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Der Hauptgrund, warum die Kaiserschnittraten in der ganzen Welt gestiegen sind, besteht darin, dass diese Operation ungefährlich geworden ist.
Der Wendepunkt kam kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, als die neue, nun sicher gewordene Technik ihren Siegeszug antrat. Zuvor hatte man den direktesten Weg gewählt, um die Gebärmutter zu öffnen. Haut, Muskelhaut und Gebärmuttermuskel wurden durch senkrechte Schnitte durchtrennt, die drei Zentimeter über dem Nabel ansetzten und drei Zentimeter über dem Schambein endeten. Aus zahlreichen Gründen griff man auf diesen klassischen Schnitt jedoch nur im äußersten Notfall zurück. Blutungen der Gebärmutterwand waren zu befürchten und das Infektionsrisiko war zu hoch; Verwachsungen mit der Narbe konnten zu Darmverschluss führen; häufig heilte die Narbe der Gebärmutter nicht richtig zusammen, sodass bei weiteren Schwangerschaften das Risiko einer Narbenruptur bei 2 Prozent lag.
Mit der neuen Technik wurde der Gebärmuttermuskel durch einen quer verlaufenden Schnitt im unteren Segment des Uterus geöffnet. Der Gebärmutterhals liegt halb in der Vagina, halb in der Gebärmutterhöhle. Der in der Gebärmutter gelegene Teil vergrößert sich gegen Ende der Schwangerschaft und wird zum so genannten unteren Segment. Er wird ebenso wie die anderen Unterleibsorgane vom Bauchfell (einer beweglichen Schleimhaut) bedeckt. Das Risiko verschiedenster Komplikationen hatte sich durch den Schnitt im unteren Segment drastisch verringert. Zur gleichen Zeit wurden ungefährlichere Anästhesiemethoden entwickelt, die ersten Antibiotika standen zur Verfügung, Bluttransfusionen wurden möglich und durch die Verwendung von Plastikstatt Gummischläuchen wurden intravenöse Infusionen erheblich sicherer. So entwickelte sich durch das Zusammenspiel verschiedener Faktoren innerhalb weniger Jahre aus einer riskanten Notfalloperation ein ungefährlicher Eingriff.
Die Schnitttechnik, die heute Verwendung findet, unterscheidet sich nicht wesentlich von der in den 50er-Jahren entwickelten Methode, wobei der Begriff »entwickelt« betont werden muss, weil verschiedene Gynäkologen in der Vergangenheit mit quer verlaufenden Schnitten im unteren Uterinsegment experimentiert hatten. Dieser indirekte Weg wurde Anfang des 20. Jahrhunderts von Munro Kerr1, Professor für Geburtshilfe an der Universität Glasgow, verfochten und von einflussreichen amerikanischen Geburtshelfern wie Joseph DeLee bekannt gemacht. Aber erst in den 50er-Jahren konnte die neue Technik nach und nach den so genannten klassischen Schnitt verdrängen.
Seither wurde der Kaiserschnitt durch mehrere Verbesserungen noch sicherer und wurde dadurch immer mehr akzeptiert. Bis Ende der 60er-Jahre blieb der Schnitt durch die Haut - der sichtbare Teil der Operation - unverändert, das heißt, er verlief senkrecht vom Nabel zum Schambein. Das ging schnell und war überdies unkompliziert und sicher. Obwohl die Narbe eines solchen senkrechten Schnitts gelegentlich dick, groß und rot blieb, schien dieser Schnitt durch die Bauchdecke akzeptabel, weil man den Kaiserschnitt als seltene Notoperation ansah. Als die »Geburt von oben« größere Verbreitung fand, mussten auch ästhetische Erwägungen berücksichtigt werden, zumal damals am Strand die »Bikinirevolution« stattfand.
Bereits im Jahr 1900 beschrieb Hermann Pfannenstiel, ein Chirurg und Gynäkologe aus Breslau, den Querschnitt oberhalb der Schambehaarung.2 Schon bald wurde der Pfannenstielschnitt in allen Lehrbüchern zur Chirurgie erwähnt und von vielen Operateuren bei verschiedenen gynäkologischen Eingriffen an ge wendet. Lange Zeit dachte jedoch kaum jemand daran, auf diesem Weg ein Baby zu holen. Auch Ärzte, die mit der Technik vertraut waren, glaubten, sie eigne sich nicht für Schnittentbindungen. Der erste Grund für diese zögernde Haltung war, dass man so schnell wie möglich handeln musste. Wir dürfen nicht vergessen, dass über Jahrzehnte hinweg die Hauptsorge der Chirurgen war, dass die für die Vollnarkose eingesetzten Medikamente das Kind nicht erreichten. Es war eine Art Wettrennen zwischen dem Arzt, der an das Baby herankommen musste, und dem Medikament, das zur Plazenta vordrang. Und es gab noch einen zweiten, nur halb bewussten Grund, der in den 60er-Jahren auch mich beeinflusste. Wir konnten uns nicht ohne weiteres vorstellen, dass ein Baby durch einen solch kleinen Querschnitt oberhalb der Schamhaare geholt werden konnte. Erst Ende der 60er-Jahre wagte ich persönlich diese Technik. Nach einem halben Dutzend Eingriffen mit dieser Methode erkannte ich, dass sie fast genauso schnell durchzuführen war wie der herkömmliche Längsschnitt. Ohne dass ich es mitbekam, hatte eine Krankenschwester festgehalten, dass ich nach dem Schnitt durch die Haut zwei Minuten und zehn Sekunden brauchte, bis ich das Neugeborene in Händen hielt. Die Frauen bemerkten natürlich auch den Unterschied zwischen der winzigen, fast unsichtbaren Narbe in der Schambehaarung und den nicht selten hässlichen vertikalen Narben des Längsschnitt-Verfahrens. Und damit gewann der Kaiserschnitt im unteren Uterinsegment immer größere Akzeptanz.
Seit den 80er-Jahren gab es eine rege Interaktion zwischen den Neuerungen in der Krankenhausorganisation und den Gesundheitsberufen einerseits und den technischen Fortschritten andererseits.
Dieses Zusammenspiel zeigt sich auch in der Geschichte der Periduralanästhesie (PDA). Die Idee einer Nervenblockade und insbesondere einer Periduralblockade (rückenmarksnahe Betäubung) ist nicht neu. Neu ist lediglich die Beliebtheit der Periduralanästhesie in der Geburtshilfe. Dabei wird das Narkosemittel durch ein dünnes Röhrchen, das mittels einer Nadel in den Rücken der Frau eingeführt wird (nachdem der Bereich zuvor durch Lokalanästhesie betäubt wurde), in den Periduralraum zwischen Rückenmark und Rückenwirbel gespritzt. Nach 1980 erfreute sich dieses Verfahren wachsender Beliebtheit, und immer mehr Anästhesisten machten sich mit seinem Einsatz in der Geburtshilfe vertraut. So entstand als eine Art Fachgebiet der Zunft die Anästhesie der Geburtshilfe. Auf manchen Geburtshilfestationen kam die Periduralanästhesie während der Wehen täglich zum Einsatz, sodass eine völlig neue Situation entstand. Wenn man sich für den Kaiserschnitt entschied, standen viele Frauen bereits unter dem Einfluss der Periduralanästhesie. Die Vorteile einer Nervenblockade im Vergleich zu einer Vollnarkose lagen auf der Hand: Die Mutter war während der Schnittentbindung und auch danach wach und munter.
Die Entwicklung der Anästhesie der Geburtshilfe trieb wiederum erhebliche technische Fortschritte voran. Bei der herkömmlichen Periduralanästhesie betäubt ein Lokalanästhetikum die Nerven, die die Muskulatur der unteren Körperhälfte steuern, sodass die Frau in den Wehen in der Regel ihre Beine nicht bewegen kann. Aus diesem Grund wurden in jüngster Zeit einige Neuerungen eingeführt. Die Dosis des Lokalnarkosemittels kann erheblich vermindert werden, wenn es mit einem Opiat wie Fentanyl kombiniert wird. Diese Kombinationsbetäubung wurde unter dem Begriff »Walking-PDA« oder »mobile PDA« bekannt. Eine weitere beliebte Methode ist die kombinierte Spinal- und Periduralanästhesie, wobei, mit oder ohne Lokalanästhesie, eine einmalige Dosis eines Opiats am unteren Ende des Rückenmarkskanals injiziert wird. Dadurch wird der Schmerz für etwa zwei Stunden betäubt, und falls eine weitere Linderung nötig ist, erfolgt sie über die PDA. Weil sich im Rückenmark keine Blutgefäße befinden, gelangen die Narkosemittel nicht in den Blutkreislauf der Mutter. Heute wird beim geplanten Kaiserschnitt häufig die Spinalanästhesie eingesetzt.
All diese Fortschritte in der Anästhesie hatten zur Folge, dass der Kaiserschnitt immer beliebter und sicherer wurde.
Auch die Technik der Schnittentbindung entwickelt sich weiter. In den 90er-Jahren führten Michael Stark und sein Team am Misgav-Ladach-Krankenhaus in Jerusalem eine Methode ein, die auf der Joel-Cohen-Inzision aufbaut, einem ursprünglich für Gebärmutteramputationen entwickelten Verfahren.3 Dabei wird auf scharfe Instrumente weitestgehend verzichtet und das Gewebe stattdessen mit der Hand auseinander gezogen und gedehnt. Unter anderem sollen damit alle während der Operation unnötigen Schritte vermieden werden. Es lohnt sich, diese Technik an dieser Stelle in allen Einzelheiten zu erläutern, damit ihre Vorteile im Hinblick auf Geschwindigkeit und Blutverlust für Fachleute und Laien gleichermaßen verständlich werden.4
Der Schnitt durch die Haut erfolgt wie üblich horizontal oberhalb der Schambehaarung. Der erste Unterschied im Vergleich zum gewöhnlichen Vorgehen ist, dass der Schnitt durch die Fettschicht unter der Haut an der Mittellinie nur drei Zentimeter lang ist, sodass das Gewebe...
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