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Sie kamen zu spät aus Providence und mussten die Nachmittagsvorstellung ausfallen lassen. Schon die ganze Saison - in Bridgeport, Fitchburg und Manchester - waren sie zu spät dran gewesen, aber das war die erste Vorstellung, die ausfiel.
Sie gaben den Zügen die Schuld. Auf der Titelseite der Hartford Times war zu lesen: «Die Ansichten über die Ursache der Verspätung gingen beim Zirkus und der Eisenbahn auseinander. Ein Sprecher des Zirkus sagte, die 22 Meter langen Plattformwagen, die man für den Transport des Großzeltes benötige, hätten . Die Fahrdienstleiter der Eisenbahn (bei der New York, New Haven & Hartford Railroad) sagten, der Zug habe diese Strecke gar nicht benutzt. »
Der Zirkus hatte in diesem Jahr ein anderes Gesicht. John Ringling North war nicht mehr dabei, er war durch Robert Ringling ersetzt worden - anscheinend auf Betreiben von Mrs. Edith Ringling, seiner Mutter, der Witwe von Charles, einem der fünf Brüder, die den Zirkus gegründet hatten.
Der Kampf um die Herrschaft über den Zirkus wogte zwischen zwei Gruppen hin und her: auf der einen Seite John Ringling North und sein Bruder Henry, die beide Neffen von John Ringling waren; und Mrs. Edith Ringling, ihr Sohn Robert und ihre gemeinsame Verbündete Aubrey Ringling, Witwe von Richard (dem Sohn von Alf, einem der fünf Gründer) und in zweiter Ehe mit James Haley verheiratet, auf der anderen. Der Staat Florida hatte ebenfalls seine Finger im Spiel, da der kinderlose John Ringling ihm sein Herrenhaus, sein Kunstmuseum und dreißig Prozent des Zirkus hinterlassen hatte. Zunächst wurden die beiden North-Jungen und ihre Mutter - die gemeinsam mit ihrem Sohn John zu seiner Testamentsvollstreckerin ernannt wurde - in seinem Testament großzügig bedacht, doch als sich John Ringling später mit ihnen zerstritt, unterzeichnete er ein Kodizill, worin er ihnen alles außer 5000 Dollar für ihre Mutter wieder entzog. Doch John Ringling beging den Fehler, ihre Ernennung zu Testamentsvollstreckern nicht wieder rückgängig zu machen. Sie fochten das Testament vor Gericht an und bestimmten in der Zwischenzeit als Vermögensverwalter über dreißig Prozent der Anteile. Um John Ringling Norths manchmal überwältigenden Ehrgeiz einzudämmen, schlossen Edith und Aubrey Ringling einen Pakt, der als das Ladies' Agreement bekannt ist; dadurch waren sie rechtlich verpflichtet, in allen wichtigen Angelegenheiten gemeinsam zu stimmen.
Der extravagante Showman John Ringling North (rechts) war zum Zeitpunkt des Brandes entmachtet, übernahm aber bald wieder die Herrschaft. Robert Ringling (links) war vor Hartford in der kurzen Zeit als Direktor des Zirkus in jeder Hinsicht erfolgreich gewesen. Foto: Circus World Museum
So konnte Ediths Sohn Robert - ein Opernsänger ohne jegliche Zirkuserfahrung - schließlich die Stelle des extravaganten John Ringling North einnehmen. Er versprach, zu den Wurzeln des Zirkus zurückzukehren, schaffte Norths blaues Viermastzelt ab und führte das sechsmastige weiße Zelt aus der Zeit vor 1939 wieder ein. Unter Roberts Herrschaft gab es nichts so Beeindruckendes wie Balanchines Elefantenballett, doch das Gepränge im Stil des Broadway, das North so geliebt hatte, wurde beibehalten und auch die Probleme mit dem Amt für Kriegstransportwesen, mit der Rationierung und dem großen Mangel an Arbeitskräften blieben bestehen.
Im Krieg wurde jeder Mann gebraucht; die Flugzeugindustrie hatte sogar ein paar Kleinwüchsige unter den Artisten angefordert, die an engen Stellen der Montagebänder arbeiten sollten. In Providence standen George W. Smith statt der üblichen 960 nur 670 Arbeiter zur Verfügung und er beklagte sich, dass drei von ihnen nötig seien, um die Arbeit eines einzigen guten Mannes zu bewältigen. Für die Platzanweiser, die Kartenverkäufer und die Leute aus den Imbissbuden gab es jede Menge zusätzliche Arbeit, zum Beispiel beim Aufstellen der hölzernen Klappstühle auf der Haupttribüne. Die Mitglieder der Truppe übernahmen zusätzliche Arbeiten, halfen beim Zeltauf- und -abbau und zeigten, dass sie dazugehörten und man auf sie zählen konnte.
Vielleicht lag es an den fehlenden Arbeitskräften oder an der Weihnachtsfeier, dass sie zu spät in Hartford eintrafen. Es war nur eine Frage der Zeit gewesen, wann die erste Vorstellung ausfallen musste. Seit Kriegsbeginn hatten sie mehr reine Abendgastspiele vereinbart, gaben am Ankunftstag oft bloß eine Spät- oder am Abreisetag bloß eine Nachmittagsvorstellung. Doch Providence war nur neunzig Meilen von Hartford entfernt, und sie hatten für die Fahrt mehr als sechs Stunden Zeit gehabt. Möglicherweise griff der Zirkus aus reiner Gewohnheit darauf zurück, den Zügen die Schuld zu geben.
Die frisch verheiratete Aubrey Ringling Haley bespricht sich mit dem berühmten Dompteur Alfred Court. Court war zwar in Hartford, trat aber an jenem Tag nicht auf. Foto: Circus World Museum
Es war ein Unglück, wenn eine Vorstellung ausfiel, und die Zirkusleute hatten den Ruf, abergläubisch zu sein. Seit die berühmte Luftakrobatin Lillian Leitzel zu Tode gestürzt war, weigerte sich Merle Evans, der Kapellmeister, ihre Erkennungsmelodie «Crimson Petal» zu spielen. Scranton, wo die Tour im Jahr des Streiks zu Ende gegangen war, war eine verhexte Stadt. Pfeifen im Umkleideraum, Erdnussschalen auf dem Fußboden und die alten orientalischen Schrankkoffer - all das brachte Unglück, doch das Allerschlimmste war, wenn eine Vorstellung ausfiel.
Der erste Teil des Zuges traf am Mittwochmorgen um 9.45 Uhr, fast fünf Stunden zu spät, auf dem Abstellgleis in der Windsor Street ein. Er wurde «das Eingreifgeschwader» genannt und transportierte die Menageriekäfige, die Wagen für das Küchenzelt sowie die Lastwagen, Traktoren und Elefanten, die sie ziehen sollten. Eine Menschenmenge aus der Stadt - erwachsene Zirkusfans und Kinder - sah dabei zu, wie die Arbeiter die Wagen entluden. Die meisten folgten der Prozession aus Elefanten und Wagen die North Street entlang über die Cleveland Avenue zur Barbour Street. Die Leute winkten von ihren Veranden.
Das Entladen der offenen Güterwagen an den Abstellgleisen. Foto: Circus World Museum
Auf dem Platz warteten noch mehr Menschen, und die Abteilungsleiter zogen jede Menge Freikarten aus der Tasche und stellten alle kräftigen Burschen ein, deren sie habhaft werden konnten. Das Küchenzelt mit seinen langen Campingtischen und rot karierten Tischdecken wurde als Erstes aufgestellt, dann das Stallzelt. Zeltarbeiter schlugen die Pflockreihen für das Hauptzelt, das Abnormitätenkabinett, das Umkleidezelt und das Zelt mit den Verkaufsständen ein.
Angeschirrte Elefanten, die am 30. Juni 1944 in Portland, Maine, einen Menageriekäfigwagen auf das Zirkusgelände ziehen. Foto: Maurice Allaire
Der zweite Teil des Zuges war inzwischen eingetroffen, und die sechs Masten des Hauptzeltes, siebzehn Meter hoch und von Flaggen gekrönt, wurden aufgestellt. Die Arbeiter rollten die Leinwand auf dem Boden aus und begannen, sie mit Stricken von den Hauptmasten bis zu den Pflockreihen zusammenzuschnüren. Die Sonne stand jetzt höher, und die Männer rochen nach Schweiß.
Gegen elf Uhr vormittags traf Charles Hayes von der städtischen Bauaufsicht auf dem Platz ein, sah aber, dass das Zelt noch längst nicht fertig war. Die Stadt hatte keine rechtliche Handhabe, das Zelt von Hayes inspizieren zu lassen, doch so war es Brauch. Er ging und sagte, er werde in ein paar Stunden noch einmal wiederkommen.
Die Arbeiter schnürten alles zu, steckten rund um das Zelt die Seitenstangen ein und zogen dann die Leinwand mit Hilfe zweier Elefanten, die sich in ihr gepolstertes Geschirr stemmten, zu den Hauptmasten hinauf. Im Innern des Zeltes, wo es plötzlich angenehm schattig war, wurden rings um das Oval zwei Reihen kürzerer Sturmstangen ausgelegt, und ein halbes Dutzend Elefanten, die jeweils allein arbeiteten, richteten sie auf und stützten damit das Dach ab. Als das erledigt war, kamen die Zeltarbeiter wieder nach draußen und spannten die Seile, von denen die Seitenstangen gehalten wurden.
Man hatte das Großzelt, das jetzt aufgerichtet war, erst in diesem Jahr gekauft. Der Zirkus behauptete, es sei das größte Zelt der Welt. Es war in der ersten Maiwoche aus der Segelmacherwerkstatt gekommen und wie seine Vorläufer mit zwanzigtausend Litern bleifreiem Benzin und achttausend Kilogramm Paraffin wasserdicht gemacht worden. Siebzig Zeltarbeiter hatten geholfen, das Wachs in großen Kesseln zu schmelzen, es mit Benzin zu verdünnen, mit Schaufeln umzurühren, die Mischung dann auf die ausgebreitete Leinwand zu gießen und sie mit Besen überall zu verteilen. Das Verfahren war billig und erfolgreich. Der Zirkus hatte seine Zelte schon seit Jahren so behandelt.
Jetzt, wo das Zelt stand, begannen John Carsons Platzanweiser die Stützbalken, Durchzüge und Fußbodenplatten für die roten Stühle auf der Haupttribüne und die blauen Sitzbretter für die Seitentribünen zu montieren. Bei den Haupttribünen nummerierten sie die Sitzreihen mit Kreide auf den Treppenstufen: 1 bis 18.
Während die Zirkustruppe arbeitete, streiften städtische Polizisten über den Platz, hielten Ausschau nach Ausreißern und musterten die jugendlichen Helfer....
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