regionen - jeder Mann wird für meine Besorgnis Verständnis aufbringen - vor einem nicht auszuschließenden Fußtritt zu schützen. Deshalb stellte ich mich leicht schräg. Ich atmete tief ein und zog die Luft durch meine Lungen hindurch bis in mein Hara hinab. Ich hätte dabei ganz entspannt sein sollen. War ich aber nicht. Mein bärtiges Gegenüber grinste dreckig. Seine Augen sagten: »Du kriegst gleich eine, dass du nicht mehr weißt, wo dir der Kopf steht!«
Ich bin nicht gerade klein, aber der Kerl überragte mich doch sehr. Und als besonders zartgliedrig würde ich mich auch nicht bezeichnen; trotzdem hatte mein Gegenüber den kräftigeren Knochenbau. Während unseres Kampfes war sein Hemdkragen aufgegangen, sodass ich die weißen Haare auf seiner Brust sehen konnte. Auf seiner Stirn, an seinen Schläfen, an beiden Nasenflügeln und an seinem Hals glänzten dicke Schweißtropfen. Es freute mich, dass ich ihm ordentlich eingeheizt hatte!
Was jetzt kam, war nicht schwer zu erraten: ein wohl überlegter, kontrollierter und ohne Eile ausgeführter Schlag. Den wollte ich lieber gar nicht erst zulassen. Während ich mit dem linken Fuß einen Schritt vorwärts tat, ergriff ich mit der linken Hand seinen Unterarm und mit der rechten das dazugehörige Handgelenk. Ich entließ die in meinem Innern angestaute Luft und machte einen Schritt nach links. Das wirkte sich ziemlich nachteilig auf das bereits angeschlagene Gleichgewicht meines Gegenübers aus. Und als ich meine Arme nach unten führte, klappte der lange Kerl wie ein Taschenmesser zusammen.
Jetzt hatte ich ihn so weit. Da lag er nun, und ich kniete neben ihm. Es nützte gar nichts, dass er herumzappelte. Ich hatte ihn vollständig unter Kontrolle. Schön, aber was jetzt? Keine Ahnung! Von mir aus konnten wir stundenlang so liegen- beziehungsweise sitzen bleiben und uns Geschichten erzählen!
Da ich wirklich nicht weiterwusste, ließ ich seinen Arm los und sprang auf. Auch der bärtige Mann stand auf. Er rieb sich den Ellbogen des Armes, mit welchem ich ihn auf die Erde gedrückt hatte. Jetzt war ich dran. Ich trat einen Schritt zurück und bereitete - genau wie er vorher - einen wohlüberlegten, kontrollierten Angriff vor.
Der Mann war besser als ich. Das gemeine Grinsen auf seinem Gesicht verschwand, stattdessen zeichnete sich dort jetzt die ernsthafte Aufmerksamkeit eines Uhrmachers ab. Bevor ich überhaupt begriff, dass er angefangen hatte, fand ich mich schon auf der Matte wieder.
Unser Meister klatschte in die Hände.
Wie die anderen fünf Paare ließen wir auf der Stelle voneinander ab. Kniend und mit erhobenem Kopf beugten wir uns leicht nach vorn, wobei wir unserem jeweiligen Gegenüber in die Augen sahen und zuerst unsere linken und dann unsere rechten Hände aneinander legten.
Mein Freund, der Werbemensch, der mit einem kleinen Inserat in der Hürriyet dafür gesorgt hatte, dass ich mehr Anrufe erhielt als meine wenigen Berufskollegen, kam im Shikko-Gang auf mich zu, nachdem er sich von seinem Uke verabschiedet hatte.
»Verschwinde nicht wieder gleich nach dem Duschen«, sagte er leise. »Ich muss mit dir reden.«
Ich nickte. Wir zehn Aikidoka saßen jetzt vereint im Seiza-Sitz und blickten auf unseren Meister: meine Wenigkeit, der Privatdetektiv Remzi Ünal, mein Freund, der Werbemensch, der Filmregisseur, mit dem ich eben noch trainiert hatte, der Eisenwarenhändler, der Gymnasiast, der sich für die Uni-Aufnahmeprüfung vorbereitete, der Typ, der, frisch vom Militär zurück, noch keine Arbeit gefunden hatte, der Schiffsausstatter, der Programmierer und - als einzige Frau - die Journalistin. Wir alle sahen unserem Meister zu, wie er, zusammen mit dem Dichter, der der Ranghöchste in unserem Dojo war, eine neue Figur vorführte. Wie immer kapierte ich auch diesmal bei der ersten Demonstration gar nichts.
»Domo arigato gozaimashita!«, sagte unser Sensei schließlich.
»Domo arigato gozaimashita!«, antworteten wir im Chor. Wie jedesmal dankten wir einander, und wie jedesmal fragte ich mich, was ich dort eigentlich zu suchen hatte. Dreimal die Woche Aikido war vielleicht doch etwas für jüngere Menschen.
Doch schon nach der Dusche spürte ich meine körperliche und seelische Fitness zurückkehren, die es mir erlaubte, den Schlechtigkeiten dieser Welt die Stirn zu bieten. Und für meinen Lebensunterhalt zu sorgen, natürlich ohne den geringsten Versuch, den Lauf der Welt ändern zu wollen. Aber wo blieben die Aufträge? Die kleine Anzeige in der Hürriyet schien nur Leute anzulocken, die nichts Besseres zu tun hatten, als ihren Frust auf meinem Anrufbeantworter abzuladen. Ja, und dann war da noch die etwas verwirrte Dame, die sich hartnäckig weigerte, Name und Adresse zu hinterlassen.
Während ich mich anzog, hörte ich schweigend zu, wie der Filmregisseur und der Eisenwarenhändler die allgemeine ökonomische Lage diskutierten. Ich sah, wie mein Freund, der Werbemensch, sich sorgfältig mit Deodorant besprühte, nachdem er in seine von den unseren so abstechend teure Marken-Unterhose gestiegen war. Er kniff sich in die Fettröllchen oberhalb der Gürtellinie und zog, wie immer, ein verdrossenes Gesicht. »Mal wieder zu viel gefuttert«, sagte er.
Wie immer enthielt ich mich eines Kommentars. Und wie immer nahm er mir das nicht übel. Er zog jetzt sein Seidenhemd und seine modisch weite Hose an, in der ich ganz sicher eine komische Figur abgegeben hätte. Dann kam die Reihe an die italienischen Schuhe. Auch ein seidenes Foulard gehörte zur Ausstattung.
»Bleibst du zum Frühstück?«, fragte er.
Wie immer schüttelte ich den Kopf. Er, der Eisenwarenhändler, unser Meister, der Schiffsausstatter und der Filmregisseur trafen sich jeden Samstagmorgen nach dem Training oben neben dem Pool, wo sie im Schatten der Bäume ein unglaubliches Frühstück zelebrierten. Weil ich eine so früh am Tag eingenommene Mahlzeit mit einem saurem Magen bezahlen musste und weil ich nur mäßiges Interesse für die Konversation dort aufbringen konnte, blieb ich diesen Zusammenkünften fern. Genau wie der Gymnasiast, der Programmierer und unser arbeitsloser Kollege pflegte ich, nachdem wir uns gegenseitig ein schönes Wochenende gewünscht hatten, meiner Wege zu gehen. Nur die Journalistin nahm hin und wieder an diesen Frühstücksorgien teil.
»Hast du momentan viel zu tun?«, fragte mein Werbefreund, während er sich die Haare kämmte.
Ich war längst angezogen. Und längst sehnte ich mich nach meiner Cessna Skylane RG, die zu Hause auf mich wartete.
»Einen neuen Kunden könnte ich noch unterbringen«, erwiderte ich. Dabei hoffte ich inständig, dass er mich nicht selbst anstellen wollte. Dafür, dass ich seinerzeit einige »Zeitschriftenhändler« aufgespürt hatte, die seiner Agentur Geld schuldeten, schaltete er zu Sonderbedingungen meine kleine Anzeige in der Zeitung. Aber das war keine Geschäftsverbindung, sondern unter Aikidokas übliche Solidarität, die zu einer Art Freundschaft geführt hatte.
»Einer meiner Kunden könnte deine Hilfe gebrauchen«, sagte er.
»Inkasso ist nicht mein Ding, das weißt du doch«, entgegnete ich vorsichtig.
»Ja, weiß ich«, sagte er. Es ist etwas anderes. Du sollst auch nicht seine Frau beschatten.«
»Was dann?«
»Es handelt sich um den Besitzer der Textilfirma Karasu. Du weißt doch, wo ich den Film gemacht habe, in dem die Mädchen reihenweise ins Schwimmbecken fielen .«
Ich erinnerte mich an den Werbestreifen und wie die in Chefetagen-Kleidern aufmarschierenden Models eins nach dem anderen, und noch bevor man die Klamotten überhaupt richtig wahrnehmen konnte, in den Pool sprangen. Und dass sie unter den nun nassen Kleidern kaum etwas anhatten, war beim Heraussteigen kaum zu übersehen gewesen. Ich hatte damals nicht verstanden, was dieser Gag eigentlich aussagen sollte. Aber mein Werbefreund fand das Ergebnis äußerst zufriedenstellend.
»Ist eine von den Darstellerinnen abgesoffen?«, fragte ich.
»Nein, das nicht.« Er lachte. Anscheinend war ihm das gute Geld eingefallen, das ihm die Kampagne eingebracht hatte. »Aber der Mann besitzt auch einen Fußballverein. Und der macht ihm augenblicklich Sorgen.«
»Karasu Günesspor.«
»Karasu Günesspor«, bestätigte er.
Ich kannte den Klub. Es handelte sich um einen Istanbuler Stadtteilsverein, der erst im vergangenen Jahr in die dritte Liga aufgestiegen war. Seit die Firma Karasu Textilien ihn sponserte, war er immer besser geworden, sodass er endlich aus dem Amateurstatus herausgekommen war. Natürlich hatte es auch ein paar wichtige Transfers gegeben. Soviel ich mitbekommen hatte, waren da recht große Summen im Spiel gewesen. Trotzdem schien der Klub gerade jetzt gegen Ende der Saison nicht ganz auf der Höhe.
»Will er den Schiedsrichter bestechen?«, fragte ich.
»Mensch Abi, woran du immer gleich denkst«, meinte mein Freund.
»Wenn er das nicht macht, fliegt sein Klub aber ziemlich sicher aus der Liga«, hielt ich dagegen.
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