Armageddon 2419 n.Chr.

KAPITEL II
Die Waldbanden

Sie gab mir einen kurzen Überblick über das sehr eigenartige soziale und wirtschaftliche System, in dem ihr Volk lebte. Zumindest erschien es mir aus meiner Sicht des 20. Jahrhunderts sehr eigenartig.

Ich erfuhr mit Erstaunen, dass genau 492 Jahre vergangen waren, während ich bewusstlos in der Mine lag.

Wilma, so hieß sie, gab nicht vor, Historikerin zu sein, und konnte mir daher nur einen groben Überblick über die Kriege geben, die geführt worden waren, und darüber, wie es zu diesen radikalen Veränderungen gekommen war. Es schien, als sei auf den Ersten Weltkrieg ein weiterer Krieg gefolgt, in dem sich fast alle europäischen Nationen zusammengeschlossen hatten, um die finanzielle und industrielle Macht Amerikas zu brechen. Sie erreichten ihr Ziel, obwohl sie besiegt wurden, denn es war ein schrecklicher Krieg, der Amerika ebenso wie sie selbst erschöpft, blutend und desorganisiert zurückließ, mit nur einer hohlen Hülle eines Sieges.

Diese Chance nutzten die russischen Sowjets, die sich mit den Chinesen verbündet hatten, um ganz Europa zu überrollen und ins Chaos zu stürzen.

Amerika, das industriell auf die Weltproduktion und den Welthandel ausgerichtet war, brach wirtschaftlich zusammen, und es folgte eine lange Zeit der Stagnation und verzweifelter Versuche zum wirtschaftlichen Wiederaufbau. Aber es war unmöglich, einen Krieg mit den Mongolen abzuwenden, die inzwischen die Russen unterworfen hatten und ein Weltreich anstrebten.

Um das Jahr 2109 herum kam es schließlich zum Eklat. Die Mongolen fielen mit einer riesigen Flotte von Luftschiffen und einer Wissenschaft, die der des geschwächten Amerikas weit überlegen war, über die Pazifik- und Atlantikküste und von Kanada aus ein und vernichteten mit ihren schrecklichen Desintegrationsstrahlen amerikanische Flugzeuge, Armeen und Städte. Diese Strahlen wurden von einer Maschine ausgesandt, die wie ein Suchscheinwerfer aussah, deren Reflektor jedoch nicht aus Materie bestand, sondern aus einem komplizierten Gleichgewicht wechselwirkender elektronischer Kräfte. Das Ergebnis war ein furchtbar zerstörerischer Strahl. Unter seinem Einfluss schmolz Materie zu "Nichts", d. h. zu elektronischen Schwingungen. Er zerstörte alle damals bekannten Substanzen, von Luft bis zu den dichtesten Metallen und Steinen.

Sie ließen sich nieder und gründeten die sogenannte Han-Dynastie in Amerika, eine Art Provinz ihres Weltreichs.

Es waren schreckliche Zeiten für die Amerikaner. Sie wurden wie wilde Tiere gejagt. Nur diejenigen überlebten, die schließlich Zuflucht in Bergen, Schluchten und Wäldern fanden. Die Regierung war unter ihnen zusammengebrochen. Mehrere Generationen lang herrschte Anarchie. Die meisten wären bereit gewesen, sich den Hans zu unterwerfen, selbst wenn dies Sklaverei bedeutet hätte. Aber die Hans wollten sie nicht, denn sie selbst verfügten über wunderbare Maschinen und wissenschaftliche Verfahren, mit denen alle schwierigen Arbeiten erledigt werden konnten.

Schließlich gaben sie die aktive Suche nach den weit verstreuten Gruppen der inzwischen verwilderten Amerikaner und deren Vernichtung auf. Solange sie sich in ihren Wäldern versteckt hielten und sich nicht in die Nähe der großen Städte wagten, die die Hans erbaut hatten, schenkte man ihnen wenig Beachtung.

Dann begann der Aufbau der neuen amerikanischen Zivilisation. Familien und Einzelpersonen schlossen sich zu Clans oder "Banden" zusammen, um sich gegenseitig zu schützen. Fast ein Jahrhundert lang lebten sie ein nomadisches und primitives Leben, zogen von Ort zu Ort, in ständiger Angst vor den gelegentlichen Luftangriffen der Hans und dem schrecklichen Desintegrationsstrahl. Als diese Angriffe seltener wurden, begannen sie, sich dauerhaft an bestimmten Orten niederzulassen und sich ähnlich wie die Militärhaushalte der normannischen Feudalbarone zu organisieren, nur dass sie sich nicht in Burgen versammelten, sondern ihre Verteidigungstaktik eine gewisse Streuung der Wohnquartiere für Familien und Einzelpersonen erforderte. Sie lebten praktisch unter freiem Himmel, in den Wäldern, in grünen Zelten, und griffen zu Tarnmanövern, um sich vor Luftbeobachtern zu verstecken. Sie gruben unterirdische Fabriken und Labore, um sich besser vor den elektrischen Detektoren der Hans zu schützen. Sie zapften die Funkverbindungen der Hans an, zunächst mit primitiven Geräten, später mit besseren. Sie setzten alle Kräfte für den Wiederaufbau der Wissenschaft ein. Viele Generationen lang arbeiteten sie als unsichtbare, unbekannte Gelehrte der Hans und sammelten ihr Wissen Stück für Stück, so schnell sie konnten.

In der ersten Hälfte dieser Zeit gab es viele tödliche Kriege zwischen den verschiedenen Banden und gelegentlich mutige, aber kindisch vergebliche Angriffe auf die Hans, auf die schreckliche Strafaktionen folgten.

Aber mit dem Fortschreiten des Wissens entwickelte sich das Gefühl der amerikanischen Brüderlichkeit wieder. Zwischen den Banden wurden gegenseitige Vereinbarungen über immer größere Gebiete getroffen. Der Handel entwickelte sich bis zu einem gewissen Grad, beispielsweise zwischen einer Bande und einer anderen. Aber der Austausch von Wissen wurde wichtiger als der von Gütern, da sich die Fähigkeiten im Umgang mit synthetischen Prozessen weiterentwickelten.

Innerhalb der Banden entwickelte sich eine Wirtschaft, die einen Kompromiss zwischen individueller Freiheit und einem militärischen Sozialismus darstellte. Das Recht auf Privateigentum war praktisch auf persönlichen Besitz beschränkt, aber es gab viele private Privilegien, die als heilig angesehen wurden. Der Anreiz zum Streben nach Leistung lag hauptsächlich im Erlangen verschiedener Arten von Führungspositionen und Vorrechten und nur in sehr begrenztem Maße in der Hoffnung, etwas zu besitzen, das als "Reichtum" eingestuft werden könnte, und nichts, was als "Ressource" eingestuft werden könnte. Ressourcen aller Art, die der militärischen Sicherheit und Effizienz dienten, gehörten aus Gründen des öffentlichen Interesses der gesamten Gemeinschaft.

In der Zwischenzeit hatten die Hans über viele Generationen hinweg eine Luxuswirtschaft entwickelt und damit die Perfektionierung vergoldeter Laster und Entwürdigung. Die Amerikaner wurden als "wilde Männer aus den Wäldern" angesehen. Und da sie weder den Wald noch die wilden Männer brauchten oder wollten, behandelten sie sie wie Tiere und waren sich keiner menschlichen Brüderlichkeit mit ihnen bewusst. Im Laufe der Zeit wurden synthetische Verfahren zur Herstellung von Lebensmitteln und Materialien weiterentwickelt, sodass die Hans immer weniger Land für die Landwirtschaft benötigten und schließlich sogar der Bergbau aufgegeben wurde, als es billiger wurde, Metalle aus elektronischen Schwingungen herzustellen, als sie aus dem Boden zu graben.

Die Han-Rasse, durch ihre Laster und ihren Luxus entkräftet, mit Maschinen und wissenschaftlichen Verfahren, die alle ihre Bedürfnisse befriedigten, und praktisch ohne Notwendigkeit zu arbeiten, begann, eine defensive Haltung gegenüber den Amerikanern einzunehmen.

Und ganz natürlich empfanden die Amerikaner einen tiefen, grimmigen Hass gegenüber den Hans. Im Bewusstsein ihrer individuellen Überlegenheit als Menschen und in dem Wissen, dass sie die Hans in Wissenschaft und Zivilisation längst überholt hatten, sehnten sie sich verzweifelt nach dem Tag, an dem sie mächtig genug sein würden, um sich zu erheben und die gelbe Plage, die über dem Kontinent lag, zu vernichten.

Als ich aufwachte, waren die Banden noch ziemlich locker organisiert, aber sie überlegten, eine spezielle Miliz aufzubauen, deren Aufgabe es sein sollte, die Hans zu bekämpfen und ihre Luftschiffe zu zerstören, wann immer möglich, ohne die Mongolen zu beunruhigen. Diese Miliz sollte der Kern der nationalen Streitkräfte werden, wenn der Tag der Vergeltung kam. Aber das passierte erst zehn Jahre später und ist eine andere Geschichte.

Wilma erzählte mir, dass sie Mitglied der Wyoming-Bande war, die unter der Führung von Boss Hart das gesamte Wyoming-Tal als ihr Territorium beanspruchte. Ihre Mutter und ihr Vater waren tot, und sie war unverheiratet, also gehörte sie nicht zur "Familie". Sie lebte mit sieben anderen Mädchen in einer kleinen Zeltgruppe, die als Camp 17 bekannt war, unter der Leitung einer Camp-Chefin.

Ihre Aufgaben wechselten zwischen militärischer oder polizeilicher Aufklärung und Fabrikarbeit. In den zwei Wochen, die am nächsten Tag zu Ende gingen, war sie auf "Luftpatrouille" gewesen. Das bedeutete nicht, wie ich zuerst dachte, dass sie flog, sondern dass sie in diesem abgelegenen Teil des Wyoming-Territoriums nach Han-Schiffen Ausschau hielt und die meiste Zeit in den Baumwipfeln verbrachte, um den Himmel abzusuchen. Hätte sie eines gesehen, hätte sie mehrere Meilen s.u. eine "Leuchtrakete" abgefeuert, die sich entzündet hätte, wenn sie senkrecht zur Erde schwebte, sodass die Richtung oder der Punkt, von dem aus sie abgefeuert worden war, vom Luftschiff nicht erraten werden konnte und ein zerstörerisches Spiel des Desintegrationsstrahls in ihrer Nähe ausgelöst worden wäre. Andere Mitglieder der Luftpatrouille hätten Raketen abgeschossen, sobald sie ihre gesehen hätten, bis schließlich ein Späher mit einem Ultrophon, das im Gegensatz zum alten Radio mit ultronischen Äthervibrationen funktionierte, würde die Warnung gleichzeitig an das Hauptquartier der Wyoming-Bande und andere Gemeinden im Umkreis von mehreren hundert Meilen weiterleiten, ganz zu schweigen von den wenigen amerikanischen Raketenschiffen, die sich möglicherweise in der Luft befanden und die sich sofort entweder durch...