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Wahrscheinlich trinke ich zu viel. Das erst mal vorab. Hat man Ihnen aber bestimmt schon verraten. Sie brauchen nicht um den heißen Brei herum zu reden.
Wir bereiteten einen Einsatz vor - Rendimento nannten wir das, italienisch für Aufführung -, für Heiligabend, elf Uhr nachts. Doch am Sonntag, fünf Tage davor, erkrankte Derry, unser Einsatzleiter, während er gerade observierte, und Angelucci wurde zum Ersatzmann bestimmt.
Wie denn das?, fragen Sie sich wahrscheinlich. Gute Frage.
Das Alter hat meinem Gedächtnis leider ein wenig zugesetzt. Zwar vergesse ich nichts, aber manchmal gerät die Reihenfolge meiner Erinnerungen durcheinander. Daher bin ich mir nicht ganz sicher, wann ich den Monsignore zum ersten Mal traf. In Rom während des Kriegs, so viel ist klar. Verlangen Sie nicht von mir, dass ich ins Detail gehe, sonst muss ich mich erst mal für ein Nickerchen zurückziehen.
Nein, ich führte kein Tagebuch, Herzchen. Dazu hat mir die Geduld gefehlt.
Sie haben nicht zufällig eine Zigarette? Jetzt, wo wir so richtig einsteigen wollen.
Nein, nicht nötig. Ich habe Streichhölzer.
Als Frau eines hochgestellten irischen Diplomaten im Vatikan stand man dauernd auf offiziellen Empfängen herum, wurde von Erzbischöfen bequatscht und tat so, als hörte man ihnen zu. Man empfand eine Art Verpflichtung, sein Scherflein beizutragen, um die jungen Iren in der Stadt zu unterstützen, von denen die meisten einem Orden angehörten.
Ach, schätzungsweise fünfhundert in etwa, Priester und Nonnen. Viele Seminaristen. Aufgrund der Rationierung war es in Rom während des Kriegs schlecht um den Speisezettel bestellt - manchmal bekam man einen Monat lang keinen Kohlkopf, kein Hühnerbein in die Hände. Stattdessen schorfige Steckrüben. Armeekekse, die nach Sägemehl und Asche schmeckten. Würstchen, die so wenig Fleisch enthielten, dass man sie unbesorgt am Karfreitag hätte essen können.
Und viele dieser jungen Leute waren kaum erwachsen. Heutzutage würden wir sie als Teenager bezeichnen. Das Wort gab es damals nicht. Daher wirkten sie - wie soll ich es ausdrücken? - etwas verloren. Und erschöpft. Religiöse Kinder neigen dazu, die ganze Nacht wach zu liegen, denn um gläubig zu sein, braucht es Phantasie.
Einige waren gerade den kurzen Hosen entwachsen, und schon drohte ihnen das Priesteramt. Bei manchen fragte man sich, ob es nicht eher Mutterns Idee gewesen war als ihre eigene. Auch wenn mich der eine oder andere das nicht gern sagen hört, waren Nonnen häufig die jüngsten Töchter bettelarmer Familien, für die dieser Weg die einzig mögliche Zukunft war. Oder sie steckten mitten in der Pubertät und waren beeinflussbar, wie die meisten von uns in dieser Zeit. So manch eine pfiffige Mutter Oberin geht in den kleinen Schulen in Hutchesontown, Glasgow, auf die Jagd nach Berufenen. Annie, gerade mal dreizehn, hebt die Hand. Sie liebt die Muttergottes und den Blumenschmuck auf dem Altar. Und im Handumdrehen wird Annie ins Kloster gesteckt. Für den Rest ihres Lebens. Natürlich war das nicht bei jeder Novizin der Fall, aber man machte sich eben seine Gedanken.
Jedenfalls fühlte man sich, angesichts der Umstände, diesen Jugendlichen verbunden. Damals war Rom voller Angst und Hunger. Und der Sommer höllisch heiß, eine sengende, auslaugende Hitze. Im Park unserer prachtvollen Gesandtschaftsvilla gab es ein Schwimmbecken und bei sämtlichen Veranstaltungen und Feiern, an denen ich teilnahm, ließ ich verlauten, alle irischen Jugendlichen in der Stadt dürften ihn nutzen, und nannte ihnen auch die Straßenbahnlinien, mit denen sie von der Piazza del Risorgimento, gleich um die Ecke vom Vatikan, zu uns fahren konnten. Mein armer Tom verzweifelte schier an mir und bestand darauf, dass Männlein und Weiblein an getrennten Tagen schwimmen müssten. «Du bist eine Spaßbremse», sagte ich zu ihm. «Aber deswegen habe ich dich ja geheiratet.»
Im Ernst, natürlich stimmte ich seinem Kompromiss gern zu. Der Anblick dieser mageren Körper, die herumtollten und planschten, hätte ein Glasauge zum Weinen gebracht.
Daher führte ich ein, dass die Jugendlichen jeden Donnerstagabend in die Villa kommen durften, gewissermaßen als Abend der offenen Tür.
Ich ließ Terrinen mit köstlicher Minestrone auffahren und dieses herrliche lange italienische Brot, Sie wissen schon, und ein bisschen Obst, wenn ich welches auf dem Schwarzmarkt ergattern konnte - die Dienstmädchen der Gesandtschaft halfen mir dabei -, für ein paar Shilling war dort fast alles zu haben. Große Kessel mit Pasta, für ein Englisches Pfund bekam man so viel Spaghetti, dass man ein ganzes Bataillon hätte ernähren können. Dazu Oliven und ein oder zwei Käsesorten. Eine riesige, ofenheiße Lasagne. Außerdem ab und an Wurst und Speck aus Limerick, wenn es mir gelang, diese ins Diplomatengepäck zu schmuggeln. Eis oder pochierte Pfirsiche mit Zabaglione, manchmal sogar eine Zitronentarte. Ja, auch Wein. Warum denn nicht? Sie sollten sich in meinem Haus wohlfühlen. Wenn ihnen nach un bicchiere di vino rosso oder einer Flasche Stout war, was bei den wenigsten der Fall war, sollten sie das bisschen Alkohol genießen, ich wollte alles, was wir hatten, mit ihnen teilen. So bin ich erzogen worden.
Ich bin Katholikin, ich liebe meinen Glauben, so gut ich kann, aber die Kommunionbank küssen liegt mir nicht. Ganz und gar nicht. Zur Heiligen Maria eigne ich mich nicht. In allen Konfessionen gibt es gute Menschen und Schweine allererster Güte. Das Leben ist ein besserer Lehrmeister als jeder Katechismus.
Für Gästebewirtung in der Gesandtschaft war ein recht bescheidenes Budget vorgesehen. Ich trieb meinen unglücklichen Herrn und Meister in den Wahnsinn, weil ich es jede Woche überzog. Und wenn ich mich recht entsinne, konnte Dublin darüber ein wenig unwirsch werden. Es trafen dringliche Telegramme vom Außenministerium ein, die einen Beleg in dreifacher Ausfertigung für eine Flasche Prosecco forderten: RG, Betr., Datum, alles in Großbuchstaben. Mich kümmerte das nicht die Bohne, Herzchen. Wir werden noch lange genug im Grab liegen. Diese junge Frau ist nicht dafür bekannt, dass sie tut, was man ihr sagt. So ein kleiner wichtigtuerischer Bürohengst meint, er könnte bei meinereiner den großen Zampano spielen? Der kann mich kreuzweise im Mondenschein.
Am fraglichen Abend ging mir vieles durch den Kopf. Den Vormittag hatte ich im Tonstudio von Radio Roma verbracht, um eine Platte mit zwei Liedern aufzunehmen, die daheim in Irland herauskommen sollte. Ja, bevor ich heiratete, war ich Sängerin. Ich wollte meinen Beruf nicht ganz aufgeben.
An dem Tag? Ach, Herzchen, daran erinnere ich mich doch jetzt nicht mehr, wahrscheinlich Danny Boy und Boolavogue. Vielleicht The Spinning Wheel. Da müsste ich nachschauen.
Daheim hatte ich eine hübsche, kleine Karriere gehabt, die mich sehr erfüllte und anregte. Ehrlich gesagt fehlten mir die Konzerte und das ganze Herumreisen fürchterlich. Aber '41 musste ich eine Pause einlegen, da wurde der Krieg schlimmer und Tom nach Rom versetzt. Am Abend, als die Luftwaffe Brandbomben auf das Theater von Belfast warf, hatte ich einen Auftritt. Das nennt man wohl eine durchwachsene Kritik.
Landauf, landab gab es in ganz Irland keine Stadt, in der ich nicht sang. Im Sommer auf der Isle of Man, in Liverpool, Manchester, oft in Dundee oder Ayrshire, einige ...
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