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Ich habe dieses endlose Ende in mir, aber du fühlst dich nach Anfang an
Keaton fühlt sich schon lange wie ein Außenseiter in seiner Familie. Am liebsten würde er dem Parfüm-Imperium den Rücken kehren, wäre da nicht das Testament seines Vaters. Als er nach einer Möglichkeit sucht, das Erbe auszuschlagen, stößt er auf ein Geheimnis, das ihn zur Familie von Kenna führt - einem der gefragtesten It Girls Londons. Um diese Spur zu verfolgen, bucht Keaton sie als Model für eine große Werbekampagne von Evergreen, rechnet aber nicht damit, dass hinter Kennas sorgenfreier Fassade eine verletzliche junge Frau steckt, die ihn immer mehr fasziniert. Und plötzlich könnte die Wahrheit nicht nur Keatons Leben auf den Kopf stellen, sondern auch das zarte Band zwischen Kenna und ihm zerstören.
Band 3 der EVERGREEN-EMPIRE-Trilogie, der neuen New-Adult-Reihe von Merit Niemeitz
Alles auf der Welt hat ein letztes Mal.
Klingt simpel? Ist es auch.
Ich glaube, dass wir das eigentlich von Anfang an wissen. Wir wissen, dass alles, was wir beginnen, enden wird. Wir wissen, dass jeder Mensch, den wir treffen, irgendwann auf die eine oder andere Weise wieder gehen wird. Wir wissen, dass jeder Lebensabschnitt mit einer Kante abschließen wird, hinter der er im Nichts verschwindet. Wir wissen sogar, dass das letztlich auch für uns selbst gelten wird.
Was wir nicht wissen, ist das Wann. Es gibt keine Vorzeichen für letzte Male, weder die kleinen noch die großen. Es passiert einfach so, und erst viel später stehen wir da, blicken zurück und erkennen all die Enden wie Kerben in unserem Leben, über die wir gedanklich stolpern, wenn wir nach schönen Erinnerungen tasten.
Das hier waren meine tiefsten: das letzte Mal, dass ich auf dem Dach unseres Leuchtturms stand und so sicher war, diese Welt unter mir würde für immer dieselbe bleiben. Das letzte Mal, dass ich mit Odell und Mari durch die Heckengänge unseres Irrgartens rannte, an dieser Schwelle zwischen Kindheit und Jugend, Sonnenschlieren am Himmel, Schmutzschlieren auf den Wangen, Glücksschlieren in mir. Das letzte Mal, dass ich Evergreen Empire betrat und mich trotz all der transparenten Scheiben tief im Inneren behütet fühlte, als hätte das Universum mir eine schützende Vitrine aus Panzerglas gebaut. Das letzte Mal, dass ich mit Mum in ihrem Atelier stand und ihr assistierte, mit unzähligen Farbsprenkeln auf den Händen, geschummelte, aber alles bedeutende Muttermale, die uns stärker als jedes Gen miteinander verbanden.
Ich könnte ewig so weitermachen, wir alle könnten das. Jeder von uns hat eine fortlaufende Schleife von letzten Malen in sich. Das ist es, woraus das Leben besteht: aus einer endlosen Kette aus Enden. Das Grausame daran? Man erkennt ein letztes Mal eben immer erst als solches, wenn es zu spät ist.
Vielleicht wäre ich nie vom Dach ins Haus geklettert, hätte ich gewusst, dass ich nicht mehr zurückkehren könnte, weil ich bald lernen würde, dass die Welt unter mir nie die gewesen war, die ich in ihr gesehen hatte. Vielleicht hätte ich meine Geschwister dazu gebracht, den Irrgarten nie zu verlassen, wäre mir da schon klar gewesen, dass wir uns außerhalb von ihm irgendwann nicht nur verirren, sondern auch verlieren würden. Vielleicht wäre ich in unserem Unternehmensgebäude geblieben, auch wenn ich mich damals darin oft beengt gefühlt hatte, hätte ich da schon geahnt, dass einsperrende Panzerglaswände besser waren als jene, die zersplitterten - und einen dabei ebenfalls zerstörten.
Und vielleicht, oder eher ganz sicher, hätte ich Mums geliebte Konzentrationsstille an jenem Tag im Atelier unterbrochen, hätte ich kommen sehen, dass es die letzte Chance dafür gewesen wäre. Ich hätte ihr alles erzählt. Das, was ich schon immer gewusst, aber nie gesagt hatte, weil ich dachte, mir bliebe noch so viel Zeit. Und, wenn ich gekonnt hätte, vor allem das, was ich erst kurz darauf erfahren und was all die zuvor gedachten und gefühlten Worte aussaugen und mit neuer, giftiger Bedeutung füllen würde.
Ich hätte ihr die Wahrheit gesagt, ein letztes Mal.
Das Ironische daran war, selbst wenn ich es getan hätte, letztlich hätte das nichts geändert. Zehn Tage später wäre sie so oder so gestorben. Kein Konjunktiv der Welt kam gegen ein geplatztes Aneurysma an.
Mein Blick blieb an den Sprenkeln auf meinem Sweater hängen, während ich die Wohnungstür aufschloss. Jedes Mal, wenn ich welche sah, hielt ich es für Farbe - bis mir einfiel, dass ich seit über vier Jahren nicht mal mehr im Geheimen malte. Es war nur Kaffee, den ich verschüttet hatte, als mein Handy in der Straßenbahn geklingelt hatte. Odells Name auf dem Display, eine bleierne Gefühlswelle aus Reue und Traurigkeit, die alles in mir überrollte. Es war über dreieinhalb Jahre her, dass ich London verlassen und den Kontakt zu meiner Familie weitestgehend abgebrochen hatte, mein großer Bruder hörte trotzdem nicht auf, mich an meinen Geburtstagen anzurufen. Ebenso wenig wie ich damit, ihn mit einer knappen Nachricht abzuweisen. Ich wusste, dass ich ihn damit verletzte, aber das war die einzige Möglichkeit, um ihn zu schützen. Das Leben war paradox - und beschissen. Alles, was ich wollte, war, ihm die letzten Male zu ersparen, die mir das gezeigt hatten.
Ich zog die Jacke aus, während ich die Tür hinter mir zuwarf. Das Loft, in dem ich wohnte, befand sich in North Beach, einem der beliebtesten Viertel San Franciscos, das auch als Little Italy bekannt war. Als ich vor ein paar Monaten nach dem Bachelorabschluss in Stanford vom Campus hergezogen war, hatte ich mich für diesen Bezirk entschieden, weil er durch die Lage auf einem Hügel häufiger wolkenfrei war als alle anderen. Heute nervte mich selbst der blaue Himmel. Früher hatte ich Geburtstage geliebt. Es war mir vorgekommen, als dürfte man an ihnen tun und lassen, was man wollte, ohne sich vor irgendjemandem rechtfertigen zu müssen. Keine Erwartungen, keine Pflichten, nur vierundzwanzig Stunden Freiheit. Mittlerweile hasste ich jede einzelne Minute. An diesen Tag denken hieß, an alle vorangegangenen denken, an Kindheit und Jugend und Damals. An alles, was ich versuchte zu vergessen, seit ich England verlassen hatte. Geburtstage bedeuteten keine Freiheit mehr, sie sperrten mich in ein Gedankengefängnis, dem ich nicht entkommen konnte.
»Lil?« Ich warf die Jacke über das Sofa im Flur, während ich auf den offenen Wohnbereich zulief. Das Appartement war lichtdurchflutet wie ein Atelier, doch die einzigen Gemälde malte die Sonne beim Untergehen an die unverputzten Wände. Sie blendete mich, als ich auf den Durchgang zutrat - bis sich jemand in den Rahmen stellte.
»Hallo, Geburtstagskind.« Lily strahlte mich an, ihr grau gefärbtes Haar flimmerte silbrig, so wie das Piercing in ihrem linken Nasenflügel.
Ich seufzte. »Was muss ich tun, damit du das sein lässt?«
Als ich mich zu ihr hinabbeugte, um sie zu küssen, wich sie mir aus. »Warte.« Sie schob mich weg, einen ungewohnt verlegenen Ausdruck in den braunen Augen. »Du hast Besuch.«
Genervt legte ich den Kopf zurück. »Ernsthaft? Ich hab Dylan gesagt, ich hab keine Lust, was zu unternehmen, ich .«
Meine Stimme stockte, weil ich es da roch: Alpenveilchen, Cashmeran, Vetiver, zig Bausteine, die ein bestimmtes Parfüm bildeten. Mein Magen zog sich zusammen und dann auseinander, verschiedene Emotionen zerrten daran.
Die grausamste Veränderung der Welt war die einer Duftbewertung. Mein Leben lang war mir dieser Geruch vertraut gewesen. Er hatte Schutz bedeutet, Vertrauen, Zuhause. Und jetzt? Jetzt verspannte sich alles in mir beim ersten Atemzug.
Ich ließ Lily los, als ein Schatten über den Boden hinter ihr fiel. Er machte einen Schritt in mein Sichtfeld hinein, etwas schlug mir in den verkrampften Magen.
Mein Vater sah mich an, und ich wollte mich übergeben.
War das nicht wirklich zum Kotzen?
»Schön, dich zu sehen, Keaton.« Er lächelte mir zu, aber ich sah die Angespanntheit in seinen Zügen. Da waren mehr Fältchen als beim letzten Mal, als ich ihn gesehen hatte.
Wie lang war das her? Zehn, elf Monate? Ich hatte Unterlagen aus Rosehill gebraucht und es nicht vermeiden können, ihm in der Villa über den Weg zu laufen. Ein zehnminütiges Treffen, das mich seitdem ebenso verfolgte wie all die anderen. In meinem Kopf wiederholten sich permanent unzählige Momente meiner Kindheit und Jugend, und mit jedem Mal rieben sich feine Bedeutungsspäne ab. Meine Erinnerungen renovierten sich auf falscheste Weise, was dabei herauskam, war nichts weiter als eine Ruine.
»Was willst du hier?« Meine Stimme klang hart und kalt, mein Herz fühlte sich genauso an.
Lily lachte holprig auf. »Gott, du kannst echt so gar nicht mit Überraschungen umgehen.« Sie legte mir einen Arm auf den Rücken und grub die Finger in meinen Sweater, als wollte sie mir einen Stoß in seine Richtung geben.
Es war so seltsam, dass Menschen dich nackt gesehen haben konnten, aber keine Ahnung davon hatten, wie es in dir aussah. Ich konnte nirgendwohin gestoßen werden, ich lag bereits am Boden. Ich lag dort seit über vier beschissenen Jahren, und der Grund dafür stand vor mir und sah mich mit einem Blick an, der ihm nicht zustand. Gekränkt, traurig, enttäuscht.
»Es ist doch toll, dass er sich die Zeit genommen hat, um herzufliegen.« Lily lächelte Charles zu, offen und aufrichtig, weil sie so war. Immer ehrlich, immer direkt, immer das Gegenteil von mir - und meinem Vater. Das war einer der Gründe gewesen, aus denen ich mich vor rund zwei Jahren zu ihr hingezogen gefühlt hatte, als wir uns auf einer Collegeparty begegnet waren. Jetzt war es der, wegen dem ich sie gern aus dem Raum gezogen hätte. »Das Leben als so erfolgreicher Anwalt stelle ich mir stressig vor. Keaton hat erzählt, wie beschäftigt Sie mit der Kanzlei sind.«
Mein Vater blinzelte. »Hat er das?« Sein Blick schwenkte zu mir. Es kostete mich alles an Kraft, nicht wegzusehen. Nicht aus Scham, sondern aus Wut. Ich spürte seine Verurteilung, dabei stand es ihm nicht zu, über Unehrlichkeit zu richten. Nicht, wenn seine Lügen der Grund für meine waren.
Lily nickte. »Und dass Sie sich gewünscht hätten, er würde ebenfalls Jura in Oxford studieren. Ich kann Ihnen nur sagen, dass ich wirklich froh bin, dass er stattdessen hergekommen ist und Sie ihn sein Ding machen lassen. Und nur weil er nicht bei Ihnen arbeiten...
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