2 Wundbeurteilung und Dokumentation
2.1 Wundbeurteilung
2.1.1 Ist die Wundheilung phasengerecht?
Die Wundheilung verläuft zufriedenstellend, wenn die Wunde phasengerecht heilt. Es gilt also zu beurteilen, ob sich die Wunde in einem vertretbaren Zeitrahmen weiterentwickelt. Im Zusammenhang mit dem Heilungsverlauf wird u.a. von chronischen Wunden gesprochen. Die Definition ist nicht ganz einfach: Eine chronische Wunde ist vorrangig eine Wunde, die im Bereich der Entzündungs- oder Proliferationsphase stagniert und keinen geregelten Heilungsverlauf mehr zeigt. Eine Konkretisierung ist jedoch schwierig. In Anlehnung an eine Publikation aus der Humanmedizin werden im Folgenden Wunden, die länger als 3 Mo offen sind, als chronisch bezeichnet.
2.1.1.1 Kurzübersicht der Wundheilungsphasen
Steckbrief: Entzündungsphase
Aufgabe
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Reinigung der Wunde
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Auflockerung des Gewebes, um das Einwachsen neuer Gefäße zu ermöglichen
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Zellen zum Neuaufbau von Gewebe rekrutieren
Vorrangig beteiligte Zellen
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Thrombozyten
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Monozyten
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neutrophile Granulozyten
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Makrophagen
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T- und B-Lymphozyten
Zeitlicher Ablauf
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Wundhämatom
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Vorrangig neutrophile Granulozyten töten Bakterien ab und phagozytieren tote Zellen und Fremdmaterial.
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Makrophagen unterstützen im weiteren Verlauf die neutrophilen Granulozyten: Sie bauen zusätzlich Fremdmaterial ab und initiieren den Gewebsumbau sowie das Einwachsen neuer Gefäße (durch geändertes Zytokinprofil der Wunde und MMPs)
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Übergang zur Proliferationsphase (Anreicherung von Mediatoren für den Gewebeaufbau)
Dauer
Klinische Zeichen
Klinischer Bezug
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Vorsicht mit entzündungshemmenden Medikamenten (bei Problemwunden in dieser Phase kein Einsatz von Kortison, NSAID oder Chemotherapeutika, sofern es der Zustand des Patienten erlaubt)
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Wunde reinigen (Debridement), um dem Körper Arbeit abzunehmen
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Wundauflage muss Sekret aufnehmen, ohne zu viele Mediatoren von der Wunde abzutransportieren, die Wundoberfläche darf nicht austrocknen und die Temperatur muss konstant über 28 °C gehalten werden
Steckbrief: Proliferationsphase
Aufgabe
Vorrangig beteiligte Zellen
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Fibroblasten, Fibrozyten
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Endothelzellen
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Myofibrozyten
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Epithelzellen
Zeitlicher Ablauf
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Neovaskularisation, um das Wundgebiet wieder an die Zirkulation anzubinden
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Kollagensynthese, um den Defekt wieder aufzufüllen
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Zusammenziehen der Wunde (durch Myofibrozyten)
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Einwandern von Epithelzellen aus dem Wundrand und Reepithelisierung der offenen Wundfläche
Dauer
Klinische Zeichen
Klinischer Bezug
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Vorsicht vor unbeabsichtigtem Debridement (keine haftende Wundauflage oder Kompresse)
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Heilungsdauer lässt sich durch Wundauflagen in dieser Phase am besten beeinflussen
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je nach Art und Lokalisation des Defekts Rekonstruktion erwägen, um übermäßige oder störende Narbenbildung zu verhindern (Gelenke, Gliedmaßen)
Steckbrief: Maturationsphase
Aufgabe
Vorrangig beteiligte Mediatoren
Dauer
2.1.2 Wundbeurteilung bei geschlossenen Wunden (Heilung ad primam intentionem)
Bei geschlossenen Nähten reicht es i.d.R. aus, die Integrität der Naht zu testen. Während Schwellung, Rötung und Schmerz in den ersten 3-4 d nach der Operation normal sind, sollten diese Symptome nach 5 d deutlich zurückgehen, im Idealfall völlig sistieren. Jede Form von Sekretion, Dehiszenz, übermäßiger Schwellung, unverhältnismäßigem Schmerz (z.B. plötzlich auftretende Automutilation, Intoleranz der Verbände) und ggf. systemischen Entzündungsanzeichen (Fieber, Laborwertveränderungen) weisen auf eine potenziell abnorme Entzündungsreaktion hin und müssen abgeklärt werden. Bei geschlossenen Nähten eignen sich zur Detektion von Entzündung beispielsweise folgende Maßnahmen:
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Ultraschalluntersuchungen des Wundbereichs
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Laborkontrollen der Entzündungsparameter
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ggf. Feinnadelaspiration von angesammeltem Sekret
Postoperative Infektionen werden basierend auf den Vorgaben des US-amerikanischen Centers for Disease Control and Prävention (CDC) wie folgt kategorisiert ( ? Tab. 2.1):
Tab. 2.1 Einteilung von postoperativen Infektionen, modifiziert nach den Vorgaben des CDC.
Typ
Kennzeichen
oberflächliche Infektion
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tritt innerhalb von 30 d nach dem Eingriff auf
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betrifft nur die Haut und das subkutane Gewebe
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erfüllt mindestens einen der folgenden Aspekte:
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Austritt von eitrigem Sekret aus der Inzision
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aus einer aseptisch durchgeführten Punktion können Erreger isoliert werden
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mindestens ein klinisches Infektanzeichen (calor, rubor, tumor, dolor, functio laesa)
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