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Nachdem du gelesen hast, wie Long Covid das Leben von Betroffenen prägen kann, soll im Folgenden beschrieben werden, was Long Covid eigentlich ist.
Der Begriff »Long Covid« wurde erstmals von der Betroffenen Dr. Elisa Perego im Mai 2020 auf Twitter verwendet. Drei Monate später wurde die Bezeichnung Long Covid auch von der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verwendet. Seither laufen in Deutschland und anderen Ländern viele Studien zur Beschreibung von Ursachen, Krankheitsverläufen und zielgerichteten Therapien. Im Folgenden erhältst du einen Überblick über den aktuellen Forschungsstand.
Aktuell leiden mindestens zehn Prozent aller Covid-19-Infizierten,[1] in Deutschland, also bereits mehr als eine halbe Million Menschen, an Long Covid (Stand: 12/2021). Mediziner*innen unterscheiden hierbei nochmals zwischen Post Covid und Long Covid (siehe Infobox unten). Für ein einfacheres Verständnis sprechen wir in diesem Buch jedoch nur von Long Covid. Gemeint sind damit die Langzeitfolgen, die nach einer Infektion mit Covid-19 auftreten können.
Long Covid oder Post Covid?
Long Covid = Beschwerden, die länger als vier Wochen nach der Infektion auftreten oder fortbestehen
Post Covid = Beschwerden, die länger als zwölf Wochen anhalten oder neu aufgetreten sind und nicht anders erklärt werden können
Long Covid ist mittlerweile als eigene Diagnose anerkannt (siehe Infobox rechts). Sie dient als Sammelbegriff für unterschiedliche Langzeitfolgen, die nach einer akuten Erkrankung an Covid-19 länger als 28 Tage bestehen oder neu auftreten können. Long Covid ist jedoch eine Ausschlussdiagnose, die erst dann gestellt werden kann, wenn andere Erkrankungen sicher ausgeschlossen wurden.
Um diese Frage zu beantworten, sammelt die Wissenschaft weltweit Informationen aus Betroffenenberichten. Zum Beispiel zeigt eine sogenannte Metaanalyse mit Daten von über 47 000 Studienteilnehmenden[2] die am häufigsten auftretenden Symptome auf:
58 %: Müdigkeit, Erschöpfung und verringerte Belastbarkeit (= Fatigue)
44 %: Kopfschmerzen
27 %: Konzentrations- und Aufmerksamkeitsprobleme
25 %: Haarausfall
24 %: Kurzatmigkeit
23 %: Geschmacksverlust
21 %: Geruchsverlust
19 %: Gelenkschmerzen
16 %: Gedächtnisschwierigkeiten
(In der Studie waren Mehrfachnennungen von Symptomen möglich.)
Diagnose Long Covid
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat nach den Vorgaben der WHO Long Covid als offizielle Diagnose im Diagnosesystem ICD-10 aufgenommen:
U09.9! - für den Post-Covid-19-Zustand*
U10.9 - für ein multisystemisches Entzündungssyndrom in Verbindung mit Covid-19
U08.9 - Covid-19 in der Eigenanamnese: für Fälle, bei denen eine bestätigte Covid-19-Infektion bereits früher zur Inanspruchnahme des Gesundheitswesens führt (die Person leiden nicht mehr an Covid-19)
*U09.9! kann als Diagnose nicht alleine stehen, sondern wird immer zusammen mit einer anderen Störung angegeben, um den Zusammenhang mit Long Covid zu kennzeichnen.
Obwohl es bestimmte Symptome gibt, die häufiger auftreten, zeigt sich Long Covid in völlig unterschiedlichen Symptombildern. Eine Studie aus Großbritannien konnte beispielsweise mehr als 200 unterschiedliche Symptome bei von Long Covid Betroffenen feststellen.[3]
Das häufigste Symptom ist Fatigue. Gemeint ist damit ein Zustand, in dem Betroffene sich dauerhaft sehr erschöpft fühlen. Im Gegensatz zur Müdigkeit kommt es bei der Fatigue zu einem Erschöpfungszustand, der sich nicht durch Ruhe oder Schlaf beheben lässt. Kommen zu diesem Erschöpfungszustand Konzentrations- oder Schlafstörungen, Muskel- oder Kopfschmerzen, spricht man von einem postviralen Fatigue-Syndrom
Ein solches Erschöpfungssyndrom wurde bereits bei der Spanischen Grippe (1918-1920) beobachtet. Noch wochen- oder monatelang nach der Infektion traten Symptome auf, die mit der eigentlichen Viruserkrankung nichts mehr zu tun hatten. Erst in den 1980er-Jahren aber wurde der Begriff Postvirales Fatigue Syndrom (PVF) geprägt. Neben der körperlichen Erschöpfung berichten Betroffene zusätzlich über:
Typische Auslöser einer postviralen Fatigue sind Grippeviren, das Epstein-Barr-Virus, Enteroviren oder Coxsackie-Viren. Mittlerweile wurde mehrfach beschrieben, dass auch nach Covid-19 postvirale Symptome als Langzeitfolgen auftreten können. Selbst nach milden Verläufen kann sich neben vielen weiteren Symptomen dauerhaft auch eine postvirale Fatigue entwickeln.[4]
Belastungsintoleranz = Post-exertional Malaise (PEM)
bedeutet, dass Betroffene sich nach körperlicher, kognitiver oder emotionaler Belastung tage- oder sogar wochenlang davon erholen müssen. Ihr Gesundheitszustand verschlechtert sich. Dies kann auch zeitverzögert auftreten und im schlimmsten Fall sogar dauerhaft sein.
In der Gutenberg COVID-19 Studie der Uniklinik Mainz zeigten etwa 40 Prozent der Corona-infizierten Personen Symptome, die über sechs Monate andauern. Je nach Datenlage kommen hier verschiedene Studien zu unterschiedlichen Ergebnissen. Laut Weltgesundheitsorganisation (WHO) sind etwa zehn Prozent der Corona-Infizierten von Long Covid betroffen. Wie häufig gesundheitliche Langzeitfolgen tatsächlich auftreten, kann derzeit noch nicht genau gesagt werden.
Anders als zunächst angenommen, können Langzeitfolgen nach allen Schweregraden der Infektion auftreten - auch bei symptomfreien oder milden Verläufen ohne Krankenhausaufenthalt. Weiterhin kommen verschiedene Studien übereinstimmend zu dem Ergebnis, dass das Risiko für Long Covid bei einer hohen Viruslast, einem schweren Verlauf oder Vorerkrankungen wie Diabetes mellitus steigt. Darüber hinaus sind Frauen häufiger betroffen.
Die verschiedenen Beschwerden können so gravierend sein, dass Betroffene nicht mehr arbeiten können und sogar Probleme haben, ihren normalen Alltag zu bewältigen. Ein bedeutsamer Teil der Long-Covid-Patient*innen erfüllen auch die charakteristischen Symptome der myalgischen Encephalomyelitis/des chronischen Fatigue-Syndroms (ME/CFS). Das Kernsymptom dieser Diagnose stellt die Belastungsintoleranz, Post-Exertional Malaise (PEM) dar. Dadurch sind Betroffene nicht mehr so belastbar wie früher und gezwungen, ihr Leben neu auszurichten.
Bei jedem Verdacht auf Long Covid ist der Arzt der geeignete Ansprechpartner. Bisher gibt es keine direkten Untersuchungsmethoden, um Long Covid sicher zu diagnostizieren und die Klassifizierung ist nicht einheitlich. Nach der Weltgesundheitsorganisation (WHO) werden Symptome unter Long Covid zusammengefasst, die innerhalb von drei Monaten nach der Infektion auftreten. Zusätzlich erfolgt schrittweise der Ausschluss anderer möglicher Erkrankungen mit ähnlichen Beschwerden, bis nur noch Long Covid übrigbleibt.[5]
Da sich zu Beginn der Pandemie[6] Arzt und Patient*in häufig gegenübersaßen und neben einem bunten Blumenstrauß an Symptomen keine Erkrankung finden konnten, haben wir im Anhang eine orientierende Checkliste für den Besuch beim Hausarzt zusammengestellt. Sie ist als einfacher Leitfaden geschrieben und in einen Basisteil sowie einen speziellen Teil untergliedert. Sind diese sowie eine orientierende Ultraschalluntersuchung von Bauchraum und Schilddrüse unauffällig, werden je nach Beschwerdebild aufwändigere Untersuchungen (zum Beispiel Computertomographie/Magnetresonanztomograpie, Lungenfunktion, Herzultraschall, Nervenwasserpunktion oder andere) notwendig. Diese werden von entsprechenden Fachärzten beziehungsweise in spezialisierten Long-Covid-Ambulanzen angeboten (unter https://longcoviddeutschland.org/ kann eine deutschlandweite Auflistung solcher Spezialambulanzen aufgerufen werden).
Das erklärt der Neuropsychologe Dr. Hartwig Kulke, der regelmäßig Long-Covid-Patient*innen mit kognitiven Einschränkungen in seiner Praxis behandelt:
Aus meiner Sicht ist es von entscheidender Bedeutung, die Erkrankung als einen organisch begründeten Prozesses zu begreifen, der nicht durch mehr Willen und Motivation überwunden werden kann. Spekulationen darüber, dass die Symptome durch unbewusste psychische Prozesse ausgelöst werden, sind in den meisten Fällen unbegründet. Diese Annahme ist für Betroffene eher kränkend und führt im Zweifelsfall zu...
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