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Zusatzgepäck
In den nächsten zwei Wochen passierte so viel auf einmal, dass Mila kaum zum Nachdenken kam. Ihre Eltern wuselten unruhig hin und her und überall in der Wohnung lagen Packlisten oder schon gestapelte Dinge, die auf keinen Fall vergessen werden durften - schließlich war Milas Abreise schon für das nächste Wochenende geplant. Ihre Eltern würden sie nach Marum begleiten; sie selbst würden dann ein paar Tage später nach Kenia fliegen.
Mila wusste nicht so richtig, was sie davon halten sollte. Auf der einen Seite war es gut, etwas zu tun zu haben. Noch dazu etwas so Spannendes. Auf der anderen Seite ging ihr das alles viel zu schnell. Ein Jahr ohne ihre Freunde und ohne Aurelie? Ohne Mama, mit der man sich so wunderbar aufs Sofa kuscheln und zum mindestens 287. Mal Bibi & Tina - Der Film ansehen konnte? (Obwohl Mila eigentlich schon viel zu alt dafür war .) Und ohne Papa - den besten Quatschmacher und Englischvokabel-Abfrager der Welt.
Zumindest eines war klar: Sie würde sie schrecklich vermissen.
Aurelie hatte es zwar geschafft, dass Mila sich mit dem Gedanken an das Pferdeinternat Inselglück hatte anfreunden können, aber je näher die Abreise rückte, desto größer wurde der dicke Knubbel in ihrer Magengegend.
Mila beobachtete ihre Eltern, die ein Bild aus dem Regal nahmen und es versonnen ansahen. Sie umarmte ihre Mutter von hinten und legte den Kopf in ihre Halsgrube. Bella neigte zärtlich den Kopf, deutete auf das Bild und sagte: "Kannst du glauben, dass aus dieser niedlichen Dreijährigen so ein tolles Mädchen geworden ist? Ich bin so stolz auf dich, weißt du das?"
Mila betrachtete das Bild. Sie selbst war darauf zu sehen in einem schrecklichen rosa-blau-gestreiften Schneeanzug und einem roten Reithelm, unter dem ein langer brauner Zopf hervorguckte. Breit grinsend saß sie auf Renate, die Zügel fest in der Hand.
Sie konnte sich noch erinnern, wie froh sie damals gewesen war, endlich reiten lernen zu dürfen.
"Ach, Mama. Das ist so lange her", flüsterte Mila. "Da war ich noch furchtlos."
"Und genau das bist du heute auch. Ein bisschen älter, aber dafür umso mutiger." Ihr Vater lachte und drückte Milas Hand. "Komm her zu mir, meine kleine Große!", sagte er dann und warf sich auf das große bunte Bodenkissen.
Mila und ihre Mutter sprangen hinterher und alle schmiegten sich eng aneinander. "Aber wir skypen jeden Abend, oder? Und wenn ich es so gar nicht aushalte auf Marum, dann kommt ihr wieder?"
"Was denkst du denn?", meinte Bella entrüstet. "Glaubst du, ich will vor Sehnsucht vergehen? Natürlich skypen wir, sooft wir können. Du beugst dich dann ganz nah zur Kamera und ich gucke, ob du neue Sommersprossen bekommen hast, ja? Und wenn du es wirklich ganz schrecklich finden solltest, dann kommen wir wieder. Ich will auf keinen Fall, dass mein kleines Mädchen unglücklich ist."
"Na, dann ist ja gut", meinte Mila und kuschelte sich noch fester an ihre Eltern. Sie musste schließlich Kuscheleinheiten für ein Jahr im Voraus auftanken!
"Hier sind noch Adessos Unterlagen", sagte Aurelie und reichte Mila einen grünen Ordner. "Impfpass, Untersuchungsergebnisse und alle anderen wichtigen Dokumente."
Mila war ganz schlecht. Kotzschlecht. Denn jetzt wurde es ernst. Der Tag der Abreise war gekommen. Der Kofferraum des schwarzen Kombis war randvoll mit Milas Sachen und ihr Vater koppelte gerade den geräumigen Pferdeanhänger an den Wagen.
Mila warf den Ordner unachtsam auf den Rücksitz. "Ich komme gleich wieder!", rief sie und verschwand hinter dem Pferdestall.
"Tief durchatmen", ermahnte sie sich. "Schön tief durchatmen." Sie war den Abschied in Gedanken schon Hunderte Male durchgegangen. Doch jetzt fühlte sie sich einfach nur mies und traurig. Und sie war so zornig auf ihre Eltern . genau wie an dem Tag, als sie von ihren Plänen erfahren hatte. Mila ballte die Fäuste und trommelte gegen die Bretterwand des Stalls. Erst als sie einen Blick auf ihre Hände warf, sah sie, dass die Knöchel an der rechten Hand aufgeschürft waren und zu bluten begonnen hatten. Verdammt.
Sie starrte auf das rote Rinnsal, das ihren Handrücken entlanglief. Merkwürdigerweise fühlte sie sich nun viel ruhiger.
Sie kramte ein zerknülltes Taschentuch aus ihrer Jackentasche und wickelte es um ihre blutende Hand.
"Mila, kannst du mal bitte kommen?", rief ihr Vater in diesem Moment.
Danach rumpelte es laut und Adesso wieherte.
"Bin sofort da!", rief Mila zurück.
Sie kämpfte sich durch die hohen Brennnesseln, die hinter dem Reitstall wuchsen. Eigentlich hatte sie noch einmal schnell nach Renate schauen wollen. Von ihrem kleinen Mini-Pony hatte sie sich zwar schon gestern ausgiebig verabschiedet - aber trotzdem. Ohne Renate wenigstens noch ein paarmal übers Fell zu streicheln, wollte sie nicht fahren.
"Mila, wir brauchen dich. Jetzt!", hörte sie nun ihre Mutter genervt rufen.
Für Renate würde sie schon noch fünf Minuten Zeit haben. Jetzt musste sie erst einmal nachsehen, was auf dem Hof los war.
Als Mila um die Ecke bog, war Aurelie schon zur Stelle.
"Ich bin mit meinem Latein am Ende", sagte sie, als sie Mila sanft am Ellbogen aus dem Gestrüpp zog. "Adesso will einfach nicht in den Anhänger. Obwohl er sonst nie Angst hatte. Vielleicht hast du ja eine Idee? Schließlich kennst du dein Pferd am besten."
Mila ging zu Adesso, der auf der Rampe des Anhängers stand und sich offensichtlich weder vor noch zurück bewegte. Dabei wirkte er aber überhaupt nicht ängstlich, sondern schaute Mila mit herausforderndem Blick ruhig an. Mila stieg zu ihm auf die Rampe und strich ihm über den Stern an seiner Stirn.
"Was ist los, mein Großer?", fragte Mila sanft. "Wir hatten doch alles besprochen. Es passiert dir doch nichts. Schau, wir machen es wie immer!" Mila ging ein paar Schritte in den Anhänger hinein und wartete darauf, dass Adesso folgen würde. Doch der blieb einfach stehen und dachte überhaupt nicht daran, sich auch nur einen Huf nach vorne zu bewegen.
Mila klapste ihm freundlich auf den Po. Sie versuchte es mit Leckerli. Sie führte ihn noch einmal ganz von der Rampe hinunter und lief mit ihm eine Runde über den Hof. Es half alles nichts. Adesso weigerte sich, den Pferdeanhänger zu betreten.
"Tja, die Anreise nach Marum dauert wohl länger, als wir angenommen haben", seufzte Bella und setzte sich auf die blaue Holzbank, die vor dem Pferdestall stand. Chris und Aurelie gingen in die Reiterstube, um allen etwas zu trinken zu holen. Mila brauchte auch eine Pause. Erschöpft ließ sie sich neben ihre Mutter plumpsen und zog die dicke Steppjacke aus. Es war ein schöner, sonniger Tag. Fast ein wenig zu warm für März. Am großen Ahornbaum, der neben Aurelies Wohnhaus stand, konnte man schon die ersten grünen Knospen erkennen. Mila blinzelte gegen die Sonne, die genau hinter dem Baum stand und ihn so in ein magisches Licht tauchte. Eigentlich ein perfekter Tag für einen Neuanfang, schoss es Mila durch den Kopf. Wenn es nur nicht so traurig wäre, Renate, Aurelie und ihre Eltern für ein ganzes Jahr nicht wiedersehen zu können. Sie beobachtete Adesso, der an der langen Holzstange im Hof angebunden war. Er schien überhaupt nicht aufgeregt zu sein. Nur irgendwie nicht bereit. So, als würde er auf etwas warten. Auf etwas ganz Selbstverständliches. Aber was konnte das sein? Was war anders als sonst?
Plötzlich war es Mila klar. Sie schlug sich mit der flachen Hand an die Stirn. "Ich hab's", sagte sie. "Jetzt weiß ich, warum Adesso nicht in den Anhänger geht."
"Na, dann schieß mal los", erwiderte Bella neugierig.
"Renate. Er wartet auf Renate. Er war noch nie ohne sie im Anhänger. Deswegen weigert er sich."
"Vielleicht hast du recht", meinte Bella nachdenklich. "Einen Versuch ist es wert. Und was soll's. Dann fahren wir eben mit zwei Pferden nach Marum und nehmen Renate anschließend wieder mit. Geh sie doch mal holen!"
Mila stand auf und lief in den Pferdestall. Renate wirkte ohne Adesso an ihrer Seite ganz klein und verloren. Und die Doppelpferdebox riesig und leer.
Mila entriegelte das Schloss und schob die schwere Tür zur Seite. Sie nahm das Stallhalfter vom Haken, trat in die Box und stülpte es Renate über den Kopf. "Du musst uns helfen. Dein großer Kumpel schafft das nicht allein."
Renate wieherte leise.
"Du hast mich verstanden, nicht wahr?", fragte Mila. "Du bist so ein kluges Pony! Komm."
Mila führte Renate auf den Hof. Sie gab ihr zur Belohnung eine große Möhre. Obwohl Renate so klein war, knabberte sie sie mit zwei Bissen weg.
"Im Futtern warst du schon immer größer, als du aussiehst", lachte Mila.
Renate steuerte auf Adesso zu und Mila ließ sie gewähren. Sie war gespannt, ob ihr Plan aufgehen würde.
Renates Maul reichte Adesso gerade mal an sein Kniegelenk. Doch genau an dieser Stelle stupste sie ihn nun an und wandte den Kopf in Richtung Anhänger. Adesso beugte den langen geschmeidigen Hals zu ihr herunter, beschnupperte sie zärtlich und hatte plötzlich einen höchst zufriedenen Gesichtsausdruck.
"Was habt ihr denn vor?", fragte Aurelie, die in diesem Augenblick mit einem Tablett voller Wassergläser im Türrahmen stand.
"Pst, leise", flüsterte Bella und legte den Zeigefinger auf die Lippen. "Ich glaube, Mila hat einen Weg gefunden, sodass Adesso freiwillig in den Anhänger steigt."
Aurelie stellte das Tablett ab. Chris war hinter sie getreten und beobachtete nun ebenfalls staunend, was passierte.
Bella ging mit Renate voraus zum Anhänger....
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