Schweitzer Fachinformationen
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Sofia und ihre Freundinnen sind schon seit der Schulzeit immer füreinander da. Sie alle sind witzig, scharfsinnig, klug - und sie teilen ein düsteres Geheimnis. Als Sofias Ehemann plötzlich tot im Wohnzimmer liegt, gilt es, zusammenzuhalten. Nachdem sie sich ihm mit einigen Müllsäcken, einem Spaten und ein paar anderen fragwürdigen Methoden entledigt haben, brechen sie den Kontakt ab und müssen die alltäglichen Stolpersteine des Frauseins ohne die Unterstützung der anderen bewältigen. Doch sieben Jahre später werden sie von einer Unbekannten erpresst - und sie müssen sich fragen, was sie einander wirklich bedeuten und wie weit sie gehen, um sich gegenseitig zu schützen.
Zunächst hatte Sophia beschlossen, sich umzubringen. Das schien der einzige Ausweg. Sie hatte darüber nachgedacht, es wie einen Unfall aussehen zu lassen. Einfach auf der Hauptstraße vor einen Laster zu springen. Sich vor einen Zug zu werfen. Jeder hätte geschworen, sie müsse ausgerutscht sein, denn warum sollte sie sich das Leben nehmen?
Während die Monate vergingen, entschied sie irgendwann, ihren Suizid nicht zu verheimlichen. Eine Überdosis Schmerzmittel, eine Plastiktüte über dem Kopf, der Schlauch in der Garage, wie sie es in Fernsehserien gesehen hatte. Ganz offensichtlich, sodass niemand auch nur den geringsten Zweifel daran haben konnte, wie furchtbar ihr Leben an Chris' Seite gewesen sein musste. Wie sehr sie gelitten hatte. Es wäre wirklich besser für alle, wäre sie tot. Kein Stress mehr, keine Spannungen. Sollten die anderen sich ihren eigenen Reim darauf machen. Scheiß drauf. Sie wäre dann tot.
Eines Morgens, es musste ein Samstag oder Sonntag gewesen sein, so gegen halb elf, kam sie die Treppe rauf und sah Chris im Bett liegen, flach auf dem Rücken, das Federbett bis ans Kinn gezogen, das Gesicht heiter und gelassen der Decke zugewandt. Er war bereits aufgestanden, hatte neunzig Minuten auf der Toilette verbracht und sie angeraunzt, weil sie den Kosmetikeimer im Bad nicht geleert hatte; er hatte sich sogar schon angezogen - und war dann zurück ins Bett gekrochen.
Isla hielt sich im Wohnzimmer auf. Sophia konnte das Plappern im Fernseher und Islas begeisterte Reaktionen hören. Chris hatte ein leichtes Lächeln auf den Lippen, und Sophia sah an der Art, wie seine Brust sich hob und senkte, dass er nicht schlief. Er lag nur da, wach, wohl wissend, dass sie ihn beäugte, wohl wissend, dass sie wusste, dass er nicht schlief, und er wartete regelrecht darauf, dass sie etwas sagte. Das war der Moment, in dem Sophia erkannte, dass sie genau das Leben führte, das sich Jill Caister immer für sie ausgemalt hatte.
Und es war auch der Moment, in dem Sophia zu dem Schluss kam, dass ihr bester Ausweg nicht darin bestand, sich selbst zu töten, sondern Chris.
Es war eine einleuchtende Lösung. Warum um alles in der Welt sollte sie Vorkehrungen treffen, sich selbst umzubringen, wenn sie ebenso gut ihn aus dem Leben befördern konnte? Sie würde besser für Isla sorgen. Chris bemerkte nicht mal, wenn ihre Tochter sich wehgetan hatte. Stundenlang ließ er sie hungern. Und er ärgerte sich über jede Minute, die er aufwenden musste, um nach ihr zu sehen, als wäre Vater zu sein das Gleiche wie Babysitten. Ohne Chris könnte Sophia sogar eine noch bessere Mutter sein, denn dann wäre sie nicht ständig eingeschüchtert, müsste sich nicht unentwegt wie auf rohen Eiern bewegen. Sie wäre frei von der ihr unverständlichen Schuld, der Verbitterung. Sie könnte wieder die Dinge tun, die sie liebte. Ihr ganzes Leben würde sich ändern, wenn Chris tot wäre. Sie wäre so glücklich. Sie wäre endlich wieder glücklich.
Sie leerte den Kosmetikeimer und fühlte sich so unbeschwert wie seit Jahren nicht mehr.
»War gar nicht so schwer, oder?«, rief Chris vom Bett, die Augen immer noch geschlossen.
Überhaupt nicht.
Sophia hatte ihre Persönlichkeit erst mit zwölf gefunden, nachdem sie Jills erdrückenden Fängen entronnen war. Mit Jill war sie zaghaft gewesen, verunsichert. Ohne Jill war sie lustig und lebendig, ein wesentlicher Bestandteil des Quintetts bestehend aus ihr, Caoimhe, Ajola, Safa und Ella. In ihrem Kreis war sie aufgeblüht und hatte stets gehofft und sich bildhaft vorgestellt, Jill würde sie mit ihren wahren Freundinnen erleben.
Siehst du? Das bin ich.
Wie sich jedoch herausgestellt hatte, kollidierte Sophias aufgeschlossene Persönlichkeit mit der von Chris, wenn an einem Dienstagabend um sieben jemand Essen machen und jemand Isla baden musste und dieser Jemand grundsätzlich sie war.
Im Lauf der Zeit war die Gegenwehr zu anstrengend geworden und Sophia immer stiller und stiller, zaghafter und zaghafter, und ganz allmählich unterhöhlten die Realitäten des Lebens ihre Identität, bis von ihrer Persönlichkeit nichts mehr übrig war und Sophia sich erneut in ihr Schneckenhaus zurückzog. Befangen. Sprachlos und ohne Gesprächspartner. Sie wusste nicht, warum Ajola, Caoimhe, Ella und Safa sie nach wie vor zu ihrer Runde zählten. Vielleicht aus Mitleid.
Seit der Schulzeit hatte Sophia mit Hingabe geschrieben, ständig Kurzgeschichten ersonnen, Novellen, Romane. Die Dateien verstaubten nun in ihrem Computer. Dabei war sie lange Zeit überzeugt gewesen, sie würde eines Tages den großen Roman ihrer Generation verfassen. Sie würde jemand sein. Es Jill eines Tages so richtig zeigen. Aber als sie sechsundzwanzig wurde, hatte sie immer noch nichts veröffentlicht, nicht einmal eine Kurzgeschichte in der Uni-Zeitung. Ihr Potenzial entzog sich ihr einfach. Eines Tages, so dachte sie, würde Jill Caister den Sieg davontragen.
Jahrelang hatte sie gegrübelt und diverse Methoden ausprobiert, um ihren Stil zu verbessern. Erst kürzlich, ungefähr zu der Zeit, zu der sie ernsthaft angefangen hatte, über Selbstmord nachzudenken, war ihr klar geworden, dass sie ganz einfach nicht gut genug war. Das war alles. Das war die Antwort. Das war das Leben. Sie konnte nicht schreiben, würde nie etwas veröffentlichen und keinen netten Mann heiraten. Nicht jeder konnte vollkommen sein. Nicht jeder konnte den Man Booker Prize gewinnen. Nicht jeder konnte glücklich sein.
Es wäre besser gewesen, hätte Chris sie geschlagen. Seine fiesen Sticheleien waren zu nuanciert. Hätte er sie in irgendeiner Form körperlich misshandelt, hätte sie einfach gehen können - und obendrein eine Ausrede dafür gehabt, warum sie es nie geschafft hatte, ihr Potenzial zu entfalten.
»Ich wurde in meiner Beziehung misshandelt.«
»Ah, okay.«
Aber Chris hatte sie nie geschlagen. Nie auch nur gezwickt. Nie an ihrem Haar gezogen oder sie grob fortgestoßen. Er hatte nie Hand an sie gelegt. Verließe sie ihn, würde sie sich zugleich einem immensen Druck aussetzen, zu ihm zurückzukehren.
»So sind Männer eben.«
»Ihr müsst daran arbeiten, um Islas willen.«
»Die Leute werfen heutzutage viel zu schnell hin, wenn es in einer Beziehung mal schwierig wird.«
»So ist das eben in einer Ehe.«
Grausam zu sein, feindselig zu sein; das war kein ausreichender Grund für eine Trennung. Es wäre so viel besser für sie, hätte Chris sie geprügelt. Damit wäre alles klar gewesen. Niemand würde Fragen stellen. Ende der Geschichte.
»Das Problem dabei ist«, so hatte sie Ajola eines Abends während eines ihrer wöchentlichen Telefonate erzählt, als Chris bei der Arbeit und Isla bereits im Bett war. Im Haus herrschte Stille, eine umfassende, pulsierende Stille, die Sophia tief im Inneren beruhigte und ihr ein Gefühl der Sicherheit vermittelte. »Chris ist toll. Er arbeitet, er bezahlt die Rechnungen, er hat alles im Griff.« Sie hatte ihren Freundinnen nie die Wahrheit verraten, wusste aber nicht so recht, warum. Weil Chris toll war? Alle mochten ihn. Er war humorvoll, gesellig. Stets bereit, einen guten und kostenlosen Rat zu Hypotheken zu erteilen. Die Leute würden sie für psychotisch halten, hätte sie gesagt, ja, aber er erwartet von mir, dass immer ich die Bettwäsche wechsele. Ja, aber er hat diese Neigung, ständig so zu tun, als würde er mich nicht hören, wenn ich ihn rufe. Ja, aber wenn ich wegen seines Verhaltens den kleinsten Ton sage, muss ich mich am Ende jedes Mal entschuldigen, weil ich angeblich überreagiert habe. »Es ist nur .« Sie suchte nach den passenden Worten für Ajola, nach einer Möglichkeit, ihre Unzufriedenheit auszudrücken, ohne schlecht über Chris zu reden.
»Sag einfach, was du auf dem Herzen hast«, forderte Ajola sie auf. »Ich urteile schon nicht.«
»Ich komme mir vor wie die ideale Ehefrau für Chris«, erwiderte Sophia. »Als hätte er einen Computer mit all seinen bevorzugten Charakteristika für eine Frau gefüttert, und der hätte mich dann einfach gedruckt. Genau mich. Ich bin klug, ich bin attraktiv, ich koche das Abendessen, ich bin eine gute Mum, ich arbeite. Er kann mich ins Restaurant ausführen und stolz präsentieren, er kann mich seiner Familie vorstellen und es als Erfolg empfinden. Ich bin diese Frau, weißt du?«
»Ich weiß«, sagte Ajola weise. »Du bist der Hauptgewinn.«
»Genau. Das trifft es.« Sophia legte die Füße auf den handgearbeiteten Eichholtz-Kaffeetisch und musste ausnahmsweise nicht fürchten, dass Chris hereinkam und sie tadelte. Die dicken Fleece-Socken umschmeichelten ihre schwieligen Füße. Ein Geschenk von Chris. Was beklagte sie sich überhaupt? »Es fühlt sich nur ein bisschen so an, als wäre ich eine Handelsware.«
Sophia hatte Chris an der Universität kennengelernt. Seine Attraktivität, seine Klugheit und sein Charisma hatten sie einfach umgehauen. Das war ein Mann. Ein echter Mann. Ihr war regelrecht schwummrig gewesen, als er ihr Interesse erwiderte. Gleich nach dem ersten Date war sie bereit gewesen, eine Familie mit ihm zu gründen, noch immer von dem verzweifelten Bedürfnis getrieben, es Jill zu zeigen, das heimliche Duell zu gewinnen. Vollkommen blind für Chris' Schwächen.
»Handelsware?«, zischelte Ajola. »Das klingt hart.«
»Es kommt mir vor, als hätte er mich gewählt, weil ich seinen Spezifikationen entspreche. Eine Statuette in extrem limitierter Auflage. Er sorgt für uns, solange ich in dieser Rolle bleibe. Sobald ich mich jedoch irgendwie verändere - sagen wir, ich würde außergewöhnlich stark altern oder ihm...
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