Schweitzer Fachinformationen
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Als es dunkel wird, zieht Crest an seinem Rolli den Stecker raus und fährt nach draußen. Er hat den ganzen Tag lang die Batterien aufgeladen, beim Rolli und bei Brother Sony. War einfach nötig. Mittwoch, da kommen alle und wollen sich Voyager angucken. Captain Janeway und so. Die hat 'ne Stimme, als wär sie permanent verschnupft.
«Mr. Tupac», hat Bean immer gesagt, «beam uns raus aus dieser Scheiße.» Wenn jemand hinter ihnen her war, hat Bean Crest so zum Lachen gebracht, dass er kaum noch laufen konnte. Dann hat er nach Luft geschnappt, als würden sie sich das Lachgas aus den Sprühsahnedosen reinziehen. In seinem Rucksack rappeln ein Haufen Krylon-Cans für eins neunundfünfzig, irgend so ein völlig vertrottelter Brother in einer Baumarktschürze verfolgt sie, weil sie die Rückseite des Zauns an der Busspur getaggt haben. CREST in zwei Meter hohem Wildstyle, BEAN und das ausgeflippte ägyptische Zeug haben diese hirnrissigen Weißen aus Penn Hills aus dem Schlaf gerissen. Gucken hoch von der Post-Gazette und haben es, noch bevor sie in der Innenstadt sind und so tun können, als ob East Liberty gar nicht existiert, direkt vor ihren verschlafenen weißen Gesichtern. Woo-hah, I got you all in check. Yeah.
Wo wir grade vom Schlafen reden, Pops pennt auf dem Sofa, und auf NBC läuft eine Komödie mit weißen Tussis - Suzie in the City oder irgend so ein Mist, alle reich und dünn, was man von Pops nun wirklich nicht sagen kann - der riecht ständig wie eine Wagenladung Ritz Bits und Chips Ahoy, nach Stechkarte und Schufterei bei Nabisco, Stall offen und Hände in der Hose, wie wenn er beim Schlafen seinen jämmerlichen Schrumpelschwanz im Zaum halten will. Das Problem hab ich nun wirklich nicht, verdammte Scheiße, denkt Crest und sieht vor sich, wie Vanessa sich letztes Mal anzieht und geht, wie sie den BH zumacht und Crest endgültig abgeschrieben hat, aber dann schiebt sich das Bild davor, wie Moms neulich Abend mit ihrem Eislöffel nach Pops geworfen hat.
«Warum bist du überhaupt noch hier?», hat sie geschrien. «Warum haust du nicht einfach ab?»
Und Pops sagt kein Wort, geht mit seiner Zeitung auf die Treppe raus, sitzt grübelnd da, raucht seine Zigarre, sieht dann die Baseballergebnisse durch, bis Moms im Bett ist. Jetzt ist sie weg, arbeitet in der Mellon Bank in der Innenstadt, zählt anderer Leute Geld. In der Wohnung ist es still, aber diese Stille gefällt ihm nicht. Wenn Moms um elf nach Hause kommt, ist es aus damit. Pops bleibt noch eine Weile da und sagt dann, dass er spazieren geht, als hätte er Angst vor ihr. Crest will nicht drüber nachdenken, was das mit ihm und Vanessa bedeutet. Der Arzt sagt, körperlich wär alles in Ordnung, eigentlich müsste alles wieder so sein wie früher. Na, dann probier's doch mal. Crest fährt raus in den Flur und rollt seitlich vor den Aufzug, um an den Knopf ranzukommen. Wenn man im Rollstuhl sitzt, muss man oft warten.
Der Kerl, der sie damals verfolgt hat, ein dürrer, hellhäutiger Idiot, die Nase voller Sommersprossen. Wollten sie bloß irgendwo bomben oder hatten sie ein Ziel, eine interplanetarische Mission, wollten sie mit einem Piece an einen der Jungs erinnern? UNVERGESSEN. Für jeden aus East Liberty haben sie ein großes Piece gemacht: Baconman, T-Pop, Marcus. Schwer zu sagen, jetzt, wo Crest benebelt ist von den Schmerztabletten, die er dreimal täglich einwirft, Welt ohne Ende, amen. Im Liegen und auf Droge, sonst wär der Sommer nicht so schnell rumgegangen, an der Decke lief Us großer Ventilator, und Brother Sony brachte alles aus Hollywood, sogar Pay-TV gab's umsonst. Jetzt ist September, alle wieder in der Schule, im Viertel ist es den ganzen Tag lang still, wird langsam Herbst. Diese Abende sind bald vorbei, sie werden ihm fehlen.
Was für eine Verfolgungsjagd. Der Trottel war wohl mal Langstreckenläufer an der Peabody. Crest guckte immer wieder nach hinten und dachte, sie wären ihn los, aber die orange Schürze blieb ihnen auf den Fersen. Sie sprinteten am alten Original Hot Dog vorbei, weißgetünchte Fenster mit einer Nummer drauf, die kein Mensch mehr anrufen wird, die ganzen Schwarzweißbilder von Berühmtheiten von den Wänden verschwunden - John F. Kennedy, Martin Luther King, beide längst tot, wie sie Rindswürstchen essen und einem Griechen die Hand schütteln, der hat ein Schiffchen auf dem Kopf, wie Smooth immer, als er früher dort gearbeitet hat. Sie rannten am Stacheldraht und den aufgereihten Jeeps des Postamts vorbei, wo man Freitag nachts, nach einer Literflasche Starkbier, gut Zielübungen machen konnte, wo sie von der Simonton Street immer Asphaltbrocken rüberwarfen und sich schieflachten, wenn Metall schepperte oder - «Kordell spielt einen langen Pass!» - eine Scheibe zu Bruch ging. Kamen an den Zaun, wo Fats mit der Drahtschere hantiert hatte, sirrte wie ein Basketballnetz, wenn ein Wurf direkt reingeht, dann ging's an den kaputten Garagen vorbei, wo nicht mal ein Vollidiot sein Auto unterstellen würde, und endlich kann der Handlanger aus Homewood nicht mehr mithalten, denn er kennt weder die Seitengassen noch die Höfe oder die Hunde, die sich anhören, als hätten sie Hunger auf ein schönes, saftiges Stück Fleisch. Als sie wieder zurück sind, staucht Bean ihn zusammen. «Crest, du bist 'ne lahme Ente, so hässlich wie Patrick Ewing.» Crest schnappt nach Luft, seine Kehle rau wie ein Waschbrett. Konnte noch nie schnell laufen - auch keinen Ball abtropfen lassen; keine Infield Hits -, wurde ständig an der Homeplate ausgemacht, keine Ahnung, wie oft. Der Ball springt kurz auf, und schon rammt dir der Fänger den Handschuh in die Nase, den Geruch vergisst du nicht so bald. Aber Bean, der konnte abzischen.
Yeah, Bean.
Unvergessen. Okay, denkt Crest, wenn ich die Gelegenheit hab, mach ich ein Piece für dich.
Ja, Mann, direkt an der Brücke. An Ort und Stelle, so groß wie das von BooBoo am Wasserturm - riesig, irgendwo, wo's jeder sehen kann.
Aber grade als er davon träumt, kommt der Aufzug, die Schwelle zwei Zentimeter zu hoch - dieser verdammte Mr. Linney, ich tret ihn in seinen blöden Arsch, wenn er das nicht in Ordnung bringt -, und er braucht drei Versuche, bis er drüberkommt, seine Arme brennen wie beim Hantelstemmen in der Reha-Klinik, die Adern so deutlich zu sehen wie Highways. Ihm läuft der Schweiß, dabei wollte er doch heute Abend gut aussehen. Voyager, alle werden kommen, vielleicht sogar Vanessa, vielleicht sagt sie, dass es ihr Leid tut, dass sie Unrecht gehabt hat. Er würde Rashaan gern sehen. Wozu lügen - er hätte gern, dass Vanessa ihm noch eine Chance gibt, damit er den Rolli eine Weile vergessen kann. Ein Mann sein. Als sie den BH anzog, konnte er bloß auf den Boden starren, war völlig fertig und kriegte kaum Luft. Er hat ernsthaft mit dem Gedanken gespielt aufzugeben, sich für immer auf die Reservebank zu setzen, einfach die Badezimmertür abzuschließen und die ganze Flasche runterzukippen. Er weiß immer noch nicht, wie's weitergehen soll.
Aber der Arzt sagt, es ist alles in Ordnung. Alles bloß Einbildung.
Er drückt auf einen Knopf. Die Abdeckplatte ist völlig zerkratzt, auf dem Fußboden klebt Kaugummi. Bean stand auf Traubengeschmack, machte immer Blasen, bis der ganze Bus danach roch.
BEAN. Wo würde er es hintaggen? Kenny hat für sie beide ein Piece auf die Brücke geklotzt, als ob Crest schon tot wär. Dann auch noch so ein Mist, einfach ranzukommen, auf Hüfthöhe. Crest müsste raufklettern und diesen zweitklassigen Clown auslöschen, was Besseres drüberpiecen. Ich bin am Leben, würde dann da stehen.
«Scheiße», sagt Crest und fährt allein nach unten, die Kabel klingen wie sirrende Messer. «Eher lern ich fliegen.»
Er guckt hoch zu dem Licht, das so rund ist wie der Heiligenschein eines Engels, wie die Halogenlampe über einem Operationstisch. Alles in Ordnung.
Ja, Bean, beam mich raus aus dieser Scheiße.
Der Aufzug kommt unten an, und die Tür geht auf, doch es ist keiner da, der sie festhält. Sie bleibt nie lang genug offen, und er muss sich jedes Mal damit rumschlagen, wenn das Gummiteil gegen den Radgriff knallt, wenn die Tür zurückfährt und noch mal gegen seinen Rolli prallt, blödes Scheißding.
«Halt», sagt U, «hab dich», und stoppt die Tür mit der Hand, in der er seine eselsohrige, mit gelben Notizzetteln gespickte Bibel hält. Er trägt denselben Anzug wie bei der Verhandlung, weil er grade von seinem Treffen zurückkommt. Schuhe mit Troddeln wie kleine Lederblumen, das Tuch in seiner Brusttasche mit drei Segeln, als wär's ein Klipper. Seit er wieder draußen ist, sollen ihn alle Eugene nennen, als ob er jetzt ein anderer Mensch wäre. Ist er auch, denkt Crest. Er hat mal gesehen, wie U Nene mit einem Aluminiumschläger verprügelt hat. Hat eine Delle in das Ding gehauen, und man konnte nicht mehr richtig damit schlagen, dabei war Nene einer von seinen Leuten, sogar sein Kumpel. Crest war stolz darauf, so einen abgedrehten Bruder zu haben; das hat ihn die ganzen Jahre beschützt. Solange es bloß Briefe waren, hat sich Crest über diesen Jesuskram lustig gemacht. Doch jetzt, wo U draußen ist, weiß er nicht, wie er mit ihm reden soll. Es ist so, wie sie sagen: Gott ist für einen Brother das Ende.
«U», sagt Crest und bedankt sich mit einem Nicken.
«Schon in Ordnung. Heute Abend läuft Voyager, was?» Klingt, als wär er stolz drauf, dass er sich dran erinnert.
«Kommst du auch?»
«Muss mich damit beschäftigen.» Er tätschelt die Bibel und betritt den Aufzug. «Ich komm...
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