WARUM BRAUCHEN MENSCHEN HUNDE?
Wenn Menschen sich dazu entschließen und sich einen Hund an ihre Seite wünschen, wählen sie ihre zukünftigen Begleiter meistens nach bestimmten Kriterien, Ansprüchen und der aktuellen Emotionslage aus.
Aussehen, Größe, Geschlecht und Charaktereigenschaften sind einige Punkte, die bei der Hundeauswahl berücksichtigt und erwartet werden. Soll es ein Hund sein, der gerade in Mode ist, oder kommt für den Hundebesitzer seit Jahren immer nur eine Rasse oder der Mischling in Frage? Wird es ein Hund vom Züchter oder lieber ein Hund aus dem Tierschutz? Wird es eine kleine "Fellnase", oder lieber doch ein großer Weggefährte? Doch wie kommt der Mensch auf den Hund?
Mittlerweile geht der erste Weg zum Hund meistens über die Tastatur des Rechners. Beim Besuch einiger Webseiten im Internet werden die unterschiedlichsten Hunde angeboten und jeder Mensch, der sich einen vierbeinigen Freund an seine Seite wünscht, wird hier schnell und reichhaltig bedient. Im Klartext: Viele Menschen schauen sich viele Hunde im Schnellsuchlauf auf Bildern an, lesen ein wenig über die Eigenschaften und Verhaltensweisen und ein paar "Klicks" weiter kann sich der Mensch in seinen zukünftigen vierbeinigen Freund verlieben, oder auch nicht.
Ähnlich wie auf "Dating Seiten" und Singlebörsen fühlen sich aber viele Menschen schnell damit überfordert, Steckbriefe sorgsam und mit Ruhe zu lesen. Das Problem ist die Flut an Bildern, die das Auge und das Bewusstsein nach einiger Zeit nicht mehr filtern können. Dadurch kann es zu einer Reizüberflutung kommen.
© Andreas Ohligschläger / privat
Wenn ich einen Welpen auf den Arm habe, spricht nur noch mein Herz.
© Andreas Ohligschläger / privat
Welcher Hund passt in mein Leben?
Stattdessen wählen Menschen nach einer gewissen Zeit im Internet ihre potenziellen Partner nach oberflächlichen Kriterien aus. Frauen achten auf den Status des Mannes, Männer oftmals auf das Alter einer Frau. Darin spiegelt sich ein Mechanismus, der unbewusst tief in unserer Psyche verankert ist. Von Natur aus neigen wir dazu, von Äußerlichkeiten auf die gesamte Person zu schließen. Wirkt jemand attraktiv, vermuten wir instinktiv, dass dieser Mensch auch gebildet, befähigt und vertrauenswürdig wäre - auch wenn jeder weiß, dass solche Klassifizierungen längst nicht immer zutreffen. Die Ansprüche werden nach einer gewissen Zeit immer größer und der Hang zum perfekten Partner nimmt stetig zu. Nicht selten entwickelt sich eine regelrechte konsumorientierte Shoppingmentalität.
Ähnlich verhält es sich mit der Auswahl des zukünftigen Sozialpartners Hund. Wo sich Menschen vor einigen Jahren noch vermehrt nach großen und starken Hunden umsahen, die sie beschützen sollten, werden mittlerweile auch viel häufiger kleine Hunde bevorzugt. Rassen mit großen Augen und herzförmigen Köpfen, kleiner Nase, kleinem Maul und plumper oder niedlicher Körperform trifft man immer häufiger an, auch an der Seite des Mannes.
Viele Menschen sehnen sich nach Nähe und Herzlichkeit.
WARUM LIEBEN MENSCHEN "BABYHUNDE"?
Die oben beschriebenen äußerlichen Merkmale fasst man unter dem Begriff "Kindchenschema" zusammen. Dieser Begriff geht auf den Zoologen und Verhaltensforscher Konrad Lorenz zurück. Er stellte bei seinen Forschungen fest, dass diese Merkmale das Brutpflegeverhalten und die fürsorgliche Zuwendung anregten. Und wer seinen Nachwuchs rundum gut und sicher versorgt, verbessert natürlich die Überlebenschancen des niedlichen Nachwuchses.
Mittlerweile weiß man, dass das Kindchenschema tatsächlich eine Reihe von Verhaltensweisen bei uns auslöst. Unter anderem fördert es den Antrieb, sich kümmern zu wollen und dem kleinen, süßen Lebewesen als großer Beschützer zur Seite zu stehen. Der "Beschützerinstinkt", wird demnach als soziale Brücke zwischen Menschen und Hunden durch die Merkmale eines "Babyhundes" extrem verstärkt. Zudem bremst es aggressive Verhaltensweisen beim Menschen, wodurch es nicht verwunderlich ist, dass viele Menschen gerne in diese hilfsbedürftigen und niedlichen Gesichter schauen.
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Die Nähe zu Hunden löst bei vielen Menschen Zufriedenheit und innere Ruhe aus.
Mit anderen Worten, der Hund löst beim Menschen beflügelte und glückliche Empfindungen aus und wird dadurch nicht nur mit "Leckerbissen", sondern auch mit ganz viel Liebe und Gefühl belohnt. Der Hund wiederum dankt dies dem Menschen durch sein süßes und kindisches Verhalten und seinem unwiderstehlichem Dackelblick. Der Hund überzeugt mit seiner Niedlichkeit und der Mensch bedankt sich mit hingebungsvoller Fürsorge. Beide Seiten können hier instinktiv nicht nein sagen.
Desweiteren kommt hinzu, dass emotionale Bedürftigkeit und Zuwendung vom Menschen leider oftmals zu wenig Nährboden in unserer schnelllebigen Zeit finden. Singles fühlen sich einsam ohne Partner, viele Partner fühlen sich einsam in Beziehungen und viele Menschen fühlen noch nicht mal mehr sich selbst. Nähe, Zuwendung, Verständnis, Respekt und Liebe sind Bedürfnisse, die leider in unserer heutigen Zeit häufig auf der Strecke bleiben. Da zu wenig oder gar keine Zeit mehr für das "Fühlen und Erleben" in zwischenmenschlichen Beziehungen bleibt, entscheiden sich viele Menschen für ein Leben mit und für den Hund.
Ein ganz wichtiger, aber oftmals nicht bedachter Punkt ist zudem, dass sich immer häufiger Menschen in bestimmten Lebenssituationen Hunde aus einer akuten situativen Emotionslage heraus aussuchen. Bin ich gerade unzufrieden oder ausgeglichen, bin ich Single oder in einer Beziehung, ist mein Alltag stressig oder entspannt, brauche ich einen Begleiter oder Beschütze, etc.? Und hier werden schon die ersten Grundsteine und Wege für die spätere Mensch-Hund-Beziehung gelegt.
INFO
Aus MRT-Untersuchungen an Menschen weiß man, dass beim Betrachten des Kindchenschemas Teile des mesolimbischen Systems aktiviert werden.
Hier sitzt das "Belohnungssystem", das durch das Glückshormon Dopamin an der Entstehung von Freude, Lustgefühlen, Motivation, emotionalen Lernprozessen, Suchtverhalten und Belohnungslernen beteiligt ist (Glocker et. al. 2009).
WIRKUNG AUF DIE BEZIEHUNG ZWISCHEN MENSCHEN UND HUNDEN
Hunde, die viele Merkmale des Kindchenschemas aufweisen, sind stärker in Mode gekommen. Doch leider bringen durch die gezielte Zucht und Überzüchtung immer mehr Rassen, Merkmale seltsamer Mutationen hervor. Hunde mit viel zu kurzen Beinen und Zwergwuchs, übermäßigem Fell, zu kurzer Schnauze, Glubschaugen und einer extremen Rundköpfigkeit, leiden unter den Erwartungen und Bedürfnissen der Menschen. Erhebliche gesundheitliche Beeinträchtigungen sind die Folgen und viele dieser Hunde leiden unter den Strapazen dieser auf die für den Menschen zugeschnittenen Zuchtformen.
Hunde übernehmen zunehmend auch die Rolle von vermenschlichten Sozialpartnern und müssen unter anderem auch unsere Sorgen und Ängste auffangen. Viele Menschen deckeln in der heutigen Leistungsgesellschaft ihre Gefühle, um Stärke zu beweisen und zu funktionieren. Meditation, Yoga, Qi Gong und einige andere Entspannungstechniken sollen uns unterstützen und helfen, wieder den Weg in die Balance zu finden. Viele Menschen zwingen sich mittlerweile zur Ruhe und Ausgeglichenheit und machen sich damit wieder neuen Stress. Aber was hat das alles mit unserer Beziehung zu Hunden zu tun?
Ein Großteil der Bevölkerung lebt alleine, getrennt oder als Single, oder eben mit Hunden. Der Grund für die zunehmend mangelnde Beziehungsbereitschaft beim Menschen ist eine fehlende solide Emotionskultur. Wir deckeln immer häufiger unsere Gefühle wie Angst, Trauer und Wut und verlernen dadurch, Grenzen für uns und andere zu setzen. Da sich so viele Menschen in einem ständigen Überdruckkostüm befinden, können sie kaum noch mit Belastungen umgehen. Jedes Anzeichen von Stress in zwischenmenschlichen Beziehungen wird als potenzielle Bedrohung gesehen und oftmals überschnell das Handtuch geworfen. Die mediale Welt von Kommunikationsmitteln trägt zusätzlich dazu bei, dass wir uns nicht mehr persönlich begegnen müssen, um einen Konflikt auf natürliche Art auszuleben und aufzulösen. Lieber bleiben Menschen alleine, als sich neuen Konflikten und Herausforderungen zu stellen. Bloß nicht noch mehr Stress, das Fass ist voll.
Wie bereits oben erwähnt, bewegen sich viele Menschen in unserer Gesellschaft immer häufiger in die emotionale Isolation. Unser Alltag beschleunigt sich und scheucht uns von einem Termin zum nächsten. Die Überreizung durch die Massenmedien und der Druck, dem viele Menschen ausgesetzt sind, führen vielfach zu psychischen und physischen Problemen. Der Burnout ist zur Volkskrankheit geworden. Wenn wir zu wenige soziale Kontakte pflegen, isolieren wir uns zunehmend und der Ruf nach Liebe, Zuwendung und Geborgenheit wird immer lauter.
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Es macht einen großen Unterschied, ob wir Single sind oder in einer Beziehung leben.
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Zu viel Mensch am Hund ist ungesund.
DER HUND KOMMT INS SPIEL DER GEFÜHLE
Wenn nun ein hilfsbedürftiger Hund an unserer Seite nach Zuwendung ruft, kommen wir dieser Aufforderung instinktiv und bereitwillig mit offenem Herzen nach. Und wenn wir im Leben zu oft von Menschen enttäuscht worden sind, kann der Hund im Laufe der Zeit zum augenscheinlich besten Freund und Seelentröster werden. Besonders niedlich und kindlich...