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1894, der Wilde Westen: Nach einer mysteriösen Grippewelle herrscht Unfruchtbarkeit. Umso wichtiger, dass Frauen ihrer weiblichen Pflicht nachkommen, heiraten und gebären. Als die siebzehnjährige Ada jedoch trotz Ehe nicht schwanger wird, verdächtigt man sie, mit einem Fluch belegt zu sein. Sie wird verstoßen und flieht - zur berüchtigten »Hole in the Wall«-Gang. Doch einmal von der Gang aufgenommen, stellt Ada fest, dass die Gesetzlosen ganz anders sind, als der örtliche Sheriff glauben machen will.
Die diverseste Gruppe von Geächteten, die der altehrwürdige Wilde Westen je gesehen hat. Ein wilder Ritt von einem Buch!
Im Jahr des Herrn 1894 wurde ich zur Gesetzlosen. Wie so vieles im Leben geschah auch das nicht von heute auf morgen.
Zunächst einmal musste ich heiraten. Am Tag meiner Hochzeit fühlte ich mich wie ein Glückskind. Ich war siebzehn und nicht die erste Braut in meiner Schulklasse, aber immerhin war ich eine Braut, und mein Ehemann ein hübscher Junge aus gutem Hause. Er hatte drei Geschwister, wie ich, und seine Mutter war eins von sieben Kindern. War ich verliebt? Damals behaupteten meine Freundinnen und ich ständig, in unsere Verehrer verliebt zu sein - ich weiß noch, wie ich stundenlang von seinen breiten Schultern schwärmte, von seiner ungeschickten, aber charmanten Art zu tanzen und seiner schüchternen Art, meinen Namen zu sagen.
Die ersten paar Ehemonate waren schön. Mein Mann und ich hatten ständig Lust aufeinander. In der neunten Klasse, als Mädchen und Jungen getrennt auf das Eheleben vorbereitet wurden, hatte Mrs Spencer uns erklärt, es würde später einmal unsere Pflicht sein, unserem Mann beizuwohnen und Babys für das Jesuskind zu bekommen. Von der Sache mit den Babys hatten wir schon gehört, denn wir hatten jedes Jahr seit der dritten Klasse Burtons Geschichten vom Jesuskind gelesen und wussten deshalb, dass Gott die Große Grippe geschickt hatte, wie damals vor vielen Jahrhunderten die Sintflut, um die Welt vom Bösen zu säubern. Wir wussten, das Jesuskind war Mary von Texarkana erschienen, kurz nachdem die Grippe zwischen Boston und Kalifornien neun von zehn Männern, Frauen und Kindern umgebracht hatte, und wir wussten auch, dass Es einen Bund mit ihr geschlossen hatte: Wenn die Überlebenden fruchtbar waren, sich mehrten und die Welt nach Seinem Ebenbild bevölkerten, würde Es ihre Nachkommen behüten und vor weiterer Krankheit verschonen, bis in alle Ewigkeit.
Und in der neunten Klasse erfuhren wir dann, wie wir unserem künftigen Ehemann beiwohnen würden. Wir sollten uns vorher waschen, uns Parfüm hinter die Ohren tupfen, langsam atmen, um alle Muskeln zu entspannen, und unserem Gatten währenddessen in die Augen blicken. Angeblich würde es bluten.
»Keine Sorge«, fügte die Lehrerin lächelnd hinzu. »Es tut nur beim ersten Mal weh. Nach einer Weile wird es euch gefallen. Nichts ist schöner, als wenn zwei Menschen zusammenfinden und ein Kind zeugen.«
Anfangs wusste mein Mann nicht so recht, wie er es anstellen sollte, aber er nahm seine Verantwortung sehr ernst, und was ihm an Erfahrung fehlte, machte er mit Eifer wieder wett. Damals wohnten wir bei seinen Eltern, während er auf ein eigenes Haus sparte. Beim Frühstück scherzte seine Mutter immer, bald würde ich für zwei essen.
Tagsüber begleitete ich meine Mutter weiterhin zu ihren Hausbesuchen. Ich war ihr ältestes Kind und das einzige, das wirklich etwas über Steißgeburt, Morgenübelkeit und Kindbettfieber lernen wollte, und folglich würde ich, wenn sie zu alt für ihren Beruf sein würde, ihre Aufgaben übernehmen. Bei den Hausbesuchen trug ich meinen neuen Ehering. Die werdenden Mütter zwinkerten mir zu und neckten mich.
»Gut, dass du das alles jetzt schon lernst«, sagte Alma Bunting, vierzig Jahre alt, schwanger mit dem sechsten Kind und von Hämorrhoiden geplagt. »Dann bist du nicht so überrascht, wenn es dir passiert.«
Ich lachte nur. Ich war nicht wie meine Freundin Ulla, die jetzt schon acht Babynamen ausgesucht hatte, vier für Jungen und vier für Mädchen. Als ich zehn Jahre alt war und meine Schwester Bee gerade zwei Monate, hatte meine Mutter sich ins Bett gelegt und konnte ein Jahr lang nicht mehr aufstehen. Ich wusste also, was es hieß, Mutter zu sein - ich hatte Bee gewickelt und mit der Flasche gefüttert, wenn meine Mutter sie nicht stillen konnte, und nachts hatte ich sie getröstet, obwohl ich selbst noch ein Kind war und mich im Dunkeln fürchtete. Ich hatte es nicht gerade eilig, die Erfahrung zu wiederholen, und von den Hausbesuchen wusste ich, dass schwanger zu werden manchmal Monate dauerte, selbst für so junge Frauen wie mich. Ich war zufrieden damit, mit meinem frischangetrauten Ehemann zu schlafen, mich gelegentlich aus dem Haus zu schleichen, mit Ulla, Susie und Mary Alice hinter der Scheune der Petersens Felsenbirnenwein zu trinken und mich um niemanden zu kümmern außer um mich selbst.
Aber eines Morgens - die Hochzeit war sechs Monate her, und ich stand gerade in der Küche und räumte das Frühstücksgeschirr weg - sprach mich meine Schwiegermutter an.
»Weißt du«, sagte sie, »du darfst, wenn ihr es getan habt, nicht einfach aufstehen und herumlaufen. Wenn es klappen soll, musst du mindestens eine Viertelstunde liegenbleiben und stillhalten.«
Normalerweise redete sie mit mir, als wären wir zwei Gleichaltrige, die nach der Schule den neuesten Tratsch austauschen. Aber das hier war kein Tratsch, und wir waren keine Schulfreundinnen. Ich versuchte, froh und unbekümmert zu klingen.
»Mama sagt, das spielt keine so große Rolle«, erklärte ich. »Sie meint, es kommt vor allem auf den richtigen Zeitpunkt an. Deswegen trage ich ihn jeden Monat in den Kalender ein.«
»Deine Mutter ist eine sehr kluge Frau«, sagte sie, dabei hatte sie meine Mutter nie leiden können. »Aber manchmal muss man eben ein kleines bisschen nachhelfen.«
Sie nahm mir die Teetassen aus der Hand.
»Ich erledige das«, sagte sie. »Geh und mach dich für die Arbeit fertig.«
Ich befolgte den Ratschlag meiner Schwiegermutter nicht - faul im Bett herumzuliegen hatte mir noch nie gefallen. Aber ich fing an, jeden Morgen meine Temperatur zu messen, um die fruchtbaren Tage nicht zu verpassen. Noch machte ich mir keine Sorgen - meine Mutter hatte mir erzählt, es habe acht Monate gedauert, bis sie mit mir schwanger wurde, mein Vater hätte sie deswegen sogar beinahe verlassen. Später, bei Janie, Jessamine und Bee, sei es einfacher gewesen. Wann immer wir allein waren, machte mein Mann sich über seine Mutter lustig. In die Ehe seines großen Bruders hatte sie sich angeblich so sehr eingemischt, dass seine Schwägerin ihr Hausverbot erteilt hatte.
Aus sechs glücklichen Monaten wurde ein ganzes Jahr.
»Jetzt gibt es nur noch eine Lösung«, sagte meine Mutter. »Du musst mit einem anderen schlafen.«
In der Hälfte der Fälle, erklärte sie, liege das Problem beim Mann.
Ich war schockiert. Mrs Spencer hatte uns immer erzählt, die meisten Paare bekämen deswegen kein Kind, weil die Frau ihrem Ehemann nicht oft genug beiwohnte, oder weil sie zu beten vergaß. Eine Frau, die ihre Pflichten gegenüber dem Ehemann und dem Jesuskind vernachlässigte, sei höchstwahrscheinlich von einer Hexe verflucht worden - für gewöhnlich von einer Frau, die selbst unfruchtbar war und andere mit ihrem Leid anstecken wollte.
Von meiner Mutter wusste ich, dass es so etwas wie böse Flüche nicht gab und der Körper manchmal einfach so versagte, aber von unfruchtbaren Männern hatte ich noch nie gehört. Als Maisie Carter und ihr Ehemann kein Kind bekommen konnten, war es Maisie, die aus dem Haus gejagt wurde und unten am Fluss bei den Kesselflickern und den Säufern leben musste. Als Lucy McGarry nicht schwanger wurde, ging sie zurück zu ihrer Familie, und als in dem Sommer zwei Nachbarinnen eine Fehlgeburt erlitten, schoben alle die Schuld auf Lucy. Sie wurde als Hexe gehängt. Damals war ich erst elf und begleitete meine Mutter noch nicht auf Hausbesuche. Ich hatte noch nie jemanden sterben sehen. Das Ganze machte mir große Angst - nicht die Gewalt an sich, sondern wie unvermittelt sie kam. Im einen Moment stand Lucy noch auf dem Podest, im nächsten baumelte sie reglos in der Luft. Ich stellte mir vor, wie es wäre zu sehen, zu denken und zu fühlen und dann plötzlich in die Finsternis zu stürzen - in weniger als Finsternis, ins Nichts. Die Furcht hielt mich nächtelang wach, aber dort unten vor dem Galgen hatte ich gejubelt wie alle anderen. Nur meine Mutter hatte nicht gejubelt.
»Ich will nicht mit einem anderen schlafen«, sagte ich. »Können wir es nicht noch eine Weile versuchen?«
Meine Mutter schüttelte den Kopf.
»Die Leute reden schon über euch«, sagte sie. »Meine Patientinnen fragen ständig, ob du endlich schwanger bist.«
Sie würde jemanden für mich finden, sagte sie. Es gebe Männer, die es für Geld machten, Männer, deren Zeugungskraft bewiesen war und die ein Geheimnis für sich behalten konnten. An den entsprechenden Tagen würde ich einen von ihnen treffen, tagsüber und am besten gleich mehrere Tage hintereinander.
»Du darfst nicht glauben, du würdest deinem Mann damit untreu«, sagte meine Mutter. »Betrachte es als Selbstschutz.«
Der Mann überraschte mich. Wir trafen uns im Haus meiner Mutter, wo er sich als Handwerker ausgab (und tatsächlich den Herd reparierte). Er stellte sich als Sam vor, aber ich wusste gleich, dass das nicht sein richtiger Name war. Er war im selben Alter wie meine Mutter und ziemlich hässlich mit seinem zotteligen mausgrauen Schnurrbart, dem dicken Bauch und den dünnen Beinen. Aber er war nett und nahm mir die Nervosität.
»Wenn du willst, dass ich aufhöre, musst du mir nur ein Zeichen geben«, sagte er und zog sich die Socken aus.
Ich wollte nicht, dass er aufhörte. Ich wollte, dass er sich beeilte mit dem, was nötig war, damit ich mit einem Kind im Bauch zu meinem Mann zurückgehen konnte und nie wieder Angst haben musste.
Wir trafen uns vier Mal, und während ich in der Zeit danach darauf wartete zu erfahren, ob es funktioniert hatte, fragte ich meine Mutter, was eine Frau wirklich unfruchtbar machte. Meine Mutter wusste...
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