Schweitzer Fachinformationen
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Flucht roch wie abgestandener Zigarettenrauch, großzügig übernebelt mit Raumerfrischer.
Ich ließ meine Reisetasche auf das Stück Linoleum vor dem Herd des Wohnwagens fallen und zog die dünne Blechtür hinter mir zu. Sie rastete nicht gleich ein, sodass ich sie zuknallen musste.
Der Wohnwagen wackelte.
Ich werde ein besseres Schloss brauchen.
Nicht dass ich durch Schlösser bisher sicher gewesen wäre. Schlösser hatten mich genauso wenig schützen können, wie ganz still zu sitzen und mich klein zu machen.
Hier kümmert sich jeder um seinen eigenen Kram. Bleibt für sich. Das hatte Kevin, der Parkmanager, gesagt, als ich das Geld für den Wohnwagen hinlegte. Es ist sicher, und es ist ruhig, und wir dulden hier keinen Blödsinn.
Sicher, ruhig und kein Blödsinn, damit war dieses Fleckchen Morast genau der richtige Ort für mich, um diese Woche panischen Herumreisens zu beenden. Richtungswechsel, ein Ticket nach Westen kaufen, um nach Osten zu fahren. Busse. Züge.
Draußen vor meinem Wohnwagen stand ein gebrauchter Toyota mit schlechten Bremsen und defektem Radio. Den hatte ich einem Highschool-Footballer in Virginia abgekauft, dessen Hoffnungen die Karre nicht hatte erfüllen können, und war zuerst nach Norden gefahren, um dann nach Süden abzuschwenken. Aber ich musste irgendwo anhalten. Ich konnte nicht unaufhörlich Auto fahren.
Sieben Tage und Hunderte Meilen später war ich also hier. An diesem Ort, der auf keiner Landkarte von North Carolina verzeichnet war.
«Trautes Heim», seufzte ich. Die Hände in die Hüften gestemmt, sah ich mich in meinem neuen Reich um.
Kevin bezeichnete es als Mobilheim, aber eigentlich war es ein alter Wohnwagen, der im Flowered Manor Trailerpark und Campingplatz angehalten und die Weiterfahrt verweigert hatte. Jemand hatte die Räder abmontiert und den Wagen auf Zementblöcke gestellt, und vielleicht hatte derselbe Mensch auch behutsam, liebevoll Prunkwinden gepflanzt, um die Blöcke zu kaschieren.
Die Blüten verliehen dem Ganzen eine hübsche Note, es war fast schon beeindruckend, welchen Effekt sie hatten, aber am Ende war es eben immer noch ein Wohnmobil.
Ein heruntergekommenes. In einem heruntergekommenen Trailerpark, der völlig abgelegen und praktisch unmöglich zu finden war.
Genau richtig für mich. Genau richtig.
Schaudernd atmete ich tief durch, und die Angst, mit der ich ständig lebte, hob sich von mir wie ein Schwarm Krähen, aufgescheucht von einem winterlichen Acker. Normalerweise holte ich sie zurück, denn sie schützte mich.
Sie war mir vertraut.
Aber in dem verrückten kleinen Wohnwagen war sie nicht nötig.
Wir dulden hier keinen Blödsinn.
Gut, ich nämlich auch nicht, dachte ich und lächelte nach langer Zeit zum ersten Mal. Das Gefühl ließ mich beinahe schwindeln.
Ich duldete auch den Geruch hier nicht.
Es waren zwei Schritte von der Küche zum Essbereich, und ich beugte mich über den Resopaltisch und die beige Polsterbank, um die Vorhänge beiseitezuziehen und die Fenster aufzureißen. Ein stinkender Luftzug wehte herein, der mir über den Hals und unter den Kragen meines weißen Baumwollhemds strich.
Ich schloss die Augen, weil ich todmüde war und . weil er guttat. Der Luftzug auf der Haut . er fühlte sich gut an. Anders.
Und für anders war ich derzeit sehr zu haben.
Mein ganzes Leben hatte ich lange Haare gehabt und einen schweren Pferdeschwanz getragen, von dem mir der Kopf weh tat. Meine Haare waren von Natur aus rot, lockig und dick. Sehr dick.
Erdrückend.
Mom sagte früher oft, sie seien das Hübscheste an mir. Was eines jener Komplimente ist, die eigentlich keine sind, weil sie so viel gedanklichen Raum für Schlechtes lassen. Trotzdem war dies das Nette, das sie über mich sagte. Darum nahm ich es mir zu Herzen, denn sie war meine Mom.
Meine Haare abzuschneiden hatte mich enorm befreit. Nicht nur von Kopfschmerzen und Wärme, die verunstaltete Frisur ließ mich auch die Luft wie noch nie zuvor spüren. Die Sonne im Nacken war eine Offenbarung.
Der Wind hob meine kurzen Haare an und löste einen Schauder aus, der sich den Rücken hinunter fortsetzte und alle Nervenenden erfasste.
Das gefiel mir. Sehr.
Die Stille wurde gestört durch das ferne, gedämpfte Klingeln eines Telefons.
Es war nicht meines. Das hatte ich nämlich in einer Mülltonne am Busbahnhof von Tulsa zurückgelassen. Die anderen Wohnwagen standen nah, aber nicht so nah, dass ich ein Handy in einer Handtasche klingeln hören konnte. Und genauso hörte es sich an.
Die Schränke meiner kleinen Küche waren leer. Auf den Fahrer- und Beifahrersitzen, die man umgedreht hatte, um einen Sitzbereich zu schaffen, lag nichts.
Keine vom Vormieter vergessenen Taschen.
Ich betrachtete den Stoffbezug der Polsterbank.
Will ich wirklich die Hand dazwischenstecken? Trotz seiner Schäbigkeit sah er einigermaßen sauber aus, aber . zwischen Sitz und Rückenlehne waren oft ekelhafte Dinge zu finden. Tatsache.
Das Telefon klingelte erneut und löste in mir den Impuls aus, den Anruf anzunehmen. Ich schob die Hand in die Polsterritze und strich darin entlang, ohne auf etwas zu stoßen, nicht mal auf Kekskrümel oder ein Spielzeugauto. Dann jedoch ertastete ich das Plastikgehäuse eines Handys. Ich zog es heraus und schaute auf das Display.
Dylan.
Annehmen. Ablehnen.
Mit einem kleinen Daumenwischer nahm ich an.
Was für eine unscheinbare Handlung. Wirklich. Nach all dem irren Scheiß, den ich im Lauf der Woche getan hatte, war es ein Klacks, diesen Anruf anzunehmen.
Tja, da sieht man's mal wieder.
«Hallo?»
«Mensch, Megan, wo hast du denn gesteckt?», sagte eine männliche Stimme. Er klang eher entnervt als verärgert. Beinahe erleichtert.
«Es tut mir leid.» Ich griff noch einmal in die Polsterritze, um vielleicht noch etwas zu finden. Geld. Geld wäre schön. «Hier ist nicht Megan.»
Na also! Ich pulte drei Vierteldollarstücke heraus.
Der Kerl seufzte. Auf eine Art, an die ich furchtbar gewöhnt war. Das war der Missfallens-Seufzer. Der Ärger-Seufzer. Der Du-bist-schuld-Seufzer.
Und ich reagierte auf jene instinktive Art, die mir in den letzten fünf Jahren in Fleisch und Blut übergegangen war: Ich wollte alles mir Mögliche und mitunter auch völlig Unmögliche tun, um die Wut hinter jenen Seufzern zu besänftigen. Um alles wiedergutzumachen.
Doch diese fünf Jahre waren endgültig vorbei.
Tut mir leid, Dylan. Mich seufzt keiner mehr so an. Nicht mehr. Nie wieder.
Ich nahm das Handy vom Ohr und war im Begriff, aufzulegen, aber seine Stimme ließ mich innehalten, kurz bevor ich den Bildschirm berührte.
«Entschuldigung», sagte er. «Sie können nichts dafür. Ist Megan da?»
«Nein.» Okay, ich ließ mich von einer Entschuldigung aufhalten. Denn Entschuldigungen waren nett und außerdem selten. Und dieser Typ klang ehrlich besorgt. Megan könnte seine Frau sein. Oder seine Freundin. Oder Tochter. «Sie ist vor ein paar Tagen ausgezogen. Sie muss das Handy vergessen haben.»
Sein Lachen war tief und sehr männlich, und ich dachte dabei, dass ich in meinem Leben noch nicht viele Männer hatte lachen hören. Und das war sehr schade. Es klang nämlich nett.
Und ein bisschen ironisch, so als gälte das Lachen gar nicht mir, sondern vielleicht dem Universum, das sich gegen ihn gewendet hatte, als diese Megan ihn verließ.
«Das muss sie wohl», pflichtete er mir bei. «Sind Sie in den Wohnwagen eingezogen?»
Mein Schutzinstinkt war noch neu und schwach, aber vorhanden, und er erhob sich auf wackligen Beinen, um die unüberlegte Antwort aufzuhalten, die mir auf der Zunge lag.
Ich kenne den Mann nicht. Ich weiß gar nichts über ihn.
«Ich mache hier gerade sauber», sagte ich. «Ich wohne nicht hier.»
«Hoffe, die Arbeit ist nicht so übel, wie sie sich anhört.»
«Nein. Sie ist in Ordnung. Megan hat ihn wohl gut sauber gehalten.» Ich rollte die Augen über mich selbst.
«Wie heißen Sie?»
Wieder erfüllte der Schutzinstinkt seine Aufgabe.
Das ist ein Mann, dachte ich albernerweise. Kein Junge. Kein Typ. Sondern ein Mann. Seine Stimme klang tief, brummend, rau, als hätte er heute noch kaum gesprochen. Oder als ob er generell nicht viel redete. Oder als ob er ein Päckchen Zigaretten pro Tag rauchte - womit er eigentlich nicht so gut klingen dürfte. Aber das tat er. Er hatte einen Akzent aus einem der Südstaaten. Und er hatte sich zwar entschuldigt, wirkte aber . hart.
Mit meinem Puls passierte etwas Eigenartiges.
«Wie ich heiße, wissen Sie», sagte er.
Der dunkle Klang sandte mir Schauder über den Rücken wie ein Windhauch, und ich senkte ein wenig die Lider.
«Dylan», sagte ich. «Das steht im Display.»
«Genau. Tja, also, Sie müssen nicht .»
«Layla.» Das kam mir gerade in den Sinn. Layla war meine Cousine, eine hemmungslose junge Frau, der ich nur einmal begegnet war. Aber ihr Name fiel ständig, wenn meine Mom mich ermahnte und Geschichten über zu viel Nachsicht erzählte. «Du willst nicht enden wie Layla, oder?»
Das war urkomisch, denn wie ich zuletzt gehört hatte, war Layla jetzt eine extrem gefragte Maskenbildnerin in Hollywood und führte ein glückliches Leben.
Tja, Moms Horrorgeschichten hatten gewirkt, und nein, aus mir war keine zweite Layla geworden.
Aber in meinem neuen Leben . würde ich mich vielleicht...
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