Schweitzer Fachinformationen
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Sektor 215 - Militärischer Geheimdienst.
Kommandozentrale.
Man hatte ihn nicht an diesen Ort zitiert, sondern hierher eskortiert. Ein feiner Unterschied. Hinzu kam, dass Tareks Verhör laut Plan nicht vor siebzehn Uhr begann, es aber noch nicht mal zehn Uhr war, als sie durch die ersten Kontrollschranken des Regierungsgebäudes in der Rue du 6 Mai in Damaskus fuhren.
Um sie herum Hotels, Boutiquen und gut besuchte Einkaufszentren, als gäbe es den ganzen anderen Rest nicht oder als handelte es sich um urbane Legenden. Ein Foltergefängnis? Mitten in der Stadt? Wer würde das für möglich halten?
Der obligate militärische Gruß. Passkontrolle. Ein Soldat musterte mit einem Teleskopspiegel die Unterseite des Wagens, um sicherzustellen, dass nirgendwo ein Sprengkörper angebracht war, während ein anderer den Innenraum inspizierte, bevor das Militärfahrzeug weiterfahren durfte. Sogar als der Wagen nicht den Weg zum Verhörraum einschlug, sondern zu den Büros der Offiziere und unteren Dienstgrade abbog, bewahrte Adam einen kühlen Kopf.
Die Eskorte, die falsche Uhrzeit und das falsche Ziel, zu viele Unstimmigkeiten, die insgesamt betrachtet ein unheilvolles Szenario ergaben. Für einen kurzen Moment sah Adam vor seinem geistigen Auge, wie er seine Pistole zückte, dem Fahrer eine Kugel in den Kopf verpasste, sich hinters Lenkrad warf und in der Hoffnung, dem Kugelhagel zu entkommen, in Richtung Ausgang bretterte. Während er den allerletzten Notfallplan so durchspielte, wurde ihm bewusst, dass er immer noch im Besitz seiner Waffe war. Vertraute man ihm doch noch genug, dass er sie behalten durfte? Wenn sie auch nur den geringsten Zweifel an ihm hätten, wäre er nicht schon am Eingang unschädlich gemacht worden? Adam versuchte, ruhiger zu atmen und sich nur noch auf seine Atmung zu konzentrieren.
Am Ziel angekommen, bedeutete der Soldat Adam, ihm zu folgen. Sie durchquerten mehrere Flure und Büros, bevor Adam sich im Warteraum des Generals wiederfand, der den Sektor 215 - eines der effizientesten Folterzentren des Landes - leitete und der vierundzwanzig Stunden zuvor Adam befohlen hatte, angesichts seiner mäßig erfolgreichen Methoden den Verhörraum zu verlassen.
Unter dem offiziellen Porträt des syrischen Präsidenten saß Adam auf einem unbequemen metallenen Stuhl und zählte die Sekunden, die jede für sich eine kleine Ewigkeit darstellten, bis sich die Tür zum Büro öffnete.
»Hauptmann Sarkis!«
Adam sprang wie von der Tarantel gestochen auf, korrigierte seine Haltung und antwortete:
»Zu Ihren Diensten, General Khadour.«
Der Ranghöhere reichte ihm als Antwort auf seine Begrüßung die Hand, strahlte ihn aus diesem heiteren und gutmütigen Gesicht mit rosigen Wangen an. Sein praller Bauch zeugte von einem Leben in Wohlstand.
»Nehmen Sie doch Platz in meinem Büro, Hauptmann Sarkis, wir haben uns viel zu erzählen, nicht wahr?«
Die Rollläden waren heruntergelassen, eine Zigarette schwelte im marmornen Aschenbecher, und an der hinteren Wand hing ein riesiges Schwarz-Weiß-Foto von Damaskus in den 1960er-Jahren. Adam blieb keine Zeit, mehr Einzelheiten im Raum auszumachen.
»Wenn ich den Bericht, den ich bekommen habe, richtig verstehe, wollen Sie beim Verhör eines Gefangenen anwesend sein?«, fragte Khadour.
»Das stimmt, mein General. Tarek Jebara.«
Der General kräuselte mit angewidertem Gesichtsausdruck die Nase, als hätte der Raum soeben eine Ladung Gülle abbekommen.
»Sie geben dem Gefangenen aber eine besondere Bedeutung, wenn Sie ihn beim Namen nennen. Gefangener 465, das klingt doch besser, oder?«
All diese Fragen dienten ausschließlich dem Zweck, ihn auszuhorchen, und Adam erkannte, dass der sympathische und herzliche Mann vor ihm nur seine Arbeit tat. Seit Monaten oder Jahren ging das so, mit jedem Gefangenen, Fragen wurden gestellt, Antworten mithilfe von Einschüchterung, Drohung und Gewalt herausgepresst, immer und immer wieder. Und heute war er dran.
»465, natürlich, mein General. Das Verhör ist heute Nachmittag, wenn ich richtig informiert bin.«
»Ja, das sind Sie. Hieb- und stichfeste Informationen haben Sie da«, fuhr der General belustigt fort. »Ihr Gefangener, der hatte solche allerdings weniger. Wir haben sein Verhör aus organisatorischen Gründen vorverlegt. Er hat es nicht überlebt. Ärgerlich, nicht wahr?«
Vor Adams Augen spielten sich zwei mögliche Varianten ab, wie sich seine Zukunft gestalten könnte. Entweder Tarek hatte geredet, oder er hatte dichtgehalten. Entweder Adam würde leben, oder er würde die nächsten Tage damit verbringen, General Khadours Fragen zu beantworten. Das Herz schlug ihm vor Angst bis zum Hals, seine Hände lagen auf den Armlehnen des Sofas, damit sie nicht verräterisch zitterten, aber er blieb weiterhin in seiner Rolle.
»Hat er wenigstens die Informationen ausgespuckt, nach denen wir gesucht haben?«, fragte Adam.
»Leider nicht wirklich. Der war ganz schön standhaft und zäh, hat mich beeindruckt. Er ist sogar in den Genuss einer Sonderbehandlung gekommen. Diese Ehre wird nur besonderen Gefangenen zuteil. 465 wäre ein Mann gewesen, den ich gern auf meiner Seite gewusst hätte. Obwohl wir uns so viel Mühe gegeben haben, hat er uns nur eine Sache gebeichtet.«
Der Satz hörte hier auf, und zum ersten Mal endeten seine Worte nicht mit einer Frage. Als wüsste er Bescheid.
Er wusste es, Adam war sich sicher.
»Da 465 jetzt tot ist, haben Sie wieder etwas mehr Luft in ihrem Zeitplan, und das würde ich mir gern zunutze machen. Sie haben doch nichts dagegen?«
Bevor Adam antworten konnte, ließ der General erst gar keine Zweifel an der Hackordnung aufkommen.
»Keine Sorge, ich habe Ihren Vorgesetzten schon verständigt. Sie stehen . Wie hat er es noch ausgedrückt?«
Er tat kurz so, als würde er nach Worten suchen, dann rief er aus: ». mir zur Verfügung! Genau! Er hat gesagt: >Der Hauptmann steht Ihnen voll und ganz zur Verfügung.<«
Das Schweigen, das nun einsetzte, war unerträglich. Der General zog einen Ordner zu sich heran, blätterte ihn von vorn bis hinten durch, bis er bei einem Dokument stoppte, an dessen obere Ecke ein Foto von Adam geheftet war.
»Der Vater Diplomat, Militärattaché für die französisch-syrischen Beziehungen«, las er vor, als würde er Adams Lebenslauf zum ersten Mal sehen. »Sechzehn Jahre bei der Polizei, davon zehn Jahre als Offizier. Dann bitten Sie 2012 um Ihre Versetzung zur Militärpolizei, der Sie seit vier Jahren die Ehre erweisen. Mehrere Auszeichnungen, eine Tapferkeitsmedaille sowie eine Verletzung während eines Einsatzes. Sie können stolz auf Ihre berufliche Laufbahn sein.«
Unbewusst strich Adam sich mit der Hand übers Gesicht, genau über die Stelle, wo eine tiefe Narbe in Form eines Kommas auf der linken Wange eingekerbt war. Ein Granatsplitter, stand in seiner Akte. Die Wirklichkeit war nicht weit davon entfernt gewesen. Ein mit einer Sprengladung versehenes Auto, während Adam gerade einen Kaffee zum Mitnehmen bestellte, die Explosionswelle drückte das Schaufenster ein, das Glas zerbarst und verwandelte sich in lauter Miniharpunen. Es gab sechs Tote. Er war Polizist. Und alles verlangte nach einem Helden für die Pressenachrichten des nächsten Tages. Von heute auf morgen wurde Adam zum Hauptmann befördert. Er war weder stolz auf seine Medaille noch auf seinen Dienstgrad geschweige denn auf seine Verletzung.
»Wissen Sie, was mich noch mehr beunruhigt als eine militärische Akte voller Suspendierungen, Tadel oder Mahnungen?«, fuhr der General fort. »Eine Akte, in der nichts dergleichen zu finden ist. Ich mag die Streber, die Klassenersten, die Lieblinge nicht. Hinter ihnen stecken oft Manipulatoren. Und zu allem Überfluss sind Sie auch noch ein Christ.«
»Zumindest können Sie sicher sein, dass ich kein Soldat des Islamischen Staats bin.«
General Khadour hob erstaunt eine Augenbraue und prustete vor Lachen los. Dabei ließ er Adam nicht aus den Augen. Mit prüfendem Blick fragte er ihn schließlich:
»Was wissen Sie über die Operation Pavel, Hauptmann Sarkis?«
Als Adam den Namen der Operation hörte, die er ins Leben gerufen hatte, legte er eine Selbstbeherrschung an den Tag, die ihn selbst überraschte, und mit gefasster Stimme antwortete er:
»Der Kommandant Pavel Oljenko ist ein militärischer Berater, den uns die mit uns verbündeten Russen geliehen haben. Eine der aktiven Zellen der Freien Syrischen Armee hat vor zwei Wochen versucht, ihn zu entführen, wir konnten jedoch nur eine Person identifizieren und festnehmen, und zwar Tarek . Entschuldigen Sie. Den Gefangenen 465. Ihre Einheit hat alles gemacht, um ihn zum Reden zu bringen. Bis heute Morgen.«
Adam erwähnte nicht den Teil, den er nicht wissen durfte. Dass Pavel Oljenko nämlich die Operationen der Russen in Tschetschenien geleitet hatte, Experte für chemische Waffen war und die syrische Regierung von seinem Wissen profitieren ließ. Wenn es ihnen gelungen wäre, Oljenko zu entführen und ihm vor laufender Kamera Geständnisse zu entlocken, dann hätten sie mit einem fulminanten Schlag der internationalen Öffentlichkeit beweisen können, dass Bachar el-Assad »schmutzige« Waffen gegen Rebellen und die Zivilbevölkerung einsetzte. Es wäre nur noch schwer vertretbar gewesen, seine Regierung weiterhin zu unterstützen. Wie ein Leprakranker wäre der Tyrann isoliert gewesen und seine Herrschaft wäre ins Wanken geraten. Das war der vielleicht etwas utopische Grundgedanke, der hinter der Operation Pavel steckte.
»Sie sind von Anfang an bei den Ermittlungen zur Entführung dabei gewesen«, fuhr Khadour fort. »Wie mir berichtet wurde,...
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