Schweitzer Fachinformationen
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Die Gründe dafür, warum jemand sich für einen Beruf begeistert, können sehr banal sein. Bei dem einen sind es die Eltern, denen man nacheifern will. Bei der anderen ist es die Freundin, die von einem freien Praktikumsplatz erzählt, auf den man sich dann bewirbt. Bei mir war es das »Grund Genug«-Magazin des hauseigenen Verlags von Engel & Völkers.
Ich weiß noch genau, wie ich damals in meinem vorletzten Jahr in der Schule eine Ausgabe dieses Magazins in die Hand bekam Mein Vater brachte oftmals freitags eine Vielzahl von Architektur- und Interior-Design-Magazinen als Wochenendlektüre mit. Die exklusiven Wohnungen, Häuser und Anwesen, die insbesondere in den Homestorys des »Grund Genug«-Magazins vorgestellt wurden, faszinierten mich beim Durchblättern so sehr, dass ich einen Entschluss fasste: Ich würde eine Bewerbung losschicken für einen der offenen Ausbildungsplätze zum Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft. Ich hatte überhaupt keine Vorstellung von der Immobilienbranche oder dem Unternehmen hinter den Hochglanzbildern. Auch kannte ich niemanden, der dort arbeitete. Trotzdem verschickte ich nur diese einzige Bewerbung an Engel & Völkers. Sollte das nicht klappen, würde ich Jura studieren, wie ich es eigentlich vorhatte nach meinem Abitur.
Meine Bewerbung bei Engel & Völkers
Wenn ich später hörte, dass Schulabgänger nicht selten Dutzende oder gar mehr als hundert Bewerbungen schreiben müssen, um einen Ausbildungsplatz zu bekommen, kann ich im Nachhinein nur staunen, wie es bei mir geklappt hat. War es Können oder Glück? Schwer zu sagen. Wahrscheinlich eine Mischung aus beidem, mit einem größeren Anteil Glück. Wie gesagt: Ich wusste nicht mal so recht, worauf ich mich da bewarb. Außerdem bat ich beim Korrekturlesen meiner Unterlagen auch noch meinen ehemaligen Deutschlehrer aus der Oberstufe um Hilfe. Aber: Es klappte. Ein paar Wochen später kam die Antwort. Engel & Völkers lud mich zu einem Vorstellungsgespräch ein.
Bei diesem Termin kam ich mir ein wenig vor wie in einer fremden Welt. Alle anderen Bewerber schienen aus dem Westen Hamburgs zu kommen, aus den Elbvororten. Sie wirkten älter und reifer und traten selbstbewusst auf. Ganz so, als ob sie in den Häusern, die ich aus dem E&V-Magazin kannte, aufgewachsen waren. Die meisten erzählten von ihren Aufenthalten als Austauschschüler im Ausland, einige berichteten von ihrem Wehrdienst. Ich dagegen kam aus dem nördlichen Umland, aus der Ortschaft Ellerbek im Kreis Pinneberg, die die anderen wahrscheinlich nicht mal vom Hörensagen kannten. Trotz meiner Bedenken und Verunsicherung wurde ich zur zweiten Runde eingeladen. Offenbar hatte ich bei der Teamarbeit und beim Präsentieren unseres Konzeptes doch ganz gut abgeschnitten und bin den Verantwortlichen positiv aufgefallen.
Über die neue Einladung freute ich mich so sehr, dass ich den Rest des Schreibens nicht so genau las. Ich war mehr damit beschäftigt, das Datum und die Uhrzeit fein säuberlich in den Kalender in der Küche meiner Eltern einzutragen. Wo das nächste Gespräch stattfinden würde? Das war für mich klar. Natürlich wieder in den Räumlichkeiten an der Elbchaussee, wie schon beim ersten Mal. Leider stimmte das nicht.
Als mir am Tag des Bewerbungsgesprächs eine top gekleidete junge Frau die Tür öffnete, schaute sie mich nur mit großen Augen an. Dann gab sie mir sehr höflich zu verstehen, dass der heutige Termin in einer anderen Dependance stattfinden würde, im Büro am Mittelweg an der Alster. Ich nahm meine Tasche und spurtete zum Auto zurück. Während ich wild fluchte und mich über meine Dämlichkeit ärgerte, die mich - so meine feste Überzeugung - ganz bestimmt den Ausbildungsplatz kosten würde, fuhr ich zügig über die Elbchaussee in Richtung Innenstadt. Zugleich überlegte ich, wie ich meine Verspätung am besten erklären könnte. Ein Stau? Ein umgefallener Baum auf der Straße? Ein Tippfehler in dem Schreiben, das ich bekommen hatte?
Am Ziel angekommen, zog ich beim Betreten des Büros natürlich erst mal sämtliche Blicke auf mich. Und manch einer mag gedacht haben, das war's für ihn mit seiner Bewerbung. Wenn er schon zu diesem Termin nicht pünktlich erscheinen kann, wie soll es dann erst später werden? Aber nachdem ich auf diese - nicht unbedingt zu empfehlende - Art und Weise auf mich aufmerksam gemacht hatte, bat ich um Entschuldigung und erklärte, dass ich die Einladung nicht gründlich genug gelesen hatte. Ehrlichkeit währt am längsten, dachte ich mir, und wollte so versuchen, mein Missgeschick wieder geradezubiegen.
Zwei Gespräche standen an dem Tag an: mit der Geschäftsführerin und der Ausbildungsleiterin, die jeweils einen Auszubildenden aus dem zweiten Lehrjahr dabeihatten. Beide wirkten nicht wie Azubis auf mich. In ihren akkuraten Maßanzügen sahen sie aus wie aus einem Ralph-Lauren-Katalog entsprungen und hätten von ihrem Habitus her auch schon in leitender Funktion arbeiten können. Zudem erklärte man mir am Anfang des ersten Gesprächs, dass aus meinem Jahrgang insgesamt mehr als 400 Bewerbungen eingegangen seien - und Engel & Völkers mit gerade mal sechs Kandidaten einen Ausbildungsvertrag abschließen möchte. Trotz des Drucks war meine Nervosität auf einmal wie weggeflogen. Auf der Fahrt nach Hause hatte ich ein gutes Gefühl.
Als ich meinen Vertrag ein paar Wochen später aus dem Umschlag holte, las ich mir diesmal jedes Detail genau durch. Im ersten Jahr gab es 650, im zweiten 850 und im dritten 1050 D-Mark. Ich unterschrieb beide Exemplare und schickte eins an Engel & Völkers zurück. Jetzt musste ich nur noch mein Abitur hinter mich bringen.
Das Ansehen von Immobilienmaklern war schon damals nicht gut. Es rangierte irgendwo zwischen Gebrauchtwagenhändlern und Prostituierten. Einige Freunde meiner Eltern waren deshalb sehr erstaunt über meine Entscheidung. Andere reagierten geradezu geschockt. Warum ich mich nicht zum Bankkaufmann ausbilden lasse, fragten sie. Ihre Bedenken konnten mich allerdings nicht von meinem Vorhaben abbringen. Ich war überzeugt davon, dass Engel & Völkers perfekt zu mir passen würde. Ein Vertriebsunternehmen mit einem besonderen Produkt, das war das, was ich wollte. Ein paar Wochen später machte ich mein Abitur, noch mal knapp drei Monate später, am 1. August 1997, begann meine Ausbildung.
Es geht los: Meine Ausbildung bei Engel und Völkers
Die Geschäftsführerin und die Ausbildungsleiterin begrüßten uns in der neuen Zentrale an der Stadthausbrücke in der Innenstadt. Es roch nach Farbe, einige herumstehende Umzugskartons waren noch nicht ausgepackt, und man merkte, dass sich alle auf den Stockwerken und Fluren erst zurechtfinden mussten. Wir waren zu sechst, drei Jungs und drei Mädels, und zu meiner Überraschung kannte ich einen von ihnen aus einer früheren Schule. Was ich damals natürlich noch nicht wissen konnte: Timo sollte später eine entscheidende Rolle bei unserem Einstieg in den USA spielen. Anschließend ging es für uns zurück zur Elbchaussee. Dort durchliefen wir zwei Wochen lang die E&V-Akademie. Besonders beeindruckt war ich von dem Vertriebstraining. Der Trainer hatte eine enorme Energie und wirkte sehr überzeugend. Er sprach stundenlang von einem Drei-Phasen-Modell, vom »Pencil Selling« und der Farbenlehre in Bezug auf die Kaufmotive. Mit seinem Wissen über die Verkaufspsychologie forderte er uns immer wieder heraus. Bisweilen fühlte es sich an, als ob er unsere Gedanken lesen konnte. Ich saugte jedes Wort auf wie ein Schwamm. Noch Jahre später habe ich meine Suchkunden nach seiner Methode eingeteilt und hinter deren Suchkriterien die Farben Rot, Blau oder Grün im EDV-System vermerkt. Rot beispielsweise stand für den prestigeorientierten Käufer - ich könnte noch heute seine Kriterien aufzählen, anhand derer man diesen Typ erkennt. Unseren Trainer haben wir noch Jahre später wie einen Vertriebsgott verehrt.
Nach der Akademie ging es für mich in den Immobilien-Shop nach Blankenese. Büroleiter Nils war schon lange in der Branche tätig und vor ein paar Jahren von einem Wettbewerber zu uns gewechselt. Das Konzept der Immobilien-Shops war erst ein paar Monate zuvor eingeführt worden, und einige Immobilienberater haderten noch damit. Konnten sie sich zuvor in einem schönen, fast anonymen Büro hinter dicken Mauern verstecken, saßen sie jetzt gut sichtbar für die Kunden hinter einem Schaufenster in einer beliebten Einkaufsstraße. Das Team war für den Verkauf in den Elbvororten zuständig und hierarchisch unterteilt: Wer oben saß, kümmerte sich um die höherpreisigen Objekte, wer unten seinen Platz hatte, betreute die günstigeren Immobilien. Die Frauen - es waren ausschließlich Frauen - machten es dem Büroleiter nicht leicht. Eine sehr energische Dame von oben wiederholte immer und immer wieder, dass sie sich wie ein Fisch im Aquarium fühlen würde und dass jetzt sogar Bekannte ihr im Vorbeigehen bei der Arbeit zusehen könnten. Nils hörte sich alles geduldig, fast schon mit einer stoischen Ruhe an und versuchte immer wieder, sie zu beruhigen.
Mein Platz in dem kleinen Vermietungsteam war ganz vorne, direkt an der Schaufensterscheibe. Es bestand aus einer Auszubildenden im zweiten Ausbildungsjahr und einer Immobilienberaterin für den Bereich Vermietung. Ich hoffte, meine Kenntnisse aus der Akademie zum Besten geben zu dürfen, doch zu meiner Enttäuschung wurde ich nicht gleich auf die Kunden losgelassen. Die nächsten Wochen...
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