Schweitzer Fachinformationen
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BEWUSSTSEIN
Welchen Anforderungen muss sich die Landwirtschaft stellen?
Dass die Landwirte auch weiterhin ihren Teil an der Energieversorgung leisten sollen und werden, wurde bereits dargelegt. Doch selbst bei optimistischem Herangehen wird der durchschnittliche Flächenanteil nachwachsender Rohstoffe wohl die 20-Prozent-Marke nicht überschreiten. Die Verwendung der verbleibenden vier Fünftel der Ackerfläche ist allerdings noch keineswegs sicher. Gegenwärtig wird noch nicht an erster Stelle über die Versorgungssicherheit in Bezug auf unsere Nahrungsmittel gesprochen. Unser europäischer Wohlstand ist gesichert.
Gewinnen in Zukunft jedoch die armen Länder dieser Welt nur ein wenig an Wirtschaftskraft, sind sie nicht mehr vorrangig auf den Export von Nahrungsmitteln zu Schleuderpreisen angewiesen, um überhaupt eine einigermaßen funktionierende Volkswirtschaft aufrecht erhalten zu können. Eine solche Entwicklung hätte wiederum unmittelbaren Einfluss auf unsere Nahrungsmittelpreise. Trotzdem sollten wir diesen Gang nicht etwa fürchten, sondern ihn mit allen Mitteln befördern.
Der Hunger ist gegenwärtig noch bei ungefähr einem knappen Siebentel der Weltbevölkerung ein regelmäßiges Problem. Die Folgen für die reicheren Teile der Welt sind unter anderem die ständig zunehmenden Flüchtlingsströme vor allem aus den armen Ländern Afrikas. Diesem Problem ist nicht durch den Bau neuer Flüchtlingslager oder durch Brotlieferungen beizukommen. Eine wirkliche Hilfe kann nur durch den Aufbau der Wirtschaft in den Entwicklungsländern selbst gegeben werden. Wenn infolgedessen die Nahrungsmittelpreise steigen, dann ist das eine notwendige und vor allem nützliche Entwicklung. Verdienen die Bauern nämlich ihr Geld direkt über den Verkauf der erzeugten Nahrungsmittel, sind sie weniger auf staatliche Förderungen angewiesen. Für die frei werdenden Fördermittel gäbe es an vielen anderen Stellen Verwendungsmöglichkeiten.
Leider spielt dieser Gedanke in der gegenwärtigen Agrarpolitik weder in unserem Lande noch in der EU eine unmittelbare Rolle. Gegenwärtig geht es eher um das Wie als um das Was bei der Diskussion über die Ausrichtung der Landwirtschaft in Europa und damit auch bei uns. Das bedeutet, dass in Deutschland nach Jahrzehnten des Nahrungsmittelüberschusses immer mehr die Produktionsweise unserer Lebensmittel ins Zentrum der Betrachtung gerückt wurde. Wir wollen nicht nur satt werden, sondern auch in einer intakten Umwelt leben.
Die vielen Jahre der öffentlichen Diskussion zur gesamten Umweltproblematik haben in unserer Bevölkerung einen tiefen Eindruck hinterlassen. Somit ist es nicht verwunderlich, dass die von der Politik formulierten Forderungen an unsere Landwirtschaft maßgeblich von diesen Gedanken geprägt sind. Mittlerweile unterscheiden sich die Zielrichtungen nicht mehr wesentlich nach den jeweiligen Parteizugehörigkeiten der einzelnen Landwirtschaftsminister. So ist man also parteiübergreifend der Meinung, dass unsere Landwirtschaft sichere und gesunde Lebensmittel erzeugen soll. Die landwirtschaftliche Produktion soll umweltgerecht erfolgen und die Tierhaltung artgerecht sein. Der ökologische Wert unserer Kulturlandschaften soll erhalten bleiben. Bei allem Tun der Landwirte soll der Kerngedanke der Nachhaltigkeit immer Berücksichtigung finden. Besonders die grünen Politiker formulieren zugespitzt, dass die ökologische Landwirtschaft in Zukunft das Leitbild der Landwirtschaft insgesamt werden solle.
Gibt es in Zukunft nur noch Biobauern?
Seit Jahren gibt es unter den Landwirten einen Grundsatzstreit über dieses Thema. Selten sind persönliche Fehden zwischen Nachbarn mit unterschiedlicher Ausrichtung ihrer Betriebe die Ursache hierfür. Im Wesentlichen haben sich bei den Vertretern der verschiedenen Lager vielmehr bestimmte Ansichten über die Wirtschaftsweise des anderen im Kopf festgesetzt und verhärtet. Es scheint so, als sähe man die Welt mit unterschiedlichen Augen.
Um die Situation zu verdeutlichen, möchte ich einen Vergleich bemühen: Wir wissen, dass Mensch und Biene annähernd die gleiche Bandbreite des optischen Lichtes sehen können. Allerdings ist das Sehfeld der Bienen ein Stück in Richtung Ultraviolett verschoben, so dass sie das für uns unsichtbare UV-Licht, dafür aber weniger Rot als wir sehen können. Mensch und Biene sehen also beim Betrachten derselben Objekte verschiedene Bilder. Den Landwirten scheint es - je nach Standpunkt - ähnlich zu gehen: Sie sehen die Welt entweder so oder so. Jeder interpretiert das von ihm gesehene Bild als das einzig richtige. In Wahrheit aber fehlt jedem eine Teilansicht zum vollständigen Verständnis des betrachteten Objektes.
Dieses Aneinander-vorbei-Denken begegnet einem immer wieder. Vor Jahren wurde ich von einem Nachbarn gebeten, einen Wurf Ferkel zu kastrieren. Als ich bei ihm auf dem Hof ankam, musste ich feststellen, dass ich mein Skalpell vergessen hatte. Um Zeit zu sparen, bat ich den Nachbarn um eine Rasierklinge. Er brachte mir eine einfache Klinge, die deutliche Spuren des Nachschärfens aufwies. Das erinnerte mich an das Werkzeug meines Opas. Für die von mir auszuführende Operation war es durchaus gut geeignet, doch konnte ich mir die Frage nicht verkneifen, ob der Nachbar nicht vielleicht doch schon auf eine modernere Tandem- oder Quadroklinge umgerüstet hätte. Er war empört: Niemals wolle er so viel Plastikmüll einfach in die Umwelt schmeißen, sondern Altes nutzen, solange es gebrauchsfähig war. Zunächst musste ich schmunzeln. Aber später dachte ich doch darüber nach, dass ich mir bisher derart weitreichende Gedanken noch nicht gemacht hatte. Einige Wochen später lieh ich demselben Nachbarn einen Anhänger zum Mistfahren und traf ihn bei seinem Transport zufällig auf der Straße. Schon von Weitem sah ich, dass der Wagen völlig überladen war und die Räder bereits bedenklich dicke Backen bekamen. Ich hielt den guten Mann an und bat ihn, schnellstens Luft nachzupumpen und den Wagen zukünftig nicht wieder so voll zu laden, um ihn möglichste lange funktionstüchtig zu erhalten. Anschließend überlegte ich mir, wie viele Rasierklingen wohl einen Anhängerreifen aufwiegen könnten.
So gibt es unterschiedliche Sichtweisen auf ein und dieselbe Sache. In Bezug auf die Ausrichtung der Landwirtschaft macht es aus meiner Sicht keinen Sinn, weiter um die Vormacht der einen oder der anderen »Landwirtschaftsphilosophie« zu streiten. Man wirft den konventionellen Landwirten vor, nur an die Wirtschaftlichkeit zu denken und dabei die Umwelt aufs Spiel zu setzen. Im Gegenzug kreidet man den Ökobauern an, bei aller Schonung der Umwelt die Ökonomie auf der Strecke zu lassen. In Wahrheit kann es in Zukunft langfristig keine Landwirtschaft ohne Berücksichtigung der ökologischen Zusammenhänge geben. Aber genauso wenig kann die Landwirtschaft eines Landes völlig ohne Beachtung der Betriebswirtschaft existieren.
Im Jahr 2012 wirtschafteten 7,7 Prozent der Landwirtschaftsbetriebe nach den Richtlinien des ökologischen Landbaus. Dabei wurden 6,2 Prozent der landwirtschaftlichen Nutzfläche von diesen Betrieben bewirtschaftet. Die Verteilung über die Bundesländer ist dabei äußerst differenziert: Die Spitzenplätze nehmen Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin und das Saarland ein. In diesen Ländern liegt der Flächenanteil bei nicht ganz dem Doppelten des Bundesdurchschnitts, während zum Beispiel Niedersachsen nur ungefähr die Hälfte des Durchschnittes erreicht. Die durchschnittliche Flächenausstattung der Ökobauern betrug 2012 45,1 Hektar. Auch in diesem Bereich sind die Betriebe des Ostens wiederum deutlich größer als die im Westen der Republik.
Der Wachstumstrend dieses Zweigs der hiesigen Landwirtschaft ist nach wie vor ungebrochen. Allerdings kann selbst nach einem weiteren Jahrzehnt der Ausdehnung in gleicher Größenordnung wie bisher nicht von einer marktbeherrschenden Stellung des ökologischen Anbaus gesprochen werden; der Flächenanteil bliebe weiterhin unter 10 Prozent. In der öffentlichen Wahrnehmung aber sieht das Bild doch deutlich anders aus. Alle Welt spricht vom Wachstum der Ökobranche, und keine der unzähligen TV-Kochsendungen kommt ohne den Hinweis auf die deutlich bessere Qualität der Ökoprodukte aus. Wenn aber niemand mehr die konventionelle Massenware verzehren möchte, fragt man sich doch zwangsläufig, warum diese immer noch so deutlich den Markt dominiert.
Die Antwort ist einfach: Der durchschnittliche Verbraucher verhält sich offenbar anders, als die an der Meinungsbildung Beteiligten es der Bevölkerung suggerieren. Hier wird eine Minderheitenmeinung als allgemeines Gedankengut verkauft - nicht nur durch die Medienvertreter, sondern auch durch die Politiker. Ökologisches Denken liegt im Trend. Jeder, der regiert oder regieren möchte, tut anscheinend gut daran, sich als Vordenker in Sachen Ökologie zu geben. Außerdem seine ökologischen Verzehrgewohnheiten öffentlich zur Schau zu stellen, erhöht den eigenen Marktwert. Doch ist am Ende wirklich der durchschnittliche Verbraucher der Dumme, der entweder aufgrund seines geringen Verdienstes auf konventionelle Produkte angewiesen ist oder diese aus mangelndem Umweltbewusstseins kauft?
Die Kluft liegt meines Erachtens nicht zwischen den herkömmlich wirtschaftenden und den Ökobauern, sondern zwischen guten und schlechten Landwirten. Wer sein Metier beherrscht, kann sowohl in der einen wie in der anderen Form ein guter Bauer sein und gute, gesunde Lebensmittel produzieren. Ich habe meine Erfahrungen als praktischer Landwirt im konventionellen Bereich gemacht. Das hat mich und meine Sicht auf die Dinge nachhaltig geprägt. So frage ich mich nach wie...
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