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Der Name ist «Falkner». Mein Urgroßvater, dessen Namen ich trage, war zu seiner Zeit und in seinem provinziellen Milieu ein angesehener Mann. Er war das Urbild des John Sartoris: das zweite Mississippi-Infanterie-Regiment, 1861-1862, wurde von ihm aufgestellt, organisiert, entlöhnt und befehligt. [.] Er hat in unserem Bezirk die erste Eisenbahn gebaut, schrieb ein paar Bücher, machte die große Europareise seiner Zeit und starb beim Duell: der Bezirk errichtete ihm ein Marmorstandbild, das noch heute in Tippah County steht. Der Ort unserer Herkunft ist auf größeren Landkarten ersichtlich: ein Weiler namens Falkner, gleich unterhalb der Grenze von Tennessee und an seiner Eisenbahnlinie gelegen. Über den Namen heißt es weiter: Meine erste Erinnerung an den Namen bestand darin, daß ihn anscheinend kein Außenstehender aussprechen konnte, wenn er ihn las, und wenn er ihn dann doch einmal aussprach, schrieb er immer ein «u» hinein. [.] Insgeheim war ich vielleicht ehrgeizig, als ich anfing zu schreiben, obwohl ich damals glaubte, zu meinem Vergnügen zu schreiben, und ich wollte nicht auf den Rockschößen meines Großvaters segeln und nahm daher das «u» an, freute mich über eine so leichte Art, selbständig zu werden.[1]
Faulkner «dehnt» in diesem Bericht die Wahrheit ein wenig, wie Mark Twain sagt, aber er hält sich im Wesentlichen an die Fakten. Seine Vorfahren waren im 18. Jahrhundert aus Schottland in den Süden Amerikas ausgewandert; der Urgroßvater, William Clark Falkner, ließ sich um 1845 in der kleinen Ortschaft Ripley im Norden von Mississippi nieder. Sein abenteuerliches, erfolgreiches, bisweilen auch gewalttätiges Leben beschreibt Faulkner in den Romanen Sartoris und Die Unbesiegten, und die erwähnte Eisenbahnlinie beschäftigt die Phantasie des Erzählers ebenso wie die militärische Laufbahn des «Old Colonel» im Krieg der Südstaaten gegen die Nordstaaten. In Sartoris heißt es über das ihm gesetzte Denkmal: Er stand auf einem steinernen Postament, in seinem Gehrock, barhäuptig, ein Bein leicht vorgestellt und eine Hand leicht ruhend auf dem Pfeiler neben ihm. Der Kopf war ein wenig erhoben, in jenem hochmütigen Stolz, der mit verhängnisvoller Regelmäßigkeit von Generation zu Generation wiederkehrte, den Rücken der Welt zugekehrt und aus gemeißelten Augen über das Tal schauend, wo seine Eisenbahn lief [.].[2] Faulkner war stolz auf diesen Vorfahren, dessen Leben und Taten in der Familie durch oft erzählte Geschichten in der Erinnerung wachgehalten wurden.
Kannte er den Urgroßvater nur aus Erzählungen, so war ihm die Gestalt seines Großvaters John Wesley Thompson Falkner aus seiner Kindheit und Jugendzeit wohlvertraut. Die Familie der Falkners lebte in engem Miteinander, räumlich kaum voneinander getrennt und eingebettet in gemeinsame Beziehungen, die nicht nur bei festlichen Anlässen, sondern im täglichen Umgang gepflegt wurden. John W.T. Falkner war eine nicht minder farbige Figur als sein Vater. Als Jurist, Politiker, Geschäftsmann und Bankier war er einer der prominenten Bürger von Oxford/Mississippi; neben der väterlichen Eisenbahnlinie gehörten zu seinem Erbe freilich ebenso eine Neigung zur Gewalttätigkeit wie vor allem die Liebe zum Alkohol. Der «Young Colonel», wie er oft genannt wurde, war ein seine Umgebung beherrschender Mann und stand trotz seines exzessiven Lebens in hohem Ansehen. Viele Jahre hindurch bildete sein Haus den Mittelpunkt der Familie.
Sein Sohn Murry Cuthbert Falkner, der Vater des Erzählers, wurde im Jahre 1870 geboren. Sein Leben hat wenig von dem Glanz seiner Vorfahren; offenbar stand er ganz im Schatten seines Vaters. Bei seinen verschiedenen geschäftlichen Unternehmungen, die er, oftmals mit väterlicher Unterstützung, begann - unter anderem betrieb er eine Mühle zur Herstellung von Öl aus Baumwollsamen, eine kleine Eisfabrik, eine Lohnkutscherei und einen Eisenwarenhandel -, hatte er kaum Erfolg; schließlich fand er eine Stellung in der Verwaltung der Universität von Mississippi in Oxford. Kurz nach seiner Heirat mit Maud Butler, der Tochter eines durch den Bürgerkrieg wirtschaftlich ruinierten Mannes, der seine Frau und seine Familie verlassen hatte, zog er, damals noch im Dienst der väterlichen Eisenbahnlinie, nach New Albany im Norden von Mississippi. Dort wurde William Cuthbert Faulkner am 25. September 1897 geboren. Schon ein Jahr darauf übersiedelte die junge Familie nach Ripley, wenig später, als das Eisenbahnunternehmen verkauft wurde, wieder zurück nach Oxford.
In den Jahren der Kindheit und Jugend Faulkners war Oxford ein kleiner Ort mit weniger als 2000 Einwohnern. Im tiefen Süden der Vereinigten Staaten gelegen, Mittelpunkt und Sitz des Distrikts Lafayette, lebte die Stadt vorwiegend vom Handel mit den Farmern aus der näheren Umgebung, deren Baumwollfelder sich in der umliegenden flachhügeligen Landschaft ausdehnten. Lafayette wurde zum Vorbild von Yoknapatawpha County (alleiniger Besitzer und Eigentümer: William Faulkner, wie es auf der vom Autor in Absalom, Absalom! gezeichneten Landkarte heißt[3]), Oxford erscheint unter dem Namen Jefferson. Faulkner hat immer wieder den rechteckigen Marktplatz (the Square) mit dem Gerichts- und Verwaltungsgebäude und den einmündenden Straßen beschrieben:
Die Anhöhe verflachte sich zu dem Plateau, auf dem die eigentliche Stadt vor dreihundert Jahren und noch etwas früher erbaut worden war, und die Straße wurde nun entschieden städtisch mit Garagen und kleinen Läden, mit hemdsärmeligen Kaufleuten und Kunden; da war das Kino mit seinem mit buntem Leben beklebten Eingang [.]. Dann kam der Platz mit seinem ununterbrochenen niedrigen Umriß alter verwitterter Backstein-Gebäude, mit verbleichenden Namen vergangener Familien, Namen, die gleichwohl unter der abblätternden Farbe ausdauerten. Auf dem Platz bummelten Neger herum, beide Geschlechter in unbestimmter und schlechtsitzender Warenhaus-Kleidung, auch Leute vom Lande, gelegentlich in Khaki; und die lebhafteren Städter, mit ihren freundlich kauenden Mienen, unhastig in ihrem Gehaben untereinander und mit den Männern, die schief auf ihren Stühlen vor den Läden saßen.
Das Gerichtsgebäude war ebenfalls aus Ziegeln gebaut, mit steinernen Bögen, von Ulmen beschattet, und zwischen den Bäumen stand der südstaatliche Soldat aus dem Bürgerkrieg, die Muskete bei Fuß, die hohlen Augen mit der steinernen Hand beschattend. Unter den Bogengängen des Gerichtsgebäudes und auf Bänken im Grünen saßen die Ältesten der Stadt und plauderten oder dösten vor sich hin.[4]
Fast die Hälfte der Einwohner des Distrikts Lafayette und der Stadt Oxford waren Schwarze. Ihre soziale Stellung unterschied sich nur unwesentlich von jener der Sklaven vor dem Bürgerkrieg, und an der unbedingten Vorherrschaft der weißen Bevölkerung herrschte kein Zweifel. Die Mehrheit der Weißen scheint Ansichten wie die des späteren Gouverneurs des Staates Mississippi, James K. Vardaman, geteilt zu haben: «Der Neger ist in der Wirtschaftsordnung der Welt notwendig, aber er ist zum Lastenträger bestimmt. Vor 6000 Jahren war der Neger in seinem heimatlichen Dschungel der Gleiche wie heute [.]. Warum sollen wir also Geld für seine Erziehung verschwenden, wenn wir damit doch nur bewirken, daß ein guter Landarbeiter verdorben und eine Köchin aufsässig wird? Der allmächtige Gott hat seine Stellung vorherbestimmt [.].»[5] Noch in der Kindheit Faulkners gab es mehrere Fälle von Lynchjustiz in Oxford und seiner nächsten Umgebung.
Murry Falkner überließ die Erziehung seiner Kinder - Faulkner war der älteste von vier Brüdern - fast ganz der Mutter. Er war schweigsam und neigte zu Zornesausbrüchen; auf der Jagd und in männlicher Umgebung war er zufriedener als in seinen beruflichen Tätigkeiten oder im Kreise seiner Familie. «Er war ein Mann, den man nur schwer kennenlernte», schrieb einer seiner Söhne später; «seine Gabe, sich anderen Menschen zuzuneigen, war begrenzt.»[6] Bei Tisch durfte nicht gesprochen werden, und nur unter dem Einfluss von Alkohol wurde der Vater gelegentlich mitteilsamer. Am Leben seiner heranwachsenden Kinder nahm er wenig Anteil. Inwieweit sein ältester Sohn dies als einen Mangel empfunden hat, ist schwer zu beurteilen; es fällt jedoch auf, dass Faulkner den eigenen Vater in den Selbstzeugnissen kaum erwähnt, der Konflikt zwischen Vätern und Söhnen in seinem Werk dagegen eine beherrschende Rolle einnimmt.
Anders war das Verhältnis zur Mutter. Maud Falkner ermutigte den Jungen zu eigenständiger Lektüre, bestätigte ihn in seinen künstlerischen Interessen und ließ ihn schon als Kind die Werke Shakespeares, Conrads, Balzacs und Victor Hugos lesen. Ihrem Haushalt stand sie mit Strenge und Selbstdisziplin vor; ihr Wahlspruch lautete: «Klage nicht - erkläre nichts.»[7] Faulkner schrieb zwar, dass es ihm als ältestem von vier Söhnen leicht gewesen sei, sich dem Einfluß der Mutter zu entziehen[8], doch offensichtlich bestand eine enge Bindung zwischen Mutter und Sohn, die auch später nicht abbrach.
Freilich war Faulkner weder ein fügsames Kind noch ein guter Schüler. Ich wuchs mehr oder weniger im Mietstall meines Vaters auf, sagte er in einem Rückblick auf seine Kindheit; die Schule habe ich nie gern besucht, und ich hörte mit dem Schulbesuch auf, sobald ich groß genug war, um beim...
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