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>>>Dezember 1897, Rue Lhomond, im Zentrum von Paris. Ein ungemütlicher, feuchter Raum in der städtischen Schule für Physik und Chemie. An einem der Tische steht eine dünne, dunkel gekleidete, etwa dreißigjährige Frau, die aschblonden, krausen Haare streng zurückgebunden. Marie heißt sie. Marie Curie.
Konzentriert blickt die junge Wissenschaftlerin auf das Gerät, das vor ihr steht: ein Elektrometer, mit dem sie die von der Luft geleitete Menge der Elektrizität misst. Sie hat sichergestellt, dass die Feuchtigkeit des Raums dem Gerät nichts anhaben kann. Ihre Messergebnisse sind absolut zuverlässig - wie alles, was Marie anpackt. Ihr Physikstudium an der ehrwürdigen Pariser Universität Sorbonne hat sie als Beste ihres Jahrgangs abgeschlossen. Und das, obwohl sie aus Polen stammt und zu Beginn ihres Studiums erst einmal richtig Französisch lernen musste. Auch einen Abschluss in Mathematik hat sie in der Tasche. Die Frau mit dem ernsten Gesicht hat die zweitbeste Prüfung von allen Studenten abgelegt.
Jetzt hat sie sich vorgenommen, ihre Doktorarbeit im Fach Physik zu schreiben. Deshalb sitzt sie zehn bis elf Stunden täglich in diesem armseligen, beengten Raum, der bis vor Kurzem noch als Lagerraum diente und über den einer ihrer Kollegen urteilt, er sei eine Kreuzung zwischen einem Kartoffelkeller und einem Stall. Eine Frau mit Doktortitel in den Naturwissenschaften? Sie wäre in Frankreich die erste. Nicht wenige Wissenschaftler halten es für ganz und gar ausgeschlossen, dass eine Frau in der Lage ist, einen nennenswerten Beitrag in der naturwissenschaftlichen Forschung zu leisten. Neuntausend Studenten sind an der Pariser Universität Sorbonne eingeschrieben, darunter nur etwa 250 Frauen, die abfällige Bemerkungen über sich ergehen lassen müssen. "Sie sehen meist aus wie Lehrerinnen und tragen Brillen. Bei Prüfungen rattern sie mit bewundernswerter Genauigkeit herunter, was sie gelernt haben", spöttelt man, "sie verstehen es nicht immer." Wenn Marie als Wissenschaftlerin ernst genommen werden möchte, braucht sie einen Doktortitel. Kein Weg führt daran vorbei. Ihr Traum ist, Forscherin zu werden. Sie wird hart dafür arbeiten, dass dieser Traum wahr wird - egal, was für Schwierigkeiten auf sie zukommen.
Henri Becquerel
Der französische Physiker Henri Becquerel (1852-1908) gilt als der Entdecker der Radioaktivität. Er beschäftigt sich ab 1891 mit Phosphoreszenz. Das ist die Eigenschaft mancher Stoffe, längere Zeit nachzuleuchten, wenn sie mit Licht oder Röntgenstrahlen behandelt worden sind. Dabei stellt er durch Zufall fest, dass Uransalze von selbst eine Strahlung abgeben, unabhängig von Licht oder anderen äußeren Einflüssen. Damit war er dem Phänomen der Radioaktivität auf die Spur gekommen. Am 24. Februar 1896 berichtet er vor der Akademie der Wissenschaften von dieser Entdeckung, für die er 1903 mit dem Nobelpreis für Physik geehrt wird. Außerdem wird die Aktivität radioaktiver Substanzen ihm zu Ehren seit 1908 in Becquerel gemessen.
Uran
Uran ist ein radioaktives Metall, das in der Natur nicht in reinem Zustand vorkommt, sondern - wie die meisten Metalle - nur gebunden an Sauerstoff. Solche Verbindungen nennt man Minerale. Das chemische Element Uran, das mit dem Symbol U dargestellt wird, wird 1789 von dem angesehenen Chemiker Martin Heinrich Klaproth aus dem Mineral Pechblende isoliert. Es erhält seinen Namen nach dem Planeten Uranus, der wenige Jahre zuvor entdeckt worden war. 1938 entdecken deutsche Wissenschaftler, dass sich eine bestimmte Form des Urans (das Isotop Uran-235) relativ leicht spalten lässt. Dieses nur zu 0,7 % in natürlichem Uran enthaltene Isotop hat heute große wirtschaftliche Bedeutung. Es kommt z. B. in Kernkraftwerken zum Einsatz. Bei der Spaltung des Urans werden große Mengen Energie frei, die für die Stromerzeugung genutzt werden können.
Die Curies ahnen nicht, welche Gefahr von ihren radioaktiven Proben ausgeht. Unbefangen nehmen sie sie in die Hand.
Proben von Metallen, Metallverbindungen oder Mineralien werden von Marie auf eine Metallplatte gelegt und analysiert. Von überall her hat sie sich die Proben zusammengeborgt. Sie sucht nach etwas ganz Bestimmtem. Nach etwas, was man nicht sehen, nicht fühlen, nicht schmecken und nicht hören kann und von dem kaum einer ahnt, dass es existiert. Sie sucht nach einer Strahlung, die bestimmte Stoffe aussenden. Eine unbekannte, unerklärliche, noch unerforschte Strahlung. Das Schwermetall Uran gibt sie ab. Ganz schwach nur, aber mit dem Elektrometer messbar. Der Physiker Henri Becquerel hatte diese Strahlung bei Versuchen mit Uransalzen zufällig bemerkt, war der Sache aber nicht weiter nachgegangen. Marie erschienen diese geheimnisvollen Strahlen sofort interessant. Ein lohnendes, vielversprechendes Thema für ihre Doktorarbeit.
Jetzt möchte sie herausfinden, ob noch weitere Stoffe eine ähnliche Strahlung wie das Uran aussenden, und untersucht systematisch alle bekannten chemischen Elemente. Zuletzt hat sie ein kleines Stück Thorium, wie das Uran ein Metall, auf die Platte gelegt. Sie blickt auf die Anzeige des Elektrometers. Auf einmal ist sie hellwach. Also auch das Thorium - es strahlt ebenso wie das Uran! Warum nur? Wo kommt die Strahlung her? Wie lässt sie sich erklären? Marie Curie ahnt, dass sie dabei ist, ein Fenster in eine unbekannte Welt zu öffnen. Um sich beim Erforschen dieser fremden Welt wenigstens an einem Namen festhalten zu können, nennt sie die neue Strahlung Radioaktivität.
Im Raum ist es eisig kalt, höchstens sechs Grad, aber das scheint Marie gar nicht so recht wahrzunehmen. Wann sie zuletzt etwas gegessen hat - sie weiß es nicht mehr. Über ihrer Arbeit vergisst sie meist, etwas zu sich zu nehmen. Aber jetzt wird sie wenigstens eine Tasse Tee kochen für sich und für ihren Mann Pierre. Der arbeitet als Lehrer an der Schule für Physik und Chemie. Gleich wird er mit seinen Vorlesungen fertig sein und bei ihr im "Kartoffelkeller" vorbeischauen. Da kommt er auch schon. Marie geht ihm lächelnd entgegen. Sie freut sich jeden Tag aufs Neue auf seinen Besuch. Pierre Curie gilt als brillanter Physiker, als großes Talent, ist ein bedingungsloser Perfektionist bei der wissenschaftlichen Arbeit, genau wie sie. Mit ihm kann sie über ihre Forschung diskutieren wie mit keinem anderen. Beim Tee sprechen sie über die neu entdeckte Strahlung.
"Die Stärke der Strahlung hängt ausschließlich von der Menge des Urans ab. Je mehr Uran, desto stärker wird sie. Und die Stärke der Strahlung wird durch nichts verändert. Weder von der Temperatur, noch vom Licht. Sie ist gleichbleibend, wenn das Uran trocken oder nass ist, wenn es als Pulver oder im Stück daherkommt, wenn es vermischt oder rein ist", berichtet Marie. Pierre findet diese Beobachtung genauso aufregend wie seine Frau. Denn das bedeutet, dass die Strahlung untrennbar mit den Atomen verbunden ist. Sie wird durch eine Reaktion im Atomkern bestimmter Elemente wie Uran oder Thorium hervorgerufen, so viel hat Marie schon herausgefunden. Aber was passiert da genau? Das gilt es zu erforschen.
Atome und Moleküle
Woraus besteht die Welt? Diese Frage versuchten schon die alten Griechen zu beantworten. Sie sagten, dass alle Materie aus kleinsten, unteilbaren Teilchen besteht. Diese kleinsten Bausteine der Materie nannten sie Atome (atomos ist das griechische Wort für "unteilbar"). Später fand man heraus, dass Atome keineswegs unteilbar sind. Sie bestehen aus einem Kern, der sich aus zwei weiteren Teilchen zusammensetzt: aus Protonen und Neutronen. Und auch diese beiden Teilchen sind noch weiter teilbar, sie bestehen jeweils aus drei anderen Teilchen, den sogenannten Quarks. Um den elektrisch positiv geladenen Atomkern kreisen elektrisch negativ geladene Teilchen: die Elektronen. Wenn mehrere Atome sich zu größeren Gebilden zusammenschließen, spricht man von Molekülen.
Der Physiker Ernest Rutherford findet durch Experimente heraus, dass ein Atom aus Hülle und Kern bestehen muss. Seine Versuche zeigen nämlich, dass Alphateilchen (zweifach positiv geladene Heliumatome) beim Durchfliegen dünner Metallfolien von ihrer Bahn abgelenkt werden.
Ein langer Weg liegt vor Marie. Wenig ist über die Atome bekannt, von denen man zu diesem Zeitpunkt noch annimmt, dass sie der kleinste Grundbaustein sind, aus dem Materie besteht.
"Was wirst du jetzt als Nächstes tun?", fragt Pierre.
"Weitere Stoffe untersuchen", sagt Marie, die völlig fasziniert von dieser neuen Strahlung ist. Und wochenlang sucht sie weiter, findet aber unter den bekannten chemischen Elementen keine weiteren mit radioaktiven Eigenschaften, wie sie das Uran und das Thorium besitzen. Da wendet...
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