Schweitzer Fachinformationen
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Wir waren weggezogen aus unserer religiösen Straße. Die Frauen dachten, daß das Holzhaus dort in den Händen der Geister war und diese Hausgeister mich nicht gesund werden ließen, und sie stellten ihre Füße vor die Chancen meines Vaters. Wegen mir zogen wir in die halbfertige Villa. Draußen sitzen die Villen, eine neben der anderen, und schauen alle auf eine staubige Straße. Ab und zu mal fährt ein Lastwagen mit einem kaputten Atem vorbei. Hinter der staubigen Straße sah ich die Felder, die unter der Sonne stumm da standen, in der Angst, daß die Sonne, wenn sie sich bewegen, sie mit ihren Flammen erwürgen könnte. Die Bürokraten, die ich in unserem Religiöse-Straße-Haus auf den Stühlen sitzen gesehen hatte, wohnten in den Villen, die schon fertig waren. In der ersten Villa wohnte der Mann, der mich gefragt hatte: »Mein Kind, was ist nötig für uns Menschen, Wasser oder Elektrizität?« Mein Vater und er begrüßten sich, ihre Hüte kurz vom Kopf abnehmend. Der Bürokrat sagte meinem Vater: »Mustafa Bey, Sie sind ein guter Mensch, aber das Geld schmeißen Sie in den Bach. Sie müssen das Geld so festhalten.« Er drückte seine Hand, machte eine Faust und leckte an seiner eigenen Faust. Das Geld müßte mein Vater festhalten und nur etwas daran lecken. Der erste Bürokrat, der in der ersten Villa wohnte, gab meinem Vater Mustafa diesen Rat. Der zweite Bürokrat, der in der zweiten Villa wohnte, gab meiner Mutter Bücher zum Lesen. Der dritte Bürokrat, der in der dritten Villa wohnte, kam, sagte: »Wir gehen alle den Republikfeiertag feiern.« Großmutter sagte: »Was soll ich mit dem Feiertag machen, für einen Narren ist jeder Tag ein Feiertag.« Der dritte Bürokrat, Großmutter, Baumwolltante, ich, meine Brüder, Mutter gingen zum Republikfeiertag. Meine Mutter hatte mir aus rosa Taft ein langes Kleid genäht. Dieses Kleid hatte 50 kleine Knöpfe am Rücken. Mit diesem Kleid ging ich mit bis zur Stadtmitte. Da habe ich die Offiziere gesehen. Die Männer mit ihren Musikinstrumenten blinzelten in unsere Augen mit der Sonne, die sie über ihren Instrumenten trugen. Hinter ihnen kamen Laufoffiziere, ihre Kleider sahen aus wie gut gebügeltes, schwitzendes, rotes Papier. Hinter ihnen kamen alte Männer in armen Kleidern, an ihren Kragen hingen Medaillen. Diese Medaillen bedeuteten, daß sie aus dem Freiheitskrieg verletzt, aber ohne zu sterben, herausgekommen waren. Ich sah einen Mann, der lief wie in der Mitte gebogen, sein Gesicht küßte fast die Erde, an seinem Kragen hing diese Kriegsmedaille, er hatte keine Schuhe, er hatte zwei Kopftücher um seine Füße gewickelt. Dann gingen wir zum Schulhof, dort las ein Lehrer ein Gedicht ins Mikrophon, das der Stimme des Lehrers ständig Backpfeifen gab. Wir hörten immer ein
Aiyaiyaiyaiyaiyaiya
Aiyaiyaiya
Von diesem Aiyaiyaiya gingen die Hüte der Männer hopprauf, hopprunter, unsere Röcke hopprauf, hopprunter. Am Ende des Gedichts hörten wir den letzten Satz: »Atatürk, steh auf aus deinem Grab,
ich will mich an deiner Stelle hinlegen.«
Dieser Satz brachte mich zum Weinen, ich weinte wie ein Esel. »Weine nicht«, sagten sie, »jetzt gibt es Tee, trockenen Kuchen und Schülertanz im Saal.« »Weine nicht, meine Seele, sonst kriegt deine kranke Lunge eine Tollwut«, sagte meine Mutter.
Der Schülerchor, mit seinen wegen Pilzkrankheiten rasierten Köpfen, stand da, als ob die Körper es schwer hätten, ihre Köpfe zu tragen. Sie sagten:
»Ich bin Türke
Ich bin ehrlich
Ich bin fleißig
Mein Ziel: die Älteren respektieren
Die Kleinen lieben
und mein Land vorwärts bringen.«
Die Hände klatschten mit Keksen in den Mündern, die Kapelle sagte: »Erster Walzer.« Die Kinder tanzten, zweimal links, dreimal rechts, mit einem Lied:
»Du bist so schlank wie eine Kamille
Ich bin trist, wenn ich dich sehe
Warum verbrennt dein Name meinen Mund
Ach, was habe ich zu leiden wegen dir
Ich flehe dich an, komm, mach mich nicht trist
Komm, glaub mir, ich liebe dich sehr.«
Die Mütter und Väter wackelten mit ihren Köpfen, Kekse in ihren Mündern, und sangen mit vollem Mund.
Die Musik hinkt. Die Stimmen hinkten, die tanzenden Schüler hinkten, der Sohn von Schuloberlehrer tanzte mit mir, wir waren wie zwei getrocknete Stöcke, die sich am liebsten geschlagen hätten. Er hielt seine Hand an meinen Rücken, und beim hinkenden Tanzen riß er die Knöpfe aus meinem rosa Taftkleid. Die Knöpfe fallen tap tap runter. Das große Bild des Atatürk an der Wand sah das alles, schaute mit traurigen Augen, Falten auf seiner Stirn, herunter zum Saal. Die Menschen warfen Papierrollen und Konfetti auf die Tanzenden, wir sahen wie gefangengenommene Gefangene aus. Der dritte Bürokrat kam mit meiner Großmutter und sagte: »Großmutter, heute ist ein historischer Tag«, und photographierte meine Großmutter und mich vor dem Bild des Atatürk. Die Menschen sagten im Chor: »Aaaa, sie ist wieder abgehauen.« Die Elektrik hatte sich wieder zurückgezogen. Streichhölzer gingen an, die Musik ging aus, Elektrik kam nicht, Streichhölzer gingen aus, jemand sagte im Dunkeln: »Bismillâhirahmanirrahim.«
Die Tür ging auf.
Draußen standen die Sterne.
Großmutter sagte: »Jeder Mensch hat einen Stern, wenn dieser Stern rutscht, dann stirbt man.« Ich sehe einen sehr großen Stern. Der war allein, ich sagte nur zu mir: Das ist mein Stern, das bin ich. Auf der staubigen Straße gab es keine andere Stimme als die Stimme meines Taftkleides. Baumwolltante, Großmutter, Mutter, meine Brüder liefen hinter dieser Taftstimme her - bis nach Hause. Vor unserer halbfertigen Villa stand der Lastwagen von Bruder Osman und pustete die Steinbrucharbeiter und meinen Vater in die Nacht. Die Steinbrucharbeiter sahen uns Kinder, Frauen, mit Papierfahnen in der Hand, mit ihren Augen wie tiefe Brunnen, in die nur ein blinder Mann reingehen würde. Mein Vater sagte, er könnte die Bauarbeiter nicht mehr bezahlen. Er hatte sich vor jedem großen Vögel verbeugt. Er sagte: »Allah hat nicht alle Türen zugemacht, ich gehe wieder zu den großen Männern Geld borgen.« Großmutter sagte: »Ein Blinder sogar wird nicht in dasselbe Loch, in das er einmal gefallen ist, noch ein zweites Mal fallen.« Mein Vater sagte: »Mutter, mit Wörtern kann man keinen Vogel fangen, ich muß Geld borgen.« Mutter sagte: »Geld borgen von Reichen ist, als wenn man versucht, einem Blinden einen Spiegel zu verkaufen.« Vater sagte: »Mit Wörtern kann man kein Schiff zum Schwimmen bringen, ich muß Geld borgen. Nur Allah hat keine Schulden, ich muß Schulden machen.« Großmutter sagte: »Geh zu einer anderen Baustelle als Maurer arbeiten, oder trage Steine auf deinem Rücken, du hast ja noch alle Zähne in deinem Mund.« Mein Vater sagte: »Ich, der große Bauunternehmer. Mutter, misch dich nicht mit dem Teig an deiner Hand in Männersachen. Habe ich euch bis jetzt als Nutten arbeiten geschickt? Ich habe nicht geschickt. Ihr sitzt zu Hause, eine Hand über die andere und die Hände über eurer Schachtel.« Dann zwinkerte er mit dem Auge und lachte. Die Frauen sagten im Chor: »Ja, Mustafa, mach, was du willst. Wer sich selbst einen Fuß vor seinen anderen Fuß stellt und hinfällt, weint nicht und ruft nicht nach der Mutter.«
Mustafa ging Geld borgen. Baumwolltante, Mutter, Großmutter, saßen da, wie mein Vater gesagt hatte: eine Hand in der anderen Hand und beide Hände über ihren Schachteln.
Der Steinberg schweigt, der Kalkbrunnen schweigt, die Felder schweigen, Elektrik kommt und geht, keiner spricht über sie. Ich höre nur das reife Sonnenblumenkerngeräusch in den Mündern meiner Brüder.
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Mein Vater kam jede Nacht wie sein eigener Schatten in die halbfertige Villa und ging, bevor die Sonne sich gebar, wieder raus. Ich sah ihn auf dem staubigen Weg mit seinem Hut Richtung Stadt laufen.
Mein Vater kam wieder in der Nacht wie sein eigener Schatten in die halbfertige Villa und ging wieder, bevor die Sonne sich gebar, wieder raus. Ich sah ihn wieder auf dem staubigen Weg mit seinem Hut Richtung Stadt laufen. Mein Vater kam wieder in der Nacht, wieder wie sein eigener Schatten, in die halbfertige Villa, und ging wieder, bevor die Sonne sich gebar, wieder raus. Ich sah ihn auf dem staubigen Weg mit seinem Hut Richtung Stadt laufen. Mein Vater kam wieder in der Nacht wie sein eigener Schatten in die halbfertige Villa, und ging wieder, bevor die Sonne sich gebar, raus. Ich sah ihn wieder auf dem staubigen Weg mit seinem Hut Richtung Stadt...
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